Winter 2024/2025: Werden wir Gas haben?
Nach erneuten massiven russischen Angriffen auf Objekte der Energieinfrastruktur verlor die Ukraine mehr als 9 GW der Kapazität der Kraftwerke. Aus diesem Grund lebt das Land seit Mai mit regelmäßigen Beschränkungen der Stromversorgung. Vor diesem Hintergrund wächst die Rolle von Erdgas als Energiequelle, sowohl für die Bevölkerung als auch für die Stromerzeugung, denn die Ukraine hat jetzt den Kurs auf den Ausbau der dezentralen Erzeugung, einschließlich der Gaserzeugung, eingeschlagen. Ein solcher Kurs erfordert wiederum eine Steigerung der Gewinnung von „blauem Kraftstoff“ im Land und seinen unterbrechungsfreien Transport an die Verbraucher, denn es handelt sich um eine Frage der nationalen Energiesicherheit. Und die Hauptrolle darin spielt die Naftogaz-Gruppe (Naftogaz Ukraine - Energiekonzern der Ukraine – Red.), deren Unternehmen die größten Gasgewinnungsunternehmen in der Ukraine sind. Ukrinform erkundete, wie Naftogaz an der Gewährleistung der Energiesicherheit für jede Ukrainerin und jeden Ukrainer arbeitet.
Es ist real, das Land vollständig mit Gas zu versorgen
Die letzte Heizperiode verlief unter einem für die Ukrainer etwas ungewöhnlichen, aber sehr aussichtsreichen Motto: Wir haben den Winter ohne den Import von „blauem Brennstoff“ überstanden, ausschließlich aus eigenen Ressourcen. Dies gelang dank zwei Faktoren. Erstens ging der Gasverbrauch im Vergleich zur Vorkriegszeit zurück. Zweitens stieg die Gasgewinnung. Und für die kommende Heizperiode sind die Pläne von Naftogaz nicht weniger ehrgeizig.
„Auch die Heizperiode 2024/25 werden wir ausschließlich mit dem Gas der eigenen Gewinnung überstehen. Das ist der Beitrag von Naftogaz zur Energiesicherheit der Ukraine“, sagt Oleksij Tschernyschow, Vorstandsvorsitzender von Naftogaz Ukraine.
Ehrgeizige Pläne bestätigen die Betriebswerte der Unternehmen der Gruppe. So haben die Unternehmen der Naftogaz-Gruppe im ersten Halbjahr dieses Jahres die Gewinnung von „blauem Kraftstoff“ um 8 Prozent auf 7,3 Milliarden Kubikmeter gesteigert. Darüber hinaus liegen die erzielten Ergebnisse 2 Prozent über den geplanten Werten.
Oleksij Tschernyschow
Wie wurde dies erreicht?
„In diesem Jahr haben wir bereits 45 neue Bohrungen gebohrt, von denen 41 in Betrieb genommen wurden. Dabei gewinnen 14 davon mehr als 100.000 Kubikmeter Gas pro Tag“, kommentiert der amtierende Generaldirektor von Ukrgazwydobuwannja (staatliches Gasgewinnungsunternehmen, gehört der der Naftogaz-Gruppe an), Serhij Lagno.
Ihm zufolge kann das Tempo der Gasförderung dank der Anwendung modernster Technologien, aktivem Bohren und der Inbetriebnahme neuer Bohrlöcher erhöht werden. Auch der alte Fonds bleibt nicht außer acht: Im vergangenen Jahr konnte Ukrgazwydobuwannja die Gewinnung aus alten Bohrlöchern im Vergleich zu 2021 um 20 Prozent steigern.
„Wir analysieren solche Bohrungen ständig, prüfen technische und geologische Risiken und führen die Generalsanierung durch. Und das erlaubt, sogar jene Bohrungen in Betrieb zu nehmen, die bereits stillgelegt werden sollten. Eine davon bringt jetzt zusätzlich 340.000 Kubikmeter Gas pro Tag“, erklärte Lagno.
