Das Problem mit ukrainischen Agroexporten ist fast gelöst, aber Fragen bleiben

Das Problem mit ukrainischen Agroexporten ist fast gelöst, aber Fragen bleiben

Ukrinform Nachrichten
Missverständnisse mit Agrarexport werden durch unzureichende Kommunikation und die Gewohnheit verursacht, Probleme zu lösen, anstatt deren Auftreten zu verhindern

Die Geschichte des Verbots der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus der Ukraine in drei europäische Länder - Polen, Slowakei und Ungarn - hat mehrere Komponenten. Bei der Analyse der Ereignisse diskutiert man meist wirtschaftliche und politische Aspekte. Aber es gibt einen anderen Bestandteil dieses Prozesses. Vielleicht ist die moralische Komponente das Wichtigste in dieser Situation. Die europäischen Länder, die vor einer Anzahl von Problemen stehen, die sich aus der Aufhebung der Beschränkungen für Agrarexporte in der Ukraine ergeben, stehen nun vor der Notwendigkeit die Frage zu beantworten, ob sie bereit sind, Kosten zu tragen, die nicht in Geld, sondern in Mitgefühl und Solidarität gemessen werden.

Wie man Solidarität und Profit verbindet

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union standen vor einer schwierigen Entscheidung – wie man ein Gleichgewicht zwischen dem Wunsch, das Land zu unterstützen, und den Menschen, die unter der bewaffneten Invasion des Aggressors leiden, finden kann, und gleichzeitig nicht Alleingänger im bevorstehenden Wahlrennen zu sein, wie man der Kritik und Unzufriedenheit der eigenen Bürger standhält, die den großen europäischen Krieg in eigener Geldtasche zu spüren begannen. Die Haltung der Ukraine ist klar und einfach, wir befinden uns im Krieg, wir brauchen Hilfe und hoffen auf Verständnis und Solidarität. Die Position vieler Einwohner europäischer Länder, die unter dem Schirm der NATO sind, und die sich „müde von der Ukraine“ zu fühlen begannen, ist auch klar - ihre Häuser werden nicht mit Raketen abgefeuert, ihre Familien müssen ernährt, ihre Kinder müssen unterrichtet werden. Und Preiserhöhung  und Markteinführung preiswerter ukrainischer Erzeugnisse wirken sich direkt auf ihr Wohlbefinden aus.

Die Lösung für die gegenwärtige Situation wird gefunden werden, weil die gesamteuropäische öffentliche Meinung gegenüber der Ukraine und den Ukrainern positiv ist. Man hört nicht auf, die Ukraine mit Geld und Waffen zu unterstützen. Millionen ukrainische Flüchtlinge haben auf dem gesamten europäischen Kontinent Zuflucht gefunden. Gleichzeitig müssen die ukrainischen Behörden vorausschauend  handeln und im Voraus über die Folgen unseres Zusammenwirkens mit den EU-Ländern, auch im Handels- und Wirtschaftsbereich, nachdenken. Das Problem der billigeren ukrainischen Erzeugnisse entstand nicht gestern und nicht vor einer Woche. Nachdem die EU die Ausfuhrquoten abgeschafft hatte und die Nachbarländer den freien Transit durch ihr Hoheitsgebiet genehmigte, war klar, dass es einmal eine Frage über ukrainisches Dumping auf Agrarmärkten geben wird.

Es war im Voraus zu prüfen, dass, wenn ganz natürlicher Einspruch der europäischen Lebensmittelhersteller nicht ausgeschlossen wird, soll er zumindest minimiert werden. Schließlich wird ein Landwirt, der Kunden verliert oder gezwungen ist, seine Produkte zu niedrigen Preisen zu verkaufen, da billigere Produkte auf dem Markt auftreten, vor allem ukrainische Lieferanten, die Dumping betreiben, für Wettbewerber halten. Und erst dann wird die Situation berücksichtigt, in der sich die Ukraine befindet.

Unser Land ist einer der weltweit größten Produzenten von verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Es ist nicht nur Getreide, sondern auch verschiedene Fleischsorten, Milchprodukte, Pflanzenöl, Honig, Nüssen usw.

