Wassyl Bodnar, Botschafter der Ukraine in der Türkei
Die Haltung der Türkei bezüglich der Suche nach dem Frieden hat sich geändert – „der Frieden angesichts der Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine“
21.01.2023 18:06

Am 11.-12.Januar fand in Ankara ein internationales Treffen von Menschenrechtsbeauftragten aus verschiedenen Ländern statt, das der Ukraine konkreten Stand der Dinge bezüglich der Freilassung von Zivilisten und dem Militär aus russischer Gefangenschaft darstellen konnte. Die türkische Seite vermittelt beim Prozess ebenso wie bei den Verhandlungen über den Abschluss und die Verlängerung des „Getreideabkommens“, die Freilassung von Asow- Kommandeuren. Es sei ihre Rolle als Vermittlerin, erklärt die Türkei, dass sie sich den Sanktionen gegen die Russische Föderation nicht angeschlossen habe und unermüdlich auf eine Waffenruhe und Friedensverhandlungen dränge, indem sie ihr Territorium für deren Durchführung anbiete. Die Position der Ukraine ist bekannt - jegliche Friedensverhandlungen sind erst nach der Rückkehr an die Grenzen von 1991 möglich.

Über die  Transformation des türkischen Ansatzes gegenüber dem Frieden, dem Funktionieren des „Getreideabkommens“, der Gegenwirkung bei der Ausführ von in der Ukraine gestohlenem Getreide, möglicher Auswirkung der türkischen Wahlergebnisse auf bilaterale Beziehungen, dem Bau eines Bayraktar-Werks, der Haltung der Türkei in Bezug auf die Sanktionen und die Aussichten für die Schaffung eines Gashubs teilte der außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter der Ukraine in der Türkei, Wassyl Bodnar. in einem exklusiven Interview mit Ukrinform gesprochen.

DIE TÜRKEI DRÄNGT AUF FRIEDENSVERHANDLUNGEN - IST DAS EIN ELEMENT DES VERSUCHS, WEGE ZUM DIALOG ZU FINDEN

Herr Botschafter, in der Türkei besteht man auf höchster Ebene auf Unvermeidbarkeit der Friedensverhandlungen, auf den Wunsch, die „Beziehungen zu lockern“ und so weiter. Woran liegt diese Rhetorik, und glauben Sie wirklich an ihre Umsetzung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es eine klare Haltung Kyjiws gibt - kein Frieden ohne vollständige De-Okkupation?

Seit dem Beginn der umfassenden Invasion der Russischen Föderation gegen die Ukraine hat die Türkei erhebliche Anstrengungen unternommen, um den anhaltenden Krieg friedlich zu lösen. Diese Vorgehensweise wurde bei der Organisierung von Verhandlungen im März 2022 in Istanbul demonstriert. Ankara hält sich auch jetzt bei der Kommunikation auf der Ebene der Staatschefs und bevollmächtigten Personen daran fest. Alles begann mit Ansätzen bezüglich humanitärer Waffenstillstände, „Frieden vor allem“, und jetzt wird in der türkischen Haltung deutlich, dass das Prinzip der territorialen Integrität der Ukraine beachtet werden muss. Die jüngsten Erklärungen der offiziellen Vertreter der türkischen Seite  bezeugen deutlich die Notwendigkeit, alle ukrainischen Gebiete zu befreien.

In diesem Zusammenhang wurde ein Vorschlag angekündigt, dass Russland als erstes einen Waffenstillstand einleiten sollte, der Grund für einen weiteren Abzug aus der Ukraine sein könnte. Es ist ein Versuch, Wege zum Dialog zu finden, aber auf keine Weise eine Haltung aufzuzwingen. Dies ist einer der Vorschläge des Vermittlerlandes.

Zu Weihnachten zeigte die russische Seite, was sie unter „Waffenruhe“ versteht...