Die Spezialisten von Naftogaz werden auch weiterhin an der Steigerung der Gewinnung von „blauem Kraftstoff“ arbeiten.
„In diesem Jahr planen die staatlichen Gasförderunternehmen, Ukrgazwydobuwannja und Ukrnafta, insgesamt etwa 15 Milliarden Kubikmeter Erdgas zu gewinnen. Dies reicht aus, um die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Verbraucher der sozialen Kategorie – Heizkraftwerke, thermische Stromerzeugung, Haushaltseinrichtungen – vollständig zu decken“, verspricht Tschernyschow.
Der Redakteur der analytischen Ausgabe ExPro Gas&Oil, Mychajlo Swyschtscho, stellte ebenfalls fest, dass staatliche Unternehmen aktiv bohren und Vorkommen erkunden.
„Im April dieses Jahres hat Ukrgazwydobuwannja mehr als 40.000 m gebohrt, was das Maximum in der gesamten Unternehmensgeschichte war. Zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt führt Ukrnafta 3D-seismische Untersuchungen durch. Zweifellos werden solche Schritte seitens staatlicher Unternehmen eine Steigerung des Gasgewinnungsvolumens ermöglichen, was erleichtern wird, den nächsten Winter zu überstehen“, kommentierte der Analyst.
Neben der eigenen Gewinnung kauft die Naftogaz-Gruppe von privaten Unternehmen das Erdgas, die es in der Ukraine gewinnen. Nach Angaben des Verbands der Gasförderunternehmen haben private Unternehmen im vergangenen Jahr aufgrund von Kampfhandlungen in der Nähe von Vorkommen und einem Rückgang der Gasnachfrage die Gewinnung um 600 Millionen Kubikmeter reduziert. Sie brauchen Unterstützung in Form einer Nachfrage nach ihrem Produkt und Naftogaz ist bereit, ihnen solche Unterstützung zu bieten.
„Das Gesamtergebnis hängt von allen in der Ukraine funktionierenden Gasgewinnungsunternehmen ab. Private Gasproduzenten erlitten wegen des Kriegs Verluste und benötigen zusätzliche Investitionen. Die Naftogaz-Gruppe ist bereit, das von ihnen angebotene Gas zu kaufen, das in der Ukraine zu einem wettbewerbsfähigen Preis gewonnen wurde“, sagt Tschernyschow.
Dabei erfolgt der Kauf an der ukrainischen Energiebörse, was die Transparenz des Handels gewährleistet.
Adrian Prokip, Experte im Programm „Energie“ des Analysezentrums „Ukrainisches Institut für die Zukunft“, stellte fest, dass private Gasförderunternehmen nach Beginn des umfassenden Krieges ihre Hauptverbraucher, die Industrie, verloren haben. Daher ist Naftogaz heute ein Schlüsselabnehmer von privat gewonnenem Gas.
Gasvorräte für den Winter werden ab Frühjahr vorbereitet
Einer der wichtigen Punkte zur Vorbereitung auf die Heizperiode ist die Auffüllung von Gas in unterirdischen Speichern. Das ist eine Garantie für eine unterbrechungsfreie Gasversorgung in den Wintermonaten, wenn der Verbrauch an „blauem Kraftstoff“ deutlich ansteigt. Traditionell beginnt die Gaseinpumpensaison Mitte April und endet im Oktober, kurz vor Beginn der Heizsaison selbst.
„In diesem Jahr haben wir mit dem Gaseinpumpen in die Speicher noch Anfang April begonnen. Wir planen, bis Ende Oktober 13,2 Milliarden Kubikmeter in unterirdische Speicher einzupumpen“, sagt Tschernyschow.
Ihm zufolge sind derzeit in unterirdischen Gasspeichern bereits rund 10 Milliarden Kubikmeter „blauen Treibstoffs“ gelagert.
„Nach unseren Schätzungen ist es höchstwahrscheinlich, dass Naftogaz gelingen wird, den Plan mit dem Gaseinpumpen in die Speicher bis zum 1. November umzusetzen“, kommentierte Swyschtscho.
