Wasserkraftwerk Kachowka wurde von innen gesprengt

Wasserkraftwerk Kachowka wurde von innen gesprengt

Ukrinform Nachrichten
Welche Folgen wurden vor sechs Monaten vorhergesagt?

Ukrinform hat mehrfach über die Situation im Wasserkraftwerk Kachowka als Folge der russischen Besetzung der Region berichtet. Bereits im April 2022 wurde das Kraftwerk vermint.

In der Nacht des 6. Juni sprengten russische Besatzungstruppen das Wasserkraftwerk Kachowka. Nach Angaben von Ukrhydroenergo wurde das Wasserkraftwerk Kachowka durch die Sprengung des Maschinenraums von innen vollständig zerstört und kann nicht wiederhergestellt werden. Seit 9:00 Uhr am 6. Juni sinkt der Wasserstand im Kachowka-Stausee rasch und es wurde mit der Evakuierung aus den potenziellen Überschwemmungsgebieten begonnen.

Am 24. Februar wurden das Wasserkraftwerk Kachowka und das Hauptbauwerk des Nord-Krim-Kanals, dessen Schleusen bis 2014 die Wasserversorgung der Krim durch den Dnipro regulierten, von russischen Truppen erobert, die von der besetzten Krim aus in die Oblast Cherson eindrangen. Bereits im April 2022 verminten die russischen Besatzer den Staudamm und die Anlagen des Wasserkraftwerks Kachowka. Ende Oktober begannen die Russen mit der Sprengung des Wasserkraftwerks Kachowka zu drohen. Ukrinform sammelte Daten über die möglichen Folgen der Sprengung des Wasserkraftwerks, die damals (vom 20.10 bis 30.10) vorausgesagt wurden.

Wo befindet sich das Wasserkraftwerk Kachowka?

Das Wasserkraftwerk Kachowka, das wurde nach P. S. Neporoschnyj genannt, liegt 5 km von der Stadt Nowa Kachowka in der Oblast Cherson entfernt. Das Wasserkraftwerk Kachowka ist eine eigenständige Abteilung von Ukrhydroenergo, dem größten Wasserkraftunternehmen der Ukraine. Der Staat besitzt 100% der Anteile des Unternehmens. Das Wasserkraftwerk wird von strategischen Auto- und Eisenbahnbrücken überquert.

Das Wasserkraftwerk Kachowka gewährleistet die jährliche Regulierung des Dnipro-Flusses für die Stromversorgung, die Bewässerung und die Wasserversorgung der trockenen Regionen der Südukraine sowie die Schifffahrt von Cherson nach Saporischschja. Durch den Bau des Wasserkraftwerks Kachowka wurde der Wasserstand des Flusses Dnipro auf 16 Meter angehoben und der Kachowka-Stausee, der fasst 18,19 km³ Wasser, geschaffen.

Historischer Hintergrund: Die Ukraine erlebte in ihrer Geschichte bereits eine ähnliche Tragödie. Am 18. August 1941 sprengte die Rote Armee auf ihrem Rückzug den Dnipro-Wasserkraftdamm. Damit wollte sie den deutschen Vormarsch aufhalten.

Durch die Sprengung entstand ein mehr als 150 Meter langes Loch im Damm, und eine 30 Meter hohe Welle spülte alles weg, was sich ihr in den Weg stellte. Nach verschiedenen Schätzungen wurden mehrere Dutzend Dörfer in den Überschwemmungsgebieten von Chortyzja überflutet, und Zehntausende von Menschen starben.

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KOMMENTARE

Bereits am 20. Oktober 2022 warnte Präsident Wolodymyr Selenskyj vor katastrophalen Folgen, falls die Besatzer es wagen sollten, das Wasserkraftwerk Kachowka zu sprengen.

