Saluschnyj: Ich brauche Leute, Munition, Waffen, um weiter kämpfen zu können
Am 26. Dezember hielt der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, Walerij Saluschnyj, die erste seit Beginn der groß angelegten Invasion 30-minütige Pressekonferenz ab. Saluschnyj fasste die Ergebnisse des zweiten Jahres des Kriegs zusammen, berichtete über die Verluste Russlands, gab eine Prognose für das nächste Jahr und kommentierte den von der Regierung in der Werchowna Rada eingebrachten Gesetzesentwurf über neue Mobilisierungsregeln.
Ukrinform fasste die wichtigsten Punkte der Pressekonferenz des Oberbefehlshabers der Streitkräfte der Ukraine zusammen.
Über Mobilisierung
Walerij Saluschnyj erklärte, dass gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium darauf geeinigt wurde, dass der neue Gesetzentwurf über die Mobilmachung einen Militärdienst von 36 Monaten nach der Einberufung vorsehen wird.
„Ich verstehe ganz klar und weiß, dass unsere Soldaten jetzt unter extrem schwierigen und sehr schwierigen Bedingungen an der Front sind und ihre Arbeit machen, dank derer wir uns jetzt hier ruhig mit Ihnen unterhalten können. Es ist sehr, sehr schwierig für sie. Und ich möchte, dass Menschen, die zur Armee gehen, klar verstehen, wie lange sie kämpfen müssen. Gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium einigten wir uns auf einen Zeitraum von 36 Monaten und hofften auf zwei Momente: erstens, dass es an der Front keine Zuspitzung geben wird; Das zweite ist, dass diese Leute nach 36 Monaten ersetzt werden können.“
„36 Monate sind unter den Bedingungen, in denen wir uns befinden, keine realistische Zahl. Aber es bleibt uns darauf zu hoffen, dass die Intensität der Kampfhandlungen nicht höher wird und wir diese Menschen nach 36 Monaten werden ersetzen können... 36 Monate werden genug Zeit sein, um die Menschenressource auf den Ersatz vorzubereiten“, fügte Saluschnyj hinzu.
Er merkte auch an, dass die Regierung, die das entsprechende Gesetz umsetzt, versteht, welche Möglichkeiten es im Land gibt. Der Oberbefehlshaber geht davon aus, dass es bis 2025 genügend Zeit geben wird, um diejenigen auszubilden, die jetzt mobilisiert werden.
Über die Menge der Menschen, die mobilisiert werden müssen
„Ich würde es nicht öffentlich solche Zahlen (500.000 – Red.) diskutieren lassen. Das Einzige, was ich bestätigen möchte, ist, dass diese Zahl auch unter Berücksichtigung der Aufgaben gebildet wird, die im nächsten Jahr erfüllt werden. Das bedeutet nicht, dass diese Zahl morgen festgelegt wird, es wird eine gewisse Zeit dauern.“
Das Militärkommando formuliert auf ständiger Grundlage seine Anträge auf Munition, Waffen und Personal, hat jedoch keinen Antrag auf eine bestimmte Anzahl von Mobilisierten gestellt.
Der Generalstab arbeitet im Rahmen seiner Befugnisse. „Was diese Zahl betrifft, wir haben diese Zahl festgelegt, wir haben sie auch für das nächste Jahr entsprechend festgelegt. Sie berücksichtigt die Deckung des aktuellen Auffüllens, das entstand, die Bildung neuer Militäreinheiten sowie die Prognose unserer Verluste, die wir im Laufe des nächsten Jahres erleiden können“, betonte er.
Saluschnyj merkte an: „Ich kann die Zahl, die sich auf den einen oder anderen Teil dieser Werte bezieht, nicht bekanntgeben, es ist ein Militärgeheimnis.“
Über Personen mit eingeschränkter Wehrtauglichkeit
General Saluschnyj ist der Ansicht, dass der Begriff: die wehrtaugliche Person und die nicht wehrtaugliche Person in der Gesetzgebung belassen werden sollte.
Er betonte, dass er die Menschen im zivilen Umfeld respektiert und daran interessiert ist, dass diejenigen, die in die Streitkräfte eintreten, ihre Aufgaben erfüllen können. „Für die Streitkräfte der Ukraine, für mich persönlich ist das Wichtigste, dass Menschen in die Armee eintreten und ihre Aufgaben erfüllen können. Wer welche Nachfrist haben oder nicht haben wird, wer vom Staat einberufen wird, liegt heute, glaube ich, nicht in meiner Kompetenz. Dafür gibt es zentrale Organe der ausführenden Gewalt, die dies bestimmen können. Ich brauche Menschen, ich brauche Munition, ich brauche Waffen, um weiter zu kämpfen.“
Über Ausbildung des Personals
Walerij Saluschnyj erklärte, dass die Ukraine zum heutigen Stand die Möglichkeiten hat, bis zu 10 Brigaden an Truppenübungsplätzen auszubilden. Seiner Überzeugung nach müssen die Soldaten, die in Zukunft die Kampfaufgaben erfüllen müssen, vorbereitet sein.
„Dass ein Mensch völlig unvorbereitet an die Front kommt, darf nicht sein. Wir nutzen (bei der Ausbildung – Red.) sowohl unsere Möglichkeiten als auch die Möglichkeiten unserer Partner. Sie schenken diesem große Aufmerksamkeit. Das heißt, unsere Möglichkeiten darin sind unbegrenzt. Heute können wir auf den Übungsgeländen bis zu 10 Brigaden Personal ausbilden. Und natürlich nutzen wir diese Möglichkeit.“
Über Grundwehrdienstleistende
Auf eine Frage zu Wehrpflichtigen antwortete der Oberbefehlshaber, dass diese derzeit aus dem Militärdienst entlassen werden.
„Bis vor kurzem, im Sommer, waren wir nicht bereit, Wehrpflichtige zu entlassen. Doch irgendwann am Ende des Sommers wandten wir uns an das Verteidigungsministerium mit dem Vorschlag, Wehrpflichtige aus dem Militärdienst zu entlassen. Mit Stand von heute werden sie nicht benötigt. Und unsere klare Position ist, sie zu entlassen.“
Über elektronische Einberufungsbefehle
Walerij Saluschnyj ist mit jeder Mobilisierungsmethode zufrieden, die der Armee das Auffüllen verschafft. Nach Angaben des Oberbefehlshabers wurde der Vorschlag über elektronische Einberufungsbefehle nicht vom Generalstab oder den Streitkräften eingebracht, die nicht einmal die Gelegenheit haben, „die Möglichkeit einer Lösung (dieser Frage – Red.) auf solche Weise einzuschätzen.“
„Wir sind mit jeder Möglichkeit zufrieden, unseren Bedarf an Menschen zu decken. Wenn wir sie durch elektronische Einberufungsbefehle bekommen, wäre das sehr gut. Wenn es anders gemacht wird, ist das auch sehr gut. Aber ich möchte noch einmal sagen, dass die Streitkräfte der Ukraine und der Generalstab direkt ... in diesen Angelegenheiten eher die Rolle von Verbrauchern spielen.“
Über den Krieg im Jahr 2024
Der Oberbefehlshaber der Streitkräfte sagt, dass sich das nächste Jahr angesichts der Änderung der Technologien in der Kriegsführung von 2023 unterscheiden wird.
„Das Jahr 2024 wird sich nicht einfach unterscheiden, es muss sich unterscheiden, sonst erwartet uns das, worüber ich in dem Artikel geschrieben habe. Dementsprechend haben wir diese Probleme gefunden und wir haben bereits etwa 90 Prozent der Lösungen für diese Probleme gefunden, die unbedingt gelöst werden müssen, um im nächsten Jahr effektiver zu handeln und das Wichtigste, Menschen zu bewahren. Daran arbeiten wir. Unsere Partner, die sich ebenfalls für dieses Thema interessierten, stimmten uns voll und ganz zu. Ich kann Ihnen also versichern, dass sich das nächste Jahr unterscheiden wird ... Zumindest tun wir alles dafür.“
Der Oberbefehlshaber sagte, dass er feststellen müsse: Der Feind ist nicht weit hinter den Streitkräften. In den letzten Tagen dauert eine ziemlich heftige Auseinandersetzung mit dem Einsatz verschiedener Technologien an.
Über Marjinka, Awdijiwka, Bachmut
Ukrainische Truppen sind noch im nördlichen Teil von Marjinka, aber diese Stadt existiert nicht mehr.
„Unsere offizielle Position ist, dass wir jedes Stück unseres Landes verteidigen, jedes Stück, aber wenn feindliche Geschosse beginnen, diesen Ort zusammen mit Steinen, mit der Erde und mit unseren Soldaten umzugraben, dann ist uns das Leben unserer Soldaten wichtiger. Marjinka, das fast zwei Jahre durchhielt, ist Straße für Straße und Haus für Haus vom Feind ruiniert worden. Zum heutigen Stand sind unsere Truppen noch im nördlichen Teil der Stadt und haben eine Verteidigungslinie in der Nähe einer Siedlung vorbereitet, aber ich kann sagen, dass diese Siedlung nicht mehr existiert.“
In den Kämpfen um Marjinka wendet der Feind die gleiche Methode wie in Bachmut an: „Straße für Straße, Viertel für Viertel werden vernichtet, unsere Kämpfer werden begraben.“
„Und die Tatsache, dass wir uns jetzt in die Außenbezirke von Marjinka zurückgezogen haben, hat nichts Besonderes, was eine öffentliche Resonanz auslösen könnte. Das ist Krieg. Leider ist es so“, erklärte Saluschnyj.
