Russische Erpressung ist nicht beängstigend, aber Einsatz von 9M729-Raketen ist ernst
Was das Treffen zwischen Trump und Xi betrifft, so hat, wie im Vorfeld klar war, niemand etwas Konkretes gesagt und wird auch nichts Konkretes sagen. Wie schon sechs Monate vor den Gesprächen werden auch sechs Monate danach Analysten ihre eigenen Annahmen und Gerüchte anderer analysieren. Es war mehr als naiv, auf etwas Radikales zu hoffen, beispielsweise dass Xi Putin nach den Gesprächen anweisen würde, die „Spezielle Militäroperation“ aufzulösen. Wir müssen uns damit begnügen, dass sie zum ersten Mal über die Ukraine gesprochen haben. Und sie werden sich erst dann direkt mit dem Krieg befassen, wenn es für sie, und gleichzeitig für die USA, und die Volksrepublik China, profitabel sein wird, ihn zu beenden. Darauf kann man lange warten, oder auch umgekehrt. China beispielsweise ist gerade jetzt sehr an neuen Märkten interessiert, vor allem an europäischen. Aber solange der Krieg in der Ukraine andauert, sind dies vergebliche Hoffnungen für Peking. Laut dem Politikwissenschaftler Ihor Rejterowytsch kann die russische Aggression in der Ukraine ein Hindernis für Pekings globale Pläne darstellen, oder tut dies bereits. Der vom chinesischen Außenminister verkündete Grundsatz der chinesischen Politik – Russland im Krieg mit der Ukraine nicht verlieren zu lassen – bleibt jedoch weiterhin gültig. Solange also dieser Widerspruch nicht gelöst ist, ist nur ein indirekter Einfluss auf den Kriegsverlauf möglich. Beispielsweise eine Erhöhung der Hilfen für die Ukraine von den USA und der Nato und eine schrittweise Reduzierung dieser Hilfen für den Aggressor durch China.

Leider geht es um sehr schleppende Prozesse, und die bisherigen Nachrichten in diesem Bereich sind wenig erfreulich. So schreibt beispielsweise das Wall Street Journal unter Berufung auf ungenannte Quellen, dass Trump seinen chinesischen Amtskollegen während des Treffens nicht mit harten Sanktionsdrohungen wegen des Kaufs von russischem Öl unter Druck gesetzt habe. Das heißt, der amerikanische Präsident wählte den sanfteren Weg, was zu erwarten war, nachdem er seine Hoffnung geäußert hatte, dass „dies nicht lange dauern wird“, womit er offensichtlich neue Sanktionen meinte. Daraus lässt sich schließen, dass die Ukraine autonom handeln muss, ohne auf Durchbrüche auf internationaler Arena zu warten. Russlands Einnahmen aus dem Öl- und Gashandel werden in absehbarer Zeit nicht wesentlich eingeschränkt werden. Natürlich nur, wenn der Weltmarkt und die OPEC das nicht tun werden, aber das ist nicht garantiert. Wir werden also weiterkämpfen müssen, in der Gewissheit, dass es genau so sein wird, und nicht anders.
Zu den positiven Aspekten: Man sollte feststellen, dass Putin offensichtlich Angst vor harten Sanktionen „von Trump“ bekam. Bestätigung dafür ist der spontane, also völlig unvorbereitete Besuch des Sondergesandten Dmitrijew in den USA. Wie vorhergesagt, endete der Besuch mit totalem Nichts, was sich letzte Woche mehrfach bestätigte. Im Grunde genügt eines: Dmitrijew „spazierte“ durch die Korridore Washingtons, traf keine einflussreichen Persönlichkeiten und kehrte mit Nichts zurück.
Putin gab sich jedoch nicht ruhig und arrangierte auch einen Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán bei Trump. Das Ziel war dasselbe: den amerikanischen Präsidenten von entschiedenen Schritten abzuhalten, um Putin mehr Geld zu sichern, damit dieser die Zivilbevölkerung in der Ukraine weiter quälen kann. Ist Putin die Mission seines treuen Vasallen gelungen? Scheinbar wieder nicht. Orbán hatte gehofft, Trump Ende letzter Woche zu treffen, doch es wurde bekannt, dass er frühestens am 7. November im Weißen Haus erwartet wird und ihm bei „Ausnahmen“ für Ungarn bei der Anwendung der Sanktionen praktisch verweigert wurde.
