Ökopark in der Nähe von Charkiw: Wiederherstellung nach dem Ökozid

Ökopark in der Nähe von Charkiw: Wiederherstellung nach dem Ökozid

Bildreportage
Ukrinform Nachrichten
Russen töteten viele Parkmitarbeiter und Tiere, zerstörten alle Gebäude und Gehege

Der Ökopark Feldman befindet sich hinter der Ringstraße von Charkiw. Von hier sind es 25 Kilometer bis zur russischen Grenze. Das Gebiet, in dem etwa fünftausend Tiere lebten, fiel in den ersten Tagen der groß angelegten Invasion unter russischen Beschuss, in der Nähe gab es Kämpfe.

In diesem Jahr zum ukrainischen Tag des Kindes wurde ein neues Gelände in der Nähe des Hauptgeländes des Ökoparkseingerichtet – das „Alpakatal“. Das riesige „alte“ Gebiet wird jedoch in Ordnung gebracht, und die Tiere werden nach und nach aus dem Evakuierungsgebiet zurückgeholt. Ukrinform-Korrespondenten haben sich angesehen, was die Angreifer mit dem Park angestellt haben und wie er nun wiederaufgebaut wird.

SECHS MENSCHEN UND MEHR ALS 300 TIERE GETÖTET

Das zentrale Gebäude beim Eingang wurde durch russische Grad-Raketen zerstört. Zuvor hatten hier übrigens junge Naturfreunde gearbeitet. Wäre die russische Invasion nicht gewesen, wäre auf dem Dach ein glasüberdachter Wintergarten entstanden – so war der Plan gewesen. Alle anderen Gebäude und Gehege wurden ebenfalls beschädigt. Die Ruinen sind von Unkraut überwuchert, und die von den Pionieren gefundenen Munitionsreste sind am Rand eines Weges aufgehäuft.

Es schmerzt, dies alles zu sehen: Der Naturpark war ein äußerst beliebtes Ausflugsziel für Familien. Bis 2014 kamen oft Russen in Reisebussen oder mit Privatautos hierher. Der Park war sowohl für seine einzigartige Sammlung als auch für seinen Umgang mit den Tieren berühmt. Besonders bemerkenswert: Dank der guten Bedingungen brachten Tapire hier ihren Nachwuchs zur Welt (ein einzigartiges Ereignis in den Zoos des ganzen Landes). 

Als die Bombardierung begann, fiel der Strom und damit auch die Heizung der Anlage aus. Einige Tiere starben an den Folgen der Kälte. Manchmal hatten die Tierpfleger mehrere Stunden Ruhe, um das Futter abzuladen, meistens aber nur 10 bis 15 Minuten. Sie verfütterten so viel wie möglich, da sie nicht wussten, wann sie das nächste Mal in den Ökopark kommen können würden.

Bei dem Versuch, die Tiere zu retten, starben an verschiedenen Tagen sechs Menschen, Parkmitarbeiter und Freiwillige. Unter ihnen war auch ein minderjähriger Junge, der seinen Eltern half.

Zwei erschossene Tierpfleger wurden am 19. April in einem WC-Haus des Parks gefunden. Die Mitarbeiter sind sich sicher, dass sie bereits am 7. März gestorben waren: Die Männer gingen, um die Tiere zu füttern, und kehrten nicht zurück.

„Der Evakuierungsprozess war schmerzhaft und dauerte sehr lange, von Anfang März bis Anfang Mai. Und er lief unterschiedlich ab. Manchmal reibungslos und ohne Beschuss, aber es kam auch vor, dass wir bestimmte Tiere suchten und ihre Leichen fanden. Mehr als 300 große Tiere wurden getötet: Raubtiere, Primaten, Huftiere. Auch Menschen starben unter dem Beschuss“, berichtet der Direktor des regionalen landschaftlichen Anlage „Ökopark Feldman“, Serhij Ostapenko.

Manchmal war der Erfolg des Evakuierungsteams ein echtes Wunder.

„Wir mussten zum Beispiel Babuine mitnehmen, Tiere, vor denen selbst ein Leopard Angst hat. Denn wenn diese Affen in der Gruppe angreifen, können sie ein Raubtier töten. Wie bringt man sie dazu, in einen Käfig zu gehen, um sie zu transportieren? Schließlich handelt es sich um ein Rudel: einen Anführer mit Weibchen und Jungtieren. Und dann begann der Beschuss. Einer der Freiwilligen sagte in vollem Ernst zu den Tieren: „Wenn ihr leben wollt, geht in den Käfig.“ Und sie taten es! Die Tiere haben ihn verstanden“, sagte Ostapenko.