Wir haben sehr gut gesehen, dass das „Weihnachtsangebot“ der Russischen Föderation nichts mit dem Waffenstillstand zu tun hatte, da der Beschuss andauerte. Russland hielt sich nicht an den Waffenstillstand fest, den es selbst ausgerufen hatte. Es war ein Versuch, ein Medienbild zu erstellen: wir bieten, und die ukrainische Seite lehnt ab. In der Tat ist es nicht so, unsere Bedingung ist klar - Befreiung der ukrainischen Gebiete, Feuereinstellung und dann beginnen wir die Verhandlungen. Und wir werden in unserer Haltung nicht weichen. Die türkische Seite versteht das sehr gut und berücksichtigt es bei der Suche nach Wegen, um die russischen Behörden zu überzeugen. Die Türkei sieht diesen Prozess stufenweise: Waffenruhe und Truppenabzug. In unserem Verständnis ist ein Waffenstillstand nicht möglich, weil Russland auf jeden Fall versuchen wird, sowohl uns als auch die Türkei als ein Vermittlerland zu betrügen, diese Zeit für Stärkung seiner Positionen zu nutzen und dann den Truppenabzug aufzugeben. Deshalb nehmen  wir es als einen schrittweisen Vorschlag wahr, eine Entscheidung über den Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine zu treffen. Natürlich deutet das nicht darauf hin, dass die russische Seite sofort diese Bedingungen akzeptiert und bereit sein wird, alles zu realisieren.

OHNE DIE BETEILIGUNG DER TÜRKEI WÄRE DAS GETREIDEABKOMMEN KAUM GESCHLOSSEN ODER VERLÄNGERT WORDEN

Ankara hält den Start der Schwarzmeer-Getreide-Initiative für einen der größten Erfolge der türkischen Vermittlung zwischen der Ukraine und Russland. Gleichzeitig hat Russland innerhalb von 120 Tagen gedroht, sie nicht zu verlängern, und jetzt hindert es mit allen Mitteln die Durchfahrt von Schiffen, insbesondere durch seine Vertreter im Koordinationszentrum. Wie kann die Frage der Beschleunigung der Schiffskontrolle gelöst werden?

Es ist zu betonen, dass es ohne die Beteiligung der Türkei kaum möglich wäre, dieses Abkommen zu schließen oder es später zu verlängern. Wir erinnern uns, wie klar die Position der türkischen Seite war und dass sie auf die Fortsetzung der Vereinbarung  orientierte, als Russland versuchte, sich nach einem Angriff auf die Schwarzmeerflotte aus dem Abkommen zurückzuziehen. Jetzt bremst die russische Seite wirklich die Inspektionen der Schiffe aufgrund der unzureichenden Anzahl von Inspektionsteams, die Schiffe betreten dürfen. Wir haben vorgeschlagen, ihre Anzahl zu erhöhen. Sowohl die türkische Seite als auch die Vereinten Nationen unterstützen den Vorschlag, und die russische Seite bremst noch. Die einzige Möglichkeit besteht nun darin, den Druck der Unterhändler auf die russische Seite zu erhöhen, die Anzahl dieser Inspektionsteams zu erhöhen und die Durchfahrt der Schiffe durch die Meerengen zu beschleunigen.

Die russische Seite ist nicht interessiert, weil sie an dieser Getreide-Initiative nicht beteiligt ist, weder durch Schiffe noch durch Getreide, durch nichts anderes. Seine Vertreter sind nur im Gemeinsamen Koordinationszentrum präsent. Uns wir sorgen dafür, dass die Schiffe ein wesentlich größeres Produktspektrum vorzugsweise ohne Einschränkungen ausführen können und dass die russische Seite diese Marinekommunikation nicht bremsen oder unterbrechen kann.

Andererseits verstehen wir, dass Russland diesen Korridor durch den Einsatz seiner Marine- oder Luftstreitkräfte beenden kann. Deshalb ist es für uns jetzt wichtig, das zu nutzen, was es gibt, und Druck durch die Vermittler auf die russische Seite ausüben, um die Anzahl der Inspektionsteams zu erhöhen.

Beobachter der Durchfahrt durch den Bosporus weisen darauf hin, dass Russland über den Bosporus wahrscheinlich gestohlenes ukrainisches Getreide nach Syrien weiter ausführt. Es transportiert Militärgüter, sie als zivile Güter getarnt zu haben. Gibt es einen Mechanismus, um diesen Verkehr zu stoppen?

Tatsächlich hat die türkische Seite in diesem Fall keinen direkten Einfluss auf diese Schiffe, da der Vertrag von Montreux den freien Schiffsverkehr regelt und das Recht, Zivilschiffe ohne angemessene Grundlage zu stoppen, nicht vorsieht. Der Grund für den Stopp kann der illegale Transport von Gütern oder der Transport von Gütern sein, die die Sicherheit der Republik Türkei gefährden. Sind die Dokumente für das Schiff und seine Ladung legal, hat die türkische Seite keine Mechanismen, um die Durchfahrt dieser Schiffe zu stoppen. Außerdem beteiligt sich die türkische Seite seit 2014 nicht an Sanktionen. Jede Einschränkungen für normale Handelsschiffe können also in den Meerengen des Schwarzen Meeres nicht angewendet werden.