„Das ukrainische Militär wird Awdijiwka so lange verteidigen, bis Kräfte ausreichen, aber wenn das nicht ausreicht, ist es wichtig, Menschen zu bewahren.“
„Jedes Stück unseres Landes ist wichtig für uns, sei das Bachmut oder Awdijiwka. Wir werden so lange verteidigen, wie wir die Kraft dazu haben. Wenn das nicht ausreicht, ist es besser, Menschen zu bewahren. Natürlich werden wir eine solche Entscheidung treffen und Menschen bewahren, und dann zurückerobern. Es wird alles von der Situation abhängen, und man muss nicht daraus das machen, was aus der Ferne an eine Show erinnert“, betonte der Oberbefehlshaber.
Er forderte dazu auf, sich auf die Kämpfe in Awdijiwka nicht zu versteifen, denn „der Feind hat die Möglichkeit, seine Kräfte, einschließlich Artillerie und Luftwaffe, in die eine oder andere Richtung zu konzentrieren, und er kann es so machen, dass mit der Stadt in 2-3 Monaten das passiert, wie mit Bachmut.
Über Rotationen
Der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, Walerij Saluschnyj, ist gegen die gesetzliche Verankerung der Norm über die Rotation an der Front alle sechs Monate, da hierfür die Zahl der Soldaten mindestens verdoppelt werden muss.
Er stimmt der These zu, dass sich die Menschen erholen sollten, und verlangt von den Kommandeuren an Arbeitsplätzen alles Notwendige, um Rotationen innerhalb von Abteilungen, innerhalb von Militäreinheiten, durchzuführen.
Über Pläne der Russischen Föderation für 2024 und Prognose von Experten
Die Führung der Streitkräfte tut alles, um im kommenden Jahr angemessen auf das Vorgehen der Russischen Föderation zu reagieren.
„Wir sehen, was passieren wird, ich möchte das jetzt nicht bekannt geben… Und wir beobachten genau. Wir verfügen heute über genügend Geheimdienste, die die entsprechende Arbeit leisten. Wir können sogar diese oder andere Daten korrelieren, die von unseren Partnern und unseren Geheimdiensten bereitgestellten Daten vergleichen. Und wir tun alles, um angemessen darauf zu reagieren“, betonte er.
Der Oberbefehlshaber äußerte sich auch zu den Prognosen westlicher Experten zum Vorgehen der Russischen Föderation. „Bei allem Respekt vor dem Expertenumfeld … einige Dinge möchte ich gar nicht erst lesen. Sie begreifen absolut nicht, was passiert. Und es gibt dort einen sehr kleinen Prozentsatz der Experten, denen man wirklich zustimmen kann“, sagte er.
Über die Arbeit der Territorialzentren für Auffüllung und soziale Unterstützung
Walerij Saluschnyj ist derzeit mit der Arbeit der Territorialzentren für Auffüllung und soziale Unterstützung unzufrieden, aber die Aufgabe mit der Mobilisierung von Militärpersonal wird erfüllt.
„Was die Territorialzentren für Auffüllung und soziale Unterstützung betrifft, sagen wir es mal so: Ich bin, ehrlich gesagt, bisher nicht zufrieden mit ihrer Arbeit. Und dementsprechend würden wir, wenn ich zufrieden wäre, die Frage dieses Gesetzesentwurfs (zur Mobilisierung – Red.) nicht diskutieren.“
Über Verluste der russischen Armee
Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte glaubt, dass die russische Aggression nur durch eine ständige Zunahme der Verluste gestoppt werden kann, obwohl die Führung des Aggressor-Staates bisher nicht auf die Zahl der getöteten und verwundeten Eindringlinge der Russischen Föderation im Krieg geachtet hat.
„Heute lässt sich nur schwer vorhersagen, wie viele Verluste noch zugefügt werden müssen, damit das alles aufhört. Ich finde, man muss das ständig tun, gerade zu dem Moment, an dem der Krieg endet, bis der Feind sich weigert, militärische Operationen gegen unser Land durchzuführen.“
General Saluschnyj betonte, dass die Verluste, die der Aggressor im Krieg erleidet hat, jedes Land aufhalten würden, nicht aber Russland.
„Was dort an der Kontaktlinie passiert – Berge von Leichen, niemand versucht, sie wegzunehmen. Es gibt jeden Tag mehr davon. Leider ist dies die Haltung der Russischen Föderation gegenüber ihrem eigenen Volk“, sagte Walerij Saluschnyj.
Ukrinform