Nachdem Russland einen Angriffskrieg begann, reibungslose Exporte auf dem Seeweg unmöglich machte, indem es ukrainische Häfen im Schwarzen und im Asowschen Meer blockierte oder besetzte, waren die ukrainischen Exportiere gezwungen, nach neuen Logistikwegen zu suchen. Lieferungen im Rahmen des Getreideabkommens werden seitens Russlands mit allen Mitteln gebremst. Schiffe mit ukrainischen Erzeugnissen an Bord werden im Laufe einiger Tage kontrolliert. Russland, einen Teil des ukrainischen Territoriums erobert zu haben, eignete sich eine beträchtliche Menge an ukrainischem Getreide, Pflanzenöl usw. Die Blockade der ukrainischen Häfen, mit der anschließenden Zustimmung zu dem „Getreideabkommen“ unter der Soße der Lösung des Problems der möglichen Hungersnot in Afrika und Asien, ermöglichte Russland, das den Ukrainer*innen gestohlene Getreide zu realisieren.

Der Güterverkehr auf der Schiene und auf der Straße zu europäischen Häfen ist mit Erhöhung der Logistikkosten verbunden und dauert viel länger, erfordert mehrere Umladungen. Natürlich versuchen Lieferanten, ihre Produkte so schnell wie möglich und näher am Herstellungsort zu verkaufen, zum Beispiel in Polen. Die Folge war die Unzufriedenheit der polnischen Landwirte, Missverständnis zwischen den Regierungen unserer Länder und die Notwendigkeit, das Problem nicht auf der Ebene der technischen Konsultationen, sondern im Verhandlungsmodus zu lösen. Alle bisherigen und derzeitigen Behörden in der Ukraine sind es leider daran gewöhnt, Probleme nur in Echtzeit zu lösen, wenn sich diese Probleme häufen und eskalieren. Dies ist keine Frage der Persönlichkeiten, sondern eine Frage des Funktionierens des Staatsapparates. Der Mechanismus zur Feststellung und Vorhersage möglicher künftiger Herausforderungen und Komplikationen ist nicht geschaffen worden.

Freundschaft vor dem Konflikt, den es nicht geben könnte

Wenn man sich die Statistiken ansieht, stellt es sich heraus, dass nur 26 Prozent der ukrainischen Getreideexporte auf Europa entfallen, auf Polen - etwa sieben Prozent. Im Allgemeinen machten die nach Polen exportierten ukrainischen Landwirtschaftserzeugnisse rund zehn Prozent des Gesamtvolumens aus.

Im vergangenen Jahr beliefen sich die Exporte in die Länder der Europäischen Union auf etwa die Hälfte der Ausfuhr von allen ukrainischen landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Osteuropas Bauern sagten, dass der Anstieg der ukrainischen Exporte die Preise auf den Inlandsmärkten senke. Bereits im Januar hatte eine Gruppe von sechs osteuropäischen Ländern die EU-Organe aufgefordert, Probleme hinsichtlich eines starken Anstiegs der ukrainischen Exporte zu lösen. Zum Beispiel stiegen ukrainische Maislieferungen an polnische Märkte um 1.000 Prozent, die gleiche Situation hat sich in Ungarn und Bulgarien entwickelt. Die Zunahme des Exports steht direkt mit der russischen Blockade der ukrainischen Häfen und der Errichtung neuer Logistikkorridore auf dem Landweg im Zusammenhang.

Beim Treffen der EU-Agrarminister im Januar baten Vertreter interessierter Länder, eine Lösung für dieses Problem zu finden und die Verluste der eigenen Landwirte wegen niedrigerer Preise auszugleichen. Die EU hat Entschädigungszahlungen für mehrere Länder beschlossen.  Aber die Höhe der Entschädigungen war nach Ansicht von Regierungen und Herstellern gering, um mögliche Verluste abzudecken.

Ende März kündigte der für Landwirtschaft zuständige EU-Kommissar Janusz Wojciechowski an, dass die EU 56 Millionen Euro für Rumänien, Polen und Bulgarien bereitstelle. Die Slowakei und Ungarn hatten auch entsprechende Anträge gestellt, diese sind aber abgelehnt worden. Den landwirtschaftlichen Gemeinschaften zufolge werden die Landwirte für ihre tatsächlichen Verluste angesichts der Formel und der Methode zur Berechnung der Entschädigungen dennoch nicht entsprechend entschädigt.