Wir arbeiten mit unseren anderen Partnern zusammen, die durch Versicherungsgesellschaften, Shipping-Unternehmen, internationale Organisationen versuchen können, die Länder zu beeinflussen, in die Getreide geliefert wird, sie (russische Schiffe – Red.) in ihre Häfen nicht zu zulassen. Heute ist die Mehrheit europäischer Häfen für russische Schiffe gesperrt. Kleine Mengen, die Russland auszuführen versucht, erfüllen nicht seine Exportanforderungen. Sie erhalten keinen Extraprofit aus dem Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten und Düngemitteln. Und obwohl es keine Möglichkeit gibt, diesen Verkehr physisch zu blockieren, verfolgen wir jedes Schiff, informieren die türkische Seite und unsere Partner über seine Bewegung und fordern Maßnahmen zu ergreifen.

Im Juli vorigen Jahres erreichte ein Schiff aus dem besetzten Berdjansk mit einer Ladung gestohlenen Getreides die türkische Küste. Damals wurde „Zhibek Zholy“ trotz des Antrags der ukrainischen Seite, es zu beschlagnehmen, freigelassen. Wiederholten sich solche Fälle und wie die türkische Seite erklärte, dass „Zhibek Zholy“ freigelassen wurde?

Bezüglich dieses Schiffs ist die Situation etwas anders. Und das Hauptargument der türkischen Seite ist, „Zhibek Zholy“ war nicht in den Hafen angelaufen, während es auf Reede in Binnengewässern lag. Angesichts unserer Appelle und Anträge wurde genau diese Entscheidung getroffen, es zurückzuschicken. Natürlich hat es große Resonanz ausgelöst. Wir haben aber es geschafft und hoffen, dass es keine Wiederholungen geben wird. Wodurch war die Situation einzigartig? Das Schiff war aus dem besetzten Berdjansk 2022. Man versuchte anhand der beigefügten Unterlagen es im Hafen von Samsun zu entladen. Dies war eine direkte Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine, weil man versuchte, Unterlagen aus dem besetzten Hafen als legale einzureichen. Die Entscheidung der türkischen Seite bezüglich dieses Schiffes hat uns nicht vollständig zufrieden gestellt. Die Arbeit wurde allerdings fortgesetzt. Dank der gemeinsamen Anstrengungen der ukrainischen und der türkischen Seite konnten Fortschritte erzielt werden – Schiffe mit gestohlenem ukrainischem Getreide dürfen nicht in Häfen in der Türkei anlaufen.

Jetzt beabsichtigen die Türkei und Russland, russisches Getreide in der Türkei zu verarbeiten und als Mehl in die ärmsten afrikanischen Länder zu liefern. Kann Russland auf diese Weise versuchen, in der Ukraine gestohlenes Getreide zu versenden?

Jetzt verfügen wir über Kontrollmittel. Rechtsschutzorgane sammeln Informationen über jedes Schiff. Wir haben Kommunikation zwischen dem türkischen Justizministerium und unserem Büro des Generalstaatsanwalts über die bereits festgestellten Fälle eingerichtet. Und das Monitoring geht weiter. Werden Schiffe Sewastopol oder Kertsch verlassen und in den Hafen Kawkas einlaufen und dort russische Dokumente erhalten, werden wir darauf reagieren. Wir versuchen nicht zu zulassen, dass unser Getreide in die türkischen Häfen als russisches gebracht wird. Die türkische Seite ist empfindlich auf diese Frage. Und die Situationen, die es im Sommer gab, bin ich überzeugt, werden sich nicht wiederholen.

FÜR DEN GEHEIMEN ABFLUG TÜRKISCHER FLUGZEUGE AUS BORYSPIL WURDE DIE STARTBAHN TECHNISCH VORBEREITET UND DIE LUFTVERTEIDIGUNG GEWARNT

Zwei türkische Frachtflugzeuge, die sich seit Beginn der groß angelegten Invasion in die Ukraine auf dem Flughafen Boryspil befanden, kehrten in die Türkei zurück. Wie ist es gelungen?