„Die Sprengung des Staudamms würde eine Katastrophe großen Ausmaßes bedeuten. Mit diesem Terroranschlag können sie unter anderem auch die Möglichkeit zerstören, Wasser aus dem Dnipro auf die Krim zu leiten. Der Nord-Krim-Kanal wird einfach verschwinden, wenn der Kachowka-Staudamm zerstört wird.“

In einem Interview mit dem britischen TV-sender Sky News sagte der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Oleksij Danilow:

„Wir müssen abwarten, aber wenn sie (das Wasserkraftwerk Kachowka – Anm. d. Red.) doch sprengen, wird die Wasserversorgung auf der Krim für 10–15 Jahre, vielleicht sogar für immer verschwinden. Dann stellt sich die Frage, wozu sie die Krim brauchen, wenn sie sie ohne Wasser lassen wollen.“

Danilow erinnerte daran, dass die russische Armee den Kachowka-Staudamm mit „einer großen Menge Sprengstoff“ vermint habe.

Geheimdienstchef Kyrylo Budanow sagte in einem Interview mit Ukrajinska Prawda:

„Ich sage Folgendes: Die Sprengung dieses Staudamms (Kachowka-Staudamms – Anm. d. Red.) wird definitiv eine Umweltkatastrophe verursachen, das ist eine Tatsache... Die russischen Invasoren werden durch die Sprengung des Damms in der Oblast Cherson mehr verlieren als gewinnen. Wenn der Damm durch zahlreiche Raketen oder eine Menge Sprengstoff vollständig zerstört wird, wird das linke Ufer der Oblast Cherson komplett überflutet. Sie werden die Möglichkeit verlieren, den Nord-Krim-Kanal und die Krim mit Wasser zu versorgen, bis wir den Damm wieder aufgebaut haben, was sehr lange dauern wird. Es wird sehr schwierig sein, ihn aufzubauen. Und das Interessanteste ist, dass sie die Möglichkeit der Existenz des Kernkraftwerks Saporischschja zerstören werden, weil diese Anlage untrennbar mit ihm verbunden ist. Und natürlich werden sie es uns für eine gewisse Zeit schwer machen, voranzukommen. Es handelt sich übrigens nicht um einen sehr langen Zeitraum, etwa zwei Wochen.“

Er stellte klar, dass sich die russischen Truppen direkt auf die Krim zurückziehen müssten.

Nach Angaben von Oleksandr Baranitschenko, dem Leiter des Katastrophenschutzes der Stadt Nowa Kachowka, im Frühling 2022 werde das Wasser, selbst wenn der Kachowka-Staudamm zerstört wird, maximal 12 Meter über die Küstenlinie ansteigen. Das heißt, es werde nicht einmal die Dniprowskyj Avenue in Nowa Kachowka erreichen.

Ruslan Hawryljuk, Hydrogeologe und Vorstandsvorsitzender des Nationalen Ökologischen Zentrums, sagte auf TSN, dass die Sprengung des Staudamms eine wirklich ernste Katastrophe sein könnte – vielleicht nicht so ernst, wie oft behauptet wird, aber auf jeden Fall ernst. Die Staumauer des Kachowka-Stausees ist 400 Meter lang, und die Maschinensätze des Wasserkraftwerks Kachowka sind 150 Meter lang. Sollte all dies gesprengt werden, könnte sich ein 550 Meter langes Erdloch bilden, und das Wasser, das einen Höhenunterschied von 16 Metern zwischen dem Kachowka-Stausee und dem Dnipro-Fluss aufweist, könnte in den Unterlauf des Dnipro-Flusses strömen. Die Küstengebiete am linken Ufer des Dnipro werden zuerst betroffen sein. Was die Überschwemmungen in Cherson und anderen Gemeinden betrifft, so betont Ruslan Hawryljuk, dass die Situation nicht so kritisch sein könne. Kritisch sei die Situation in erster Linie für das Ökosystem des unteren Dnipro, insbesondere für den Nischnodniprowskyj-Nationalpark. In Cherson könne der Wasserstand um bis zu 5 Meter ansteigen, aber innerhalb von 20 bis 40 Stunden werde das Wasser ins Schwarze Meer fließen.