Indem Regierungen der Länder, an die ukrainische Agrarexporte stark zugenommen hatten, Verständnis für ukrainische Probleme haben und verstehen, dass die Aggression Russlands gegen die Ukraine primales Problem sei, sind die landwirtschaftlichen Erzeugerinnen und Erzeugern, auch wenn sie auf die Solidarität mit der Ukraine nicht verzichten, nicht bereit, Verlust durch niedrigere Preise und den Wettbewerbsvorteil angesichts billigeren ukrainischen Getreides zu tragen. Preis ist wichtig und polnische Unternehmen, anstatt wieder nach Ägypten zu exportieren, begannen, ukrainisches Getreide zu kaufen in ihren eigenen Unternehmen zu verarbeiten. Zuvor war Polen unter Berücksichtigung der Exportprobleme der Ukraine einverstanden, ein wichtigster europäischer Hub für Transport ukrainischen Getreides in afrikanische Länder über seine Häfen und für den Transit nach Klaipėda zu werden. Auch Rumänien stellt einen erheblichen Teil der ukrainischen Getreideexporte sicher.

Am 13. April verbot die slowakische Regierung die Verarbeitung und den Verkauf von Getreide aus der Ukraine, nachdem darin Pestizide gefunden wurden. Am 16. April wurde bekannt, dass Polen und Ungarn zum Schutz ihrer eigenen Erzeuger die Einfuhr von ukrainischem Getreide vorübergehend ausgesetzt hatten. Am nächsten Tag hatte auch die Slowakei den Export eingestellt.

Die Europäische Kommission teilte mit, sie werde zusätzliche Möglichkeiten prüfen, um Agrarbusiness in Transitländern zu unterstützen. Das ukrainische Ministerium für Agrarpolitik reagierte auf die Situation, indem es erklärte, dass der Beschluss der polnischen Regierung zu früher erreichten Vereinbarungen im Widerspruch stehe. Darüber hinaus rief es Parteien zu Verhandlungen auf, um die Situation zu lösen. Das ukrainische Agrarministerium betonte, es habe Verständnis für Probleme der polnischen Landwirte. Gleichzeitig machte es deutlich, dass die „Lage der Landwirte in der Ukraine am schwierigsten sei. Eben auf dem Territorium der Ukraine herrsche Krieg, eben ukrainische Landwirte tragen enorme Schäden und eben ukrainische Landwirte sterben auf ihren Feldern durch russische Minen“.

Vizepremierministerin Julia Swyrydenko und Minister für Agrarpolitik und Ernährung, Mykola Solskyj, nahmen an den Verhandlungen in Polen teil. Der polnische Minister für Entwicklung und Technologie Waldemar Buda kündigte an, der Transit ukrainischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse werde am 21. April um Mitternacht wieder aufgenommen. Polens Agrarminister Robert Telus bekräftigte, dass Mechanismen vereinbart wurden, um den Transit von ukrainischem Getreide sicherzustellen, "dass nicht eine Tonne Getreide in Polen verbleibe“. Die ukrainischen Getreideexporte sollen demzufolge künftig per GPS verfolgt werden können.

Der Konflikt wird also vor unseren Augen in einer zivilisierten Weise, die für alle Parteien akzeptabel ist, geregelt. Zweifellos wird man auch mit der Slowakei und hoffentlich mit Ungarn gut auskommen, sowie mit jenen Ländern, die keine Beschränkungen für ukrainische Exporte anwenden. Aber sie deuteten klar auf die dringende Notwendigkeit an, sowohl Transitmengen als auch Preise für unsere landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf ihren Inlandsmärkten zu begleichen. Die europäischen Staaten hatten viel für die Ukraine getan und tun weiter. Sie helfen uns, nicht nur auf dem Schlachtfeld auszuharren, sondern auch die Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Auch wir müssen auf ihre Bedürfnisse achten, denn nach dem Sieg wird es notwendig sein, sich an gesamteuropäische Regeln anzupassen und gemeinsame Interessen zu vereinbaren. Es ist schon jetzt ratsam, die Notwendigkeit zu erkennen, diese Arten von Wechselwirkung zu entwickeln, die zumindest die mittelfristige Perspektive und die Folgen von Entscheidungen und Maßnahmen berücksichtigen werden. Um nicht immer wieder eine Lösung des Konflikts zu suchen, den es nicht geben könnte.

Dmytro Redko, Kyjiw

PS: Publikation vom 21. April 2023 (Red.)


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