Dies ist das Ergebnis der Interaktion zwischen den Verteidigungsministerien beider Länder. Es gab bereits Versuche, dass diese Flugzeuge ausfliegen, aber es gab bestimmte Umstände (aus Sicherheitsgründen oder technischen Gründen). Ich weiß, dass Sicherheitskorridore vereinbart wurden, da der Luftraum über der Ukraine von unseren Luftverteidigungstruppen kontrolliert wird. Erstens wurden am Flughafen die notwendigen technischen Arbeiten durchgeführt, damit die Flugzeuge starten konnten. Zweitens wurden die Zeit vereinbart und die Luftverteidigungseinheiten über den Flug dieser Flugzeuge informiert. Drittens war es ein Geheimnis, von dem man erst erfuhr, als die Flugzeuge gelandet war. Dies zeigt den Erfolg der Arbeit der Verteidigungsministerien und Geheimdienste, die diese Operation durchgeführt haben, das Vertrauensnivea zwischen den Verteidigungsbehörden unserer Länder. Details erfahren wir wohl schon nach dem Krieg..

Ein weiterer Vermittlungserfolg der Türkei ist die Freilassung der Asow-Kommandeure, die sich bis zum Ende des Krieges in der Türkei aufhalten werden. Wie fühlen sie sich, was machen sie, wie steht es um ihre Gesundheit?

Sie fühlen sich gut, aber sie wollen natürlich zum Militär. Aus Sicherheitsgründen kann ich nicht viel sagen, aber wir hoffen, dass die Zeit kommt und sie nach Hause zurückkehren, für die Wiederherstellung des Verteidigungspotenzials der Ukraine nützlich sein werden, ihre Rolle beim der Wiederaufbau unseres Staates und fraglos bezüglich der Zeugnisse der Verbrechen spielen, die die Russische Föderation begangen hat. Ihre Erfahrung ist natürlich eine der wertvollsten und einzigartigsten Erfahrungen. Sie haben viele heldenhafte Taten bei der Verteidigung von Mariupol geleistet. Sie haben eine schreckliche Gefangenschaft überlebt. Sie sind eine Legende, die die Ukrainer inspiriert.

Gibt es Hoffnung auf weiteren Austausch?

Der Austausch geht weiter. Ein spezielles Koordinationszentrum ist ins Leben gerufen worden. Keine einfache Geschichte, denn für die Russische Föderation sind ihre Soldaten nicht wichtig. Sie stimmen deshalb nicht immer dem Austausch zu, den wir anbieten. Unser en Vorschlag „alle gegen alle“ auszutauschen, unterstützen sie noch nicht. Die Türkei ist bereit, Hilfe und Unterstützung zu leisten. In Ankara befindet sich der Menschenrechtbeauftragte der Werchowna Rada (Parlament – Red.), Dmytro Lubinez (am 11.-12.Januar – Red.).  Er traf sich bereits mit dem türkischen Ombudsmann und der russischen Ombudsfrau. 

PRÄSIDENTSCHAFTS- UND PARLAMENTSWAHLEN IN DER TÜRKEI WERDEN ANSÄTZE ZUM AUSBAU DER BEZIEHUNGEN ZUR UKRAINE NICHT ÄNDERN

Nun stehen die bevorstehenden Wahlen, die in diesem Jahr abgehalten werden, im Informationsraum der Türkei im Mittelpunkt. Können sich die Wahlergebnisse und auf welche Weise auf die ukrainisch-türkischen Beziehungen auswirken?

Die Aufmerksamkeit in Bezug auf die Wahlen ist natürlich, und es ist kein Wunder, dass sich die Wahlkampfrhetorik in der Türkei mehr auf interne als auf externe Themen konzentriert. Unsere Aufgabe ist es, die bestehende strategische Partnerschaft zu erhalten. Ich sehe keine Anzeichen, die auf eine Änderung der Ansätze zum Ausbau der Zusammenarbeit mit der Ukraine hindeuten könnten. Zum Glück verwendet keine der politischen Kräfte im politischen Kampf das Thema der Ukraine, um die bestehende Interaktionsebene zwischen der Ukraine und der Türkei irgendwie in Frage zu stellen. Die Wahlen werden stattfinden und die Interessen bleiben. Die Interessen der strategischen Interaktion sind immer aktuell, da sie auf praktischen Dingen aufgebaut werden: Wachstum des Warenumsatzes, Stärkung der Verteidigungsfähigkeit, Erhöhung des kulturellen Austausches usw. Das sