Minsk-Peking-Berlin-Manöver des Kremls: Diplomatie, Armee, Sport

Minsk-Peking-Berlin-Manöver des Kremls: Diplomatie, Armee, Sport

Ukrinform Nachrichten
Leaks, Verdrehung und Fallen der russischen Propaganda und Diplomatie

Ein Monat ist nun seit Beginn der energiegeladenen Verhandlungen zwischen dem Westen und Russland vergangen. Überhebliche Forderungen nach „Sicherheitsgarantien“ verstärkt der Kreml durch Konzentration seiner Streitkräfte in der Nähe der ukrainischen Grenze. Diplomatischer Frontalangriff ist aber gescheitert. Eine abgestimmte Antwort der demokratischen Länder erwies sich als hart und eindeutig genug.

Deshalb haben wir diese Woche Änderung der Agenda, die Moskau vorgelegt hat, und dessen PR-Propaganda gesehen. Und dann haben sich verschiedene russische Spiele und Manöver eng miteinander verwickelt – diplomatische, militärische uns olympische.

DIPLOMATIE DES KREMLS ALS ANTWORT AUF DIE ANTWORT

Nach den Gesprächen zwischen Macron und Putin in Moskau wurden ausführlich die Initiativen des französischen Präsidenten und Nekrophilie-Tschastuschki (kurzes russisches Volksgedicht – Red.) des russischen diskutiert. Gleichzeitig blieb ein wichtigeres Detail, das in das diplomatische Design der Vorwochen logisch eingebettet wurde, wenig bemerkt.

Dies sagte Präsident der Russischen Föderation auf der Pressekonferenz nach den Verhandlungen: "Wir werden jetzt eine Antwort auf das Papier vorbereiten, das wir aus Brüssel und Washington erhalten haben. Im Allgemeinen habe ich Herrn Präsident (Macron – Red.) darüber informiert. Wir schicken (russisches „Papier“ - Red.) nach Washington und Brüssel. Dort (in der Antwort der USA und der NATO an Russland - Red.) gibt wirklich Dinge, die diskutiert werden können. Sie sind zwar nebensächlich, aber dennoch.

Als nächstes führte Putin das obligatorische Programm des Kreml-„Eiskunstlaufs“ durch, indem er erklärte, dass Russland weiterhin Antworte auf die „wichtigsten“ Fragen zu den „Sicherheitsgarantien“ durchsetzen werde: Nichterweiterung der NATO, keine Angriffssysteme in der Nähe der Grenzen zu der Russischen Föderation zu stationieren, eine Rückführung der militärischen Infrastruktur des Bündnisses auf den Stand von 1997. Anschließend sprach er wieder das Thema der laufenden Verhandlungen zwischen Russland und dem Westen an. Und er beendete seine Rede unbestimmt-optimistisch: „Ich glaube nicht, dass der Dialog zu diesem Thema damit abgeschlossen ist“.

Und wo bleibt denn Putins Aufreißen seines Leningrader Matrosenhemdes – seine Aufforderung eine Antwort zu geben a) dringend b) positiv?  Es ist nützlich, sich auch an die Worte von Lawrow zu erinnern - vor zwei Wochen teilte er scharf die Antworten, die Moskau von der NATO und den USA erhalten hatte. Die erste nannte er so „ideologisiert“, dass er sich sogar „ein wenig für diejenigen schäme, die diese Texte geschrieben hätten“. Putin betrachtet doch diese Antworten, ohne sie zu teilen, in einem Paket. Und dabei lobt er sie - beide! - nicht ohne leichte Kritik, „aber trotzdem“.

Die russischen Medien haben natürlich diese Worte ihres ungekrönten Monarchen an die Menschen gebracht. Aber machten sie sie nicht besonders publik. Keine Wunder, da Putin dabei nicht als ein Alpha-Mann, sondern als ein bescheidener Unterbuchhalter einer Wohnungsbehörde aussah. Und Propagandisten zögerten, Putin über schädliche Auswirkungen dieser Worte auf sein Image mitzuteilen. Ein paar Tage später wiederholte Putin bei der Stegreif-Pressekonferenz nach dem Treffen mit dem kasachischen Präsidenten wörtlich dieselben Aussagen.  

In einem Interview mit dem Fernsehsender „Doshd“ antwortete die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, mit innewohnender Direktheit auf die Frage, wenn diese russischen Antworten erscheinen: „Ich habe kein konkretes Datum... Kann ich auf das vorherige Thema zurückkommen? ...“.

Es ergibt sich eine „schlechte“ Unendlichkeit. Und die Partei, die sich das eingebrockt und „schnell-schnell-schnell“ geschrien hat, sieht dumm aus.

KGB-SCHULE: EIN STARKER GEGNER MUSS DISKREDITIERT WERDEN

Schließlich fand ein Besuch der britischen Außenministerin Liz Truss in Russland statt. Angesichts aller letzten offiziellen Shuttle-Besuche in Moskau sah er vielleicht am meisten beeindruckend. Nicht umsonst gab Lawrow die dunkelste Definition ihrer Kommunikation -  das „Gespräch eines Stummen, der zu einem Gehörlosen spricht“. Und das ist ein Indikator dafür, wie klar, wenn auch diplomatisch korrekt. Truss in puncto Russland alle Unanständigkeit seines Verhaltens gegenüber der Ukraine gezeigt hat.

Und ihre Haltung im Geiste der „Eisernen Lady“ war von Anfang an zu verzeichnen. Zu Beginn der Verhandlungen mit der russischen Seite erklärte Truss, dass dabei  „Fortschritte zur Stärkung der Sicherheit für alle“ erzielt werden können, wenn Moskau die territoriale Integrität und die Souveränität der Ukraine respektiere, „wie es Russland im Budapester Memorandum von 1994 freiwillig unterschrieben habe“.

Genaue und richtige Position! Wenn der Kreml alles tut, um sich „ins Spiel zu vertiefen“. Großbritannien bringt dieses Thema auf den Punkt und reibt dem Kreml das in die Nase. Dem Kreml bleibt nichts übrig, als schlaff und nicht überzeugend zu rechtfertigen, dass Russland durch den Beginn der Aggression gegen die Ukraine und die Aneignung eines Teils ihres Territoriums das Budapester Memorandum nicht verletzt habe. Und das ist ein guter Bezugspunkt für den Beginn eines Gesprächs mit Moskau.

Laut Truss sagte ihr Lawrow, dass „Russland keine Pläne habe, in die Ukraine einzudringen“. Die britische Ministerin betonte, wenn dies der Fall sei, müssten diese Worte „durch wirkliche Handlungen verstärkt werden“. „Wir möchten, dass das Kriegsgerät sowie militärisches Personal, die an der Grenze zur Ukraine stationiert sind, irgendwo verlegt werden, weil im Moment die Konfiguration der Streitkräfte eine echte Bedrohung darstelle“.

Die russische Seite bemüht sich allerdings nach wie vor um eine alternative Realität. Bezeichnenderweise ist es, wie sich eine Journalistin des TV-Senders Rossija-24 empörte, dass im Westen „Ideen und Vorschläge“, die Macron zusätzlich noch hat, diskutiert werden und Putins geniales Zitat „Ob es gefällt oder nicht - halt es aus, meine Schöne" praktisch ignoriert werde. Ein ähnliches Niveau der Analyse war nach dem Treffen von Lawrow mit Truss zu verzeichnen - die russischen Medien diskutierten am meisten nicht über die prinzipielle Position von London, sondern über den geografischen Vorbehalt von Frau Ministerin in Bezug auf Regionen Woronesh und Rostow.

Und das ist im Wesentlichen ein weiteres „Durchbrechen des Bodens“ durch die russische Diplomatie. Ende letzten Jahres war sie bereits durch eine unanständige Veröffentlichung der aktuellen geschäftlichen Korrespondenz innerhalb des Normandie-Formats“ gekennzeichnet. Jetzt macht sie öffentlich bekannt, bauscht den Vorbehalt während der Verhandlungen aus. Was wird als nächstes passieren? Gibt es „rote Linien“ für die russische Diplomatie und die Propaganda, was jetzt meistens untrennbar ist?