„Während der Vorbereitung auf die Heizperiode plant Naftogaz, 13,2 Milliarden Kubikmeter ukrainischen Gases zu speichern. Es geht vor allem um die Gewinnung der Unternehmen der Gruppe – Ukrgazwydobuwannja und Ukrnafta. Abgesehen davon, dass die Unternehmen derzeit die Überschreitung des Betriebsplans demonstrieren, wird Naftogaz sein Ziel mit der Gasspeicherung bis November erreichen können“, stellt Mychajlo Swyschtscho fest.
Prokip geht ebenfalls davon aus, dass es bis zum Beginn der Heizperiode gelingen wird, sich den Zielwerten für die Speicherung von „blauem Kraftstoff“ anzunähern.
Ausreichende Gasvorräte sind der Faktor, der erlaubt zu behaupten, dass die Verbraucher im Winter eine gesicherte Energieversorgung haben werden. Ja, Naftogaz ist bereit, Brennstoff für die Stromerzeugung zu liefern.
„Wir verstehen, dass wir die Stabilität im Land unterstützen müssen und sind bereit, die Strom- und Wärmeerzeugung mit unseren Ressourcen dort sicherzustellen, wo das derzeit möglich ist. Das ist unsere Verpflichtung gegenüber dem Staat und den Ukrainern“, gab seinen Kommentar der Chef von Naftogaz, Oleksij Tschernyschow.
„In den letzten zwei Jahren sind rund 2,5 Milliarden Kubikmeter Gas für die Stromerzeugung verbraucht worden. Doch jetzt ist der Teil der Erzeugung, die mit Gas betrieben werden kann, durch russische Angriffe zerstört worden“, sagte Adrian Prokip.
Und was ist mit Gasnetzen?
Ein weiterer Bestandteil der Gasinfrastruktur sind Netze. Dank ihrer stabilen Arbeit gelangt „blauer Treibstoff“ in die Häuser der Ukrainer und Unternehmen. Und ihre Unterhaltung ist ein wichtiger Teil der Arbeit von „Gasverteilungsnetzen der Ukraine“, einem Teil der Naftogaz-Gruppe.
„Wir liefern Gas in die Häuser von mehr als 12 Millionen Ukrainern. Und die Spezialisten von „Gasverteilungsnetzen der Ukraine“ tun alles Notwendige, damit der Brennstoff zu jeder Jahreszeit ununterbrochen geliefert wird“, betonte Tschernyschow.
Er wies darauf hin, dass vorübergehende lokale Unterbrechungen bei der Gasversorgung dann möglich sind, wenn es zu Netzreparaturen kommt. Aber sobald die Gasarbeiter ihre Arbeit beendet haben, wird das Gas wieder zu den Häusern gelangen.
„Unsere Verteilungsinfrastruktur ist unterausgelastet, sie ist ineffizient, aber es gibt keine Voraussetzungen dafür, dass dies die Sicherheit der Gasversorgung während der Heizperiode beeinflusst“, meint Prokip.
Gleichzeitig stellte er fest, dass es Fragen zu den Regionen gebe, die ständig unter russischem Beschuss leiden.
„Täglich fahren unsere Spezialisten in schusssicheren Westen und Helmen zu beschädigten Objekten, um Unfallfolgen zu lokalisieren und zu beseitigen. Manchmal müssen sie die Reparaturarbeiten unterbrechen und warten, bis der Beschuss aufhört“, erzählt Roman Jakowlew, Leiter der Sumyer Abteilung für Gasmanagement der Sumyer Niederlassung von „Gasverteilungsnetzen der Ukraine“.
Allein seit Anfang 2024 wurden 149 Objekte des Gasverteilungsnetzes im Gebiet Sumy durch Kampfhandlungen beschädigt.
Jakowlew sagt, dass im März mehr als 2.500 Verbraucher aufgrund des Beschusses der Gasverteilungsleitung an der Grenze ohne Gas blieben. „Allerdings brauchten die Gasarbeiter etwas mehr als einen Tag, um die Gasversorgung vollständig wiederherzustellen“, fügte er hinzu.