DIE RUSSEN SCHOSSEN AUF KLEINTIERE WIE AUF EINEM SCHIEßSTAND

Ein weiteres Problem war der Abtransport der Großraubtiere. Am 5. April veröffentlichte der Gründer des Ökoparks, der Abgeordnete Oleksandr Feldman, einen Appell auf Facebook. Er sagte, dass wegen des Beschusses fast kein Ort mehr existiere, den die Charkiwer so sehr lieben, und dass der nächste Angriff die Gehege mit Bären, Löwen und Tigern zerstören könne. Er wies darauf hin, dass die Tiere, falls sie überlebten, vor Angst weglaufen und in bewohnten Gebieten auftauchen würden. Wegen der Bedrohung für die Menschen stelle sich die Frage, ob die Tiere eingeschläfert werden müssten. Das ganze Land reagierte, um den Tieren zu helfen.

„Es herrschte große Einigkeit im Interesse der Rettung. Besonders erwähnen möchte ich die Einwohner von Dnipro. Die Fahrer sind echte Draufgänger. Natürlich hatten sie Angst, aber trotzdem sind sie gefahren. Wir sind allen dankbar, die unseren Schützlingen Unterschlupf gewährt haben. Der Ökopark im Dorf Kowaliwka in der Nähe von Poltawa hat die meisten Tiere aufgenommen – fast 90 Prozent. Der Zoo in Charkiw hat Primaten und Löwen aufgenommen. Einige Tiere gingen in die westlichen Regionen“, sagt Ostapenko.

Sascha, ein Bison, der zu Beginn der Invasion erst eineinhalb Monate alt war, hat eine tragische Geschichte. Er blieb als Waise zurück.

„Wir dachten, er würde nicht überleben. Das Bisongehege lag in einem abgelegenen Teil des Parks, ganz in der Nähe des Dorfes Zyrkuny (das bis zum 5. Mai 2022 besetzt war, – Anm. d. Red.), von wo aus die Besatzer uns beschossen. Ein Bisonpaar wurde durch Granatsplitter getötet und ihr Junges durch die Druckwelle verletzt. Die Eltern schirmten es mit ihren Körpern ab: Das Junge lag zwischen ihnen, als es gefunden wurde. Wir waren sehr besorgt. In Kowaliwka wurde es wieder aufgepäppelt und auf die Beine gebracht“, sagt der Direktor.

Mit der Zeit wird sich eine Freundin für Sascha finden, sodass er nicht einsam bleiben wird, versprechen die Ökopark-Mitarbeiter.

Die Invasoren töteten auch ein Drittel der Hunde aus der Zuchtstation, die auch am nächsten an Zyrkuny lag.

„Aufklärungs- und Sabotagetrupps drangen in diesen Teil des Parks ein. Dort tat ein 75-jähriger Angestellter Dienst. Die Russen haben ihn geschlagen, auf die Knie gezwungen und knapp an ihm vorbeigeschossen. Auch die Hunde haben sie misshandelt, sie durften weder gefüttert noch getränkt werden“, erinnert sich Ostapenko.

Die Parkmitarbeiter zeigen Beweise für ein weiteres grausames Verbrechen der Russen: durchsichtige Plexiglasscheiben der Gehege mit Löchern von Handwaffen. Die Russen erschossen ein Murmeltier, Stachelschweine, Marder, Wiesel, Meerschweinchen und Kaninchen. Die Arbeiter konnten die Überreste der Tiere ein paar Monate später begraben.

„Einige von ihnen hatten Einschusslöcher in der Mitte ihrer Stirn. Die Besatzer haben sich amüsiert wie an der Schießbude“, sagt Switlana Wyschnewezka, stellvertretende Leiterin der Tiergesundheitseinheit, mit Tränen in den Augen.

Die Frau hat Verwandte in Moskau. Nach diesem Erlebnis hat sie ihnen gesagt, dass sie sie nie wieder anrufen sollen.

„Sie glauben, was sie im Fernsehen sehen. Sie sagen, wir betrieben hier ein ,Biolabor‘ ... Das kann ich mir nicht anhören. Wir haben unsere Tiere sehr geliebt, wir haben sie verwöhnt, mit ihnen geschmust. Ich bin in das Gehege der Waschbären gegangen, und sie sind alle auf mich raufgeklettert. Ich stand da, behängt mit 23 Waschbären“, erinnert sich Wyschnewezka. 

Der Direktor des Ökoparks erklärt, dass die Gehege mit den Einschussspuren, die an die russische Aggression erinnern, vorläufig nicht entfernt werden sollen.

„Man muss absolut moralisch verkommen sein, ein Mensch ohne Prinzipien, um wehrlose Tiere so zu misshandeln. Das ist Ökozid!“, betont Ostapenko.

DIE ERSTEN RAUBKATZEN, EINE LÖWENFAMILIE, WURDEN ZURÜCKGEBRACHT

Das Gebiet des Ökoparks Feldman wird seit Februar entmint. Es gibt viel zu tun, denn die Fläche des Parks ist etwa 140 Hektar groß. Die Spezialisten fanden einige Stolperdrähte, aber vor allem die Reste von Streumunition, Antipersonen- und Panzerabwehrminen.

Die Verwaltung versichert, dass der größte Teil des Parks bereits sicher ist und nur noch etwa 35 Hektar des schwierigsten Geländes geräumt werden müssen. Man erwartet, dass die Pioniere die Arbeiten noch vor dem ersten Schnee abschließen.

Das erste Gebiet, das geräumt wurde, lag nicht weit vom Hauptgelände entfernt, wo am 1. Juni das Alpakatal mit einem Streichelzoo eröffnet wurde. Hier gibt es Kamele, Kühe, Ziegen, Schafe, Ponys – und eine Gruppe Alpakas eben. Da dieser Bereich von Grund auf neu errichtet wurde, erinnern nur noch Informationstafeln an die Kriegsverluste des Ökoparks. Der Eintritt bleibt unverändert kostenlos.

Die Tiere werden jedoch bereits in das alte, den Besuchern wohlbekannte Gebiet zurückgebracht.

„Als unsere Verteidiger die Russen vertrieben hatten, sind wir sofort gekommen und haben begonnen, den Park in kleinen Schritten wiederherzustellen. Sobald wir ein Gehege fertig repariert haben, bringen wir sofort Tiere dorthin. So sind bereits mehrere Gruppen von Huftieren, wie z. B. Büffel, zu Hause“, sagt Serhij Ostapenko.

Ziegen, insbesondere Anglo-Nubier-Ziegen (die ihre ungewöhnlich langen Schlappohren als Fächer benutzen), und ungarische Steppenkühe machen sich bemerkbar und nähern sich schnell dem Zaun.

Vor anderthalb Wochen wurde eine Löwenfamilie aus dem Zoo von Charkiw hergebracht. Die beiden prachtvollen Tiere wurden während der Evakuierung Eltern von zwei Babys. Der Vater ruht sich aus, die Mutter streckt sich im Nachbargehege unter Pflanzen aus, und die Jungen spielen dazwischen. Die „Kätzchen“ – Bruder und Schwester – sind etwas über einen Monat alt. „Die erwachsenen und die kleinen Raubtiere, die noch benannt werden, haben sich bereits akklimatisiert“, sagt Switlana Wyschnewezka.

VORBEREITUNGEN FÜR DEN TRADITIONELLEN "CHRYSANTHEMENBALL"

Die Parkmitarbeiter stellen fest, dass einige Tiere, die aus den zerstörten Gehegen entkommen waren, manchmal in den Park zurückkehren. Deshalb legen sie Futter für sie aus. Sie haben bereits bemerkt, dass eines der Rehe kommt, frisst und wieder geht. Wie die Tierpfleger vermuten, schauen auch ein paar Waschbären öfter vorbei.

Ab dem 1. Oktober können die Besucher die Tiere auf dem alten Gelände beobachten: Dann beginnt hier das traditionelle Blumenfest, zu dem vor dem Einmarsch der Russen Zehntausende kamen.

„Der diesjährige Chrysanthemenball ist ein Fest der Hoffnung, des Lebens und des Glaubens an unseren Sieg. Wir bereiten uns vor, räumen die Plätze. Aber wie Sie sehen können, gibt es noch viel zu tun. Wir laden alle interessierten Einwohner und Besucher von Charkiw ein, an diesem Wochenende zu kommen und sich an den Aufräumarbeiten zu beteiligen. Sie brauchen nichts mitzubringen, außer dem großen Wunsch, uns bei der Wiederbelebung des Ökoparks zu helfen. Wir werden Handschuhe, Ausrüstung und ein Mittagessen zur Verfügung stellen“, so der Direktor des Ökoparks.

Ihm zufolge wird das Primatenhaus in drei bis vier Monaten wiederaufgebaut sein. Derzeit wird auch das Lemurengehege wieder errichtet. Später sollen auch Jaguare, Pumas und Vögel aus der Evakuierung zurückkehren.

Die Stromversorgung im Park wird nach und nach aufgebaut.

„Wir bereiten uns aktiv auf den Winter vor. Einige Wintergehege werden elektrisch beheizt, andere mit Biomasse-Kesseln. Wir planen, bis zum nächsten Sommer alle Tiere zurückgeholt zu haben. Einige Gehege müssen komplett neu aufgebaut werden“, erklärt Ostapenko.

Es wird auch daran gedacht, im Ökopark die Erinnerung an die Opfer der russischen Aggression – Mitarbeiter, Freiwillige und Tiere – zu bewahren.

„Zwei Denkmäler werden errichtet – zur Erinnerung an die toten Menschen und Tiere, mit den Namen und den Umständen des Todes. Die Tiere starben nicht nur an Schrapnellwunden, sondern auch an Kälte und Stress. Mehrere von ihnen starben noch nach der Evakuierung, weil sie den erlittenen Stress nicht verkraften konnten“, betont der Direktor. Die Denkmäler sollen im späten Frühjahr des nächsten Jahres enthüllt werden.

Julija Bajratschna, Charkiw

Fotos: Wjatscheslaw Madijewskyj


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