Mychajlo Jatsjuk, Direktor des Instituts für Wasserprobleme und Landgewinnung der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine, hält die Wahrscheinlichkeit einer Zerstörung des Wasserkraftwerks Kachowka für hoch. „Es ist äußerst schwierig, den Staudamm selbst zu zerstören, aber ich gehe davon aus, dass Sprengstoff an den Stellen der Notüberläufe oder im Hafenbereich, wo sich die Maschinensätze befinden, angebracht werden kann.“

Der Kachowka-Stausee ist für den Wirtschaftskomplex der Südukraine äußerst wichtig, da er eine Reihe von Problemen löst. Laut Mychajlo Jatsjuk diene der Stausee vor allem der Bewässerung des Südens der Ukraine. „Wenn die Bewässerungssysteme nicht funktionieren, wird die Landwirtschaft darunter leiden. Der Stausee kann nur im Frühling wieder aufgefüllt werden, wenn es einen Wasserzufluss gibt“, erklärt der Experte.

Ein weiteres Problem ist die Trinkwasserversorgung. Alle Siedlungen, die an den Ufern des Stausees liegen, sind an diesen Wasserstand gebunden. Sinkt der Wasserstand auch nur um einen Meter, funktionieren die Trinkwasserfassungen nicht mehr und die Bevölkerung erhält kein Trinkwasser mehr. Auch der Nord-Krim-Kanal hängt vom Wasserstand des Kachowka-Stausees ab. Wenn dort kein Wasser fließt, werden weder der Süden der Oblast Cherson noch die von Russland annektierte Krim mit Wasser versorgt.

Ein weiteres Problem ist laut Mychajlo Jatsjuk das Kernkraftwerk Saporischschja. Es werde mit Wasser aus dem Kachowka-Stausee gekühlt. Wenn der Wasserstand sinke und nicht genügend Wasser in den Kühlbecken vorhanden sei, stelle sich die Frage nach der Sicherheit des KKW und der Gefahr eines nuklearen Unfalls.

Ruslan Strilets, Minister für Umweltschutz und natürliche Ressourcen der Ukraine, erklärte gegenüber der vereinten Nachrichten, dass die Sprengung des Damms eine Umweltkatastrophe großen Ausmaßes bedeuten werde. Die ganze Welt und Europa würden die Auswirkungen mit Sicherheit zu spüren bekommen. Es sei schwer vorherzusagen, welche konkreten Umweltschäden entstehen werden, da dies vom Ausmaß der Schäden abhängt, was genau zerstört wird, welche Teile der Wasserkraftanlage usw.

„Erstens wird die Sprengung des Staudamms mit Sicherheit zu Überschwemmungen in den Städten Cherson, Hola Prystan und Nowa Kachowka führen, die im Tal des Flusses Dnipro liegen. Wie zerstörerisch die Überschwemmungswelle sein wird, hängt von den spezifischen Bedingungen eines möglichen, potenziellen Notfalls ab. Zweitens müssen wir die mögliche Verunreinigung des Wassers mit Müll und verschiedenen Chemikalien bedenken, die in die Dnipro-Bug-Mündung und dann in das Schwarze Meer gelangen werden. Aus dem Schwarzen Meer kann auf jeden Fall Wasser mit Schadstoffen in das Mittelmeer gelangen, und wir können nur einige Modelle und Prognosen über die Folgen anstellen“, erzählte der Leiter des Umweltministeriums.

„Das Wichtigste ist, dass die gesamte Halbinsel Krim ohne Dnipro-Wasser dastehen könnte, wenn die Russen tatsächlich derartige Maßnahmen ergreifen, da ein Absinken des Wasserstandes im Stausee die Wasserversorgung der Halbinsel über den Nordkrim-Kanal einfach unmöglich machen würde“, so der Minister abschließend.

Der Geheimdienst erklärte, dass die Umweltkatastrophe im Falle einer Sprengung des Staudamms „weit über die Ukraine hinausgehen und die gesamte Schwarzmeerregion betreffen würde.“

Vorbereitet von Marjana Rabtschenjuk, Kyjiw


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