Naftogaz ist auch bereit, seine Infrastruktur für den zeitnahen Anschluss neuer Gaserzeugung zur Verfügung zu stellen, insbesondere in den von der Gruppe verwalteten Wärmekraftwerken.
„Der Anschluss neuer mit Erdgas betriebener Erzeugungsanlagen kann zwar einige Zeit kosten, erfordert jedoch keine zusätzliche wesentliche Modernisierung des Systems selbst“, meint Swyschtscho. Er merkte an, dass der Anschluss neuer Anlagen den Verbrauch von Gas für die Stromerzeugung erhöhen werde, jedoch keine wesentlichen Auswirkungen auf das Gesamtgleichgewicht des Marktes haben werde.
„Erstens ist der Verbrauch von Wärme- und Heizkraftwerken, die mit Gas betrieben werden, aufgrund der umfassenden russischen Angriffe und der Zerstörung der Infrastruktur zurückgegangen. Zweitens sollte das vor der Heizperiode gespeicherte Gas ausreichen, um diesen zusätzlichen Bedarf zu decken“, kommentierte der Analyst.
Prokip wiederum weist darauf hin, dass die Netze jetzt über freie Kapazitäten für den Anschluss von Gasturbinen- und Gaskolbenkraftwerken verfügen. „In jeder Stadt muss man individuell schauen, welche verfügbaren Kapazitäten es gibt. Aber wir haben einmal 100 Milliarden Kubikmeter Gas verteilt, daher sind keine Probleme in Sicht“, betonte der Experte.
Gas wird im Winter eine wichtige Energiequelle für die Ukraine bleiben
Trotz der Kriegsrisiken erledigen die Spezialisten der zur Naftogaz-Gruppe gehörenden Unternehmen gewissenhaft ihren Teil der Arbeit: Ukrgazwydobuwannja und Ukrnafta steigern die Gasgewinnung, Ukrtransgaz sorgt für die Lagerung des geförderten Brennstoffs in den Speichern, Gasverteilungsnetzen der Ukraine bedienen operativ die Gasverteilungsinfrastruktur, auch wenn es um Frontregionen geht.
„Das Team der Naftogaz-Gruppe arbeitet funktionstüchtig, damit jede Ukrainerin und jeder Ukrainer im Winter Zugang zu einer garantierten Energiequelle – Erdgas – hat. Wir kommen unserer sozialen Verantwortung nach, indem wir die Heizkraftwerke mit Gas versorgen und die Energieerzeugung sicherstellen. Und wir sind bereit, zur Entwicklung der Gasverteilungserzeugung beizutragen“, betonte Tschernyschow.
Unter Bedingungen, in denen es im Energiesystem ein großes Defizit an Kraftwerkskapazitäten gibt, wird Gas für die Ukrainer zu einer äußerst wichtigen Energiequelle. Sei es einfach zum Kochen oder zur Erzeugung von Wärme und Strom. Und die Garantie dafür, dass die Ukrainer im Winter diese Energiequelle haben werden, sind die Steigerung der eigenen Gasgewinnung von staatlichen Unternehmen und das stabile Einpumpen von „blauem Kraftstoff“ in unsere unterirdischen Speicher. Diese Prozesse hören keinen Moment auf.
Dank aktiven Bohrungen und Forschungen, die die Ergebnisse der Naftogaz-Gruppe schon im zweiten Jahr in Folge verbessern, besteht die Zuversicht, dass nicht nur genügend Brennstoff für den aktuellen Bedarf, sondern auch für die Entwicklung der dezentralen Gaserzeugung vorhanden sein wird, die wiederum die Situation mit der Stromversorgung verbessern kann.
Und das entwickelte Netz von Verteilungssystemen hat genügend Kapazität, um Dutzende, Hunderte von Gaskolben- und Gasturbinenanlagen im ganzen Land anzuschließen.
In der allgemeinen Unbestimmtheit eines im Krieg stehenden Land gibt es doch eine Bestimmtheit. Im Winter wird es auf jeden Fall Gas geben.
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