WIR ERINNERN UNS AN FALLEN DES „MEMORANDUMS VON KOSAK“

Eine weitere nützliche Beobachtung: um die Aufmerksamkeit vom Scheitern des russischen diplomatischen Blitzkriegs abzulenken, beschäftigt sich Rosprop (russische Propaganda – Red.) immer mehr  mit zwei Themen: Leaks, Insiderinformationen, direkte Aussagen von Amtspersonen. Erstens, dass der Westen Druck auf Kyjiw aktiv mache, von ihm verlangt zu haben, das Abkommen Minsk II in der russischen Auslegung umzusetzen. Zweitens, dass der Westen der Ukraine und der ukrainischen Wirtschaft gezielt schadet, „indem er die Militärhysterie schüre“, während Moskau nichts Böses wolle. Verständliche und logische antiwestliche Messages, die sowohl für den Verkauf auf dem russischen Informationsmarkt als auch auf dem ukrainischen gut sind.

Das Aggressor-Land fühlt sich in der Regel zuversichtlich, Gesprächspartner und Gegner bei Vorbehalten, Widersprüchen, realen oder hyperbolisierten sowie konstruierten, niederzuschlagen. Und in diesem Sinne sehen die aufeinanderfolgenden Briefings der ukrainischen und russischen politischen Berater der Staats- und Regierungschefs des Normandie- Formats insgesamt beunruhigend aus. Andrij Jermak (Berater der ukrainischen Präsidenten – Red.) äußerte sich ruhig und optimistisch. Seine Worte sollten die Zuversicht wecken, dass alles gut sei, die Situation sei unter Kontrolle. Aber danach hören wir beim Briefing mürrisch durchsetzungsfähige Aussagen von Dmitrij Kosak (Berater des russischen Präsidenten – Red.). Es entsteht ein Gefühl, dass die russische Seite pragmatisch und geschäftsfähig gefährliche diplomatische Fallen baut.

Diplomatisch lang spricht Jermak: "Ich kann kein bestimmtes Datum mitteilen. Wir, politische Berater, werden uns bestimmt sehr bald treffen. Wir werden diesen Prozess nicht stoppen. Wir haben noch nicht bestimmt, wo, aber dieser Prozess wird bestimmt stattfinden, wir werden weiter auf jeden Fall sprechen". Er erklärt weiter, dass es Meinungsverschiedenheiten und Positionen gibt, die vereinbart werden sollten. Er bekräftigt jedoch, dass es auch den „Willen gebe, fortzusetzen und sich zu verständigen“: „Der Prozess läuft, alle sind interessiert - sowohl die ukrainische Delegation als auch unsere Partner aus Deutschland und Frankreich. Und die Vertreter Russlands sprechen auch darüber, dass es wirklich vorbereitet werden muss und dass es möglich sein muss, dass ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs zustandekommt“.

Nun Kosaks Erläuterung. Auf die Frage, ob es eine Einigung gebe, wenn das nächste Treffen der Normandie-Berater stattfinde, antwortet er: «Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verhandlungen in der (Trilateralen – Red.) Kontaktgruppe». Weiter erklärt Kosak, dass die Ukraine beginnen müsse, ein gewisses "Gentlemen's Agreement, mündliche Vereinbarung darüber erfüllen, damit politische Bedingungen in der Kontaktgruppe zu diskutieren beginnen». Was das Treffen der Staats- und Regierungschefs des Normandie-Formats betrifft, so wagte Kosak zufolge niemand angesichts des derzeitigen Niveaus des gegenseitigen Verständnisses und der aktuellen Situation, diese Frage nicht einmal anzusprechen. Es gebe keinen Gegenstand, der auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs des Normandie-Formats diskutiert werden könne".

Beunruhigend sind nicht die Erklärungen der ukrainischen und russischen Vertreter, die einander direkt widersprechen. Das ist selbstverständlich, wenn es um ein Aggressor-Land und einen Staat geht, der sich gegen die Aggression wehrt. Beunruhigend ist, dass die anzukündenden Positionen auch in rein geschäftlichen, technologischen Fragen entgegengesetzt sind: „was sind die Bedingungen und Voraussetzungen für das nächste Treffen der Berater“, „wie real ist das Treffen der Staats- und Regierungschefs der Normandie-Länder“. Ich wiederhole, Vertreter der russischen Seite, die massenhaft über eine spezifische KGB (der sowjetische In- und Auslandsgeheimdienst – Red.)- Strammheit und Ausbildung verfügen („Verhörtechnik“), sehr geschickt wissen, den Opponenten in Widersprüchen zu fangen, um ihn weiter vor anderen Kommunikationspartnern zu diskreditieren.