Vor diesem Hintergrund wirkt auch das obszöne Getue um die traditionelle russische Erpressung ermutigend. Zuerst wurden Drohungen gegen Europa und die USA ausgesprochen und Schritte in Richtung einer angeblichen Eskalation unternommen. General Gerassimow berichtete Putin von den Tests von Burewestnik, einem Marschflugkörper mit Nukleartechnologie. Angeblich flog dieser Burewestnik 14.000 km weit. Woher und wohin er flog, ist allerdings unbekannt. Dann wurde über den Poseidon gesprochen, einen Torpedo mit Nuklearantrieb. Er wird als „gefeit“ präsentiert, aber woraus das kommt, wird nichts darüber gesagt. Schließlich wurde die Entscheidung verkündet, Mittelstreckenraketen Oreschnik, die eine Nuklearladung tragen können, praktisch an der Grenze zwischen Belarus und der Ukraine zu stationieren.
Diese Einschüchterungstaktiken hatten nicht die vom Kreml erhoffte Wirkung. Und die Informationen über den Beschuss der Ukraine mit 9M729-Raketen sind jedoch ernst. Gerade wegen Moskaus geheimer Entwicklung dieser Rakete, einer Version der Iskander, die einen Atomsprengkopf tragen kann, traten die Vereinigten Staaten 2019 aus dem INF-Vertrag aus. Und jetzt hat sich laut einem Reuters-Bericht herausgestellt, dass Russland nach den „historischen“ Verhandlungen in Anchorage 23 (!) Mal diese Raketen auf die Ukraine abgefeuert hat. Wir wollen uns nicht mit Konspirologien befassen – ob Trump das persönlich genehmigt hat oder ob Putin den pompösen Empfang und den roten Teppich so verstanden und beschlossen hat, dass er den US-Präsidenten erneut demütigen kann–, aber die Tatsache bleibt bestehen. Es scheint also, dass die Aussage des Pentagons, man verfüge über Tomahawk-Marschflugkörper, die man an die Ukraine liefern könne, ohne die US-Verteidigungsfähigkeit zu beeinträchtigen, in direktem Zusammenhang mit diesen 9M729-Raketen steht. Die endgültige Entscheidung liegt bei Präsident Donald Trump. Und eine solche „Entscheidung“ existiert bereits. Im Gespräch mit Journalisten an Bord der Präsidentenmaschine erklärte Trump, er werde der Ukraine die Tomahawks zwar jetzt nicht liefern, schließe das jedoch für die Zukunft nicht aus. Damit wiederholte er den altbekannten Witz aus Odessa: Putin solle sich jetzt fürchten.
Trump fürchtete jedoch nicht nur vor russischer Erpressung, sondern auch nicht vor einer konkreten Eskalation, und beauftragte seinen Kriegsminister Pete Hegseth mit der Vorbereitung von Atomtests. Es sei schon lange her, dass man unser strategisches Potenzial getestet habe. Man wird mal nun sehen, wann und wo die Amerikaner die Tests durchführen werden, unter Berücksichtigung der seit über 60 Jahren geltenden Beschränkungen in diesem Bereich. Das fixiert die Welt endgültig in der Atmosphäre des Kalten Krieges.
Man musste beobachten, wie schnell Pressesprecher Peskow auf diese Nachricht reagierte: Die russischen Tests seien nicht atomar gewesen! Das ist eine offensichtliche Erschrockenheit, die, wie Experten sagen, darauf zurückzuführen ist, dass Russland einer solchen Eskalation nichts mehr entgegenzusetzen hat. Und wir könnten Peskow etwa so antworten: Wie, sie waren nicht nuklear? Und der „Burewestnik“, ist das keine nukleare Gefahr, keine Art fliegendes „Mini-Tschernobyl“? Und der „Oreschnik“ (der eine nukleare Ladung tragen kann) an einem Ort, von dem aus diese Rakete jede Stadt im russenfreien Teil Europas erreichen kann? Was ist damit? Es sei hier zu erwähnen, dass die Stationierung von Mittelstreckenraketen mit Atomsprengköpfen in Europa in den 80er Jahren zu einer kritischen Beschleunigung des Wettrüstens führte, was in Kombination mit anderen Faktoren (fallende Ölpreise, der verlorene Krieg in Afghanistan) zum Zusammenbruch der vorherigen Version des russischen Imperiums führte.
Schon seit einigen Tagen steht die Lage in Pokrowsk im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der freien Welt und der Sorgen der Ukrainer. Werden die Verteidigungskräfte die Lage in und um die Stadt stabilisieren können? Es erreichen uns nur sehr wenige verlässliche Informationen. Aber vieles hängt davon ab. Sollte es so sein, wäre der Mythos, der russische Aggressor sei unbesiegbar, endgültig zerbrochen. Lasst uns für unsere Verteidiger beten und die Streitkräfte nach Kräften unterstützen.
Serhij Tychyj, Kyjiw
Erstes Foto: Official White House