Man kann daran erinnern, wie es Kosak 2003 fast gelungen war, den moldauischen Präsidenten Wladimir Woronin mit der „Transnistrien-Regelung“ in die Falle zu treiben. „Memorandum von Kosak“, dem Woronin bereits praktisch zugestimmt hatte, wurde buchstäblich im letzten Moment vor der Unterzeichnung abgelehnt.

Dmitrij Kosak ist ein sehr erfahrener und gefährlicher Unterhändler.

MILITÄRMANÖVER UND OLYMPISCHE SPIELE

Wichtiges Detail: Russische Medien berichten über russisch-weißrussische Übungen in Weißrussland. Berichtet wurde über eine Reihe von Übungen der russischen Marine in verschiedenen Meeren-Ozeanen, vor allem aber im Asow-Schwarzmeer-Becken. Und umgekehrt wurde zum Beispiel in weiteren Erläuterungen bezüglich der Ankunft einer Gruppe von sechs russischen großen Landungsschiffen im Schwarzen Meer als über Übungen des Unionsstaates Weißrusslands und der Russischen Föderation „Verbündete Entschiedenheit 2022“ mitgeteilt.

So zeigte sich offenbar die besondere Funktion dieses großen Manövers beider Länder als „Duplett“. Vor dem Hintergrund einer maskierten, aber bei näherer Betrachtung immer noch offensichtlichen diplomatischen Demütigung Moskaus ist es bezeichnend, Härte und Stärke zu demonstrieren.

Natürlich müssen die Termine der Übungen nicht übersehen werden: Heeresmanöver „Weißrussisch“, - 10.- 20. Februar. Und Manöver im Asow-Schwarzmeer-Raum mit Sperrung der Handelsschifffahrt – 13.- 19. Februar. In beiden Fällen ist die Zeiterfassung an die Winterolympiade in Peking offensichtlich, die am 20. Februar endet. In einem Umfeld, in dem entweder ein Partner oder ein Verbündeter oder ein Souverän ein Super-Ereignis durchführt, das Moskau per Definition nicht verderben kann, werden zwei Ausbildungs-Quasi-Kriege ausgetragen...

Hier am Platz ist die Haltung von Rosprop während der Olympischen Sommerspiele 2020, die wegen des Coronavirus um ein Jahr verschoben wurden. Japan und China scheinen enge Länder und Kulturen zu sein. Aber das ist, wenn man die Politik, deren Staatsordnung und ihre Verbündeten nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund erwies sich der Ansatz der russischen Propaganda als genau das Gegenteil. Geprägt wurden Sexismus und Homophobie, einige völlig verbotene Momente. Die ekelhaftesten Beispiele waren wie üblich in propagandistischen „Talkshows“ vor allem im Fernsehsender Rossija 1 zu verzeichnen. Es ist bezeichnend, dass sich die russische Seite wegen einzelner Anlässe sogar entschuldigen musste.

Während der Olympischen Spiele in Peking sieht alles ganz anders aus. Der Triumph des Positiven! Das Negative erscheint auch bei der technischen Analyse von Skandalen, komplizierten richterlichen Entscheidungen, die im großen Sport unvermeidlich sind. Und der ganze Schmutz von Rosprop geht an den bereits üblichen Adressaten: die Ukraine und den Westen...

Und nun zurück zum Bündel „militärische Übungen - Olympische Spiele“ und der Abstimmung deren Termine. Unter anderem verstärkt dies die beunruhigenden Erwartungen (der Invasion) nach dem Prinzip der „verzögerten Nachfrage“ für eine Woche,  die am 21. Februar beginnt, und weiter für alle folgenden Tage. Die Intrige verschärft sich und der Fokus liegt auf der militaristischen Kraft der Russischen Föderation. Das heißt, russische Diplomatie & Propaganda erhalten die bequemsten Arbeitsbedingungen. Und das ist fast das Wichtigste für Moskau. Aber auch militärische Handlungen, das „letzte Argument der Könige“, bleibt – mag sein - nicht die wahrscheinlichste, aber eine immer noch mögliche Variante.

Unter diesen Bedingungen muss die Ukraine leben, arbeiten und sich entwickeln. Und das wird lange dauern.

Oleh Kudrin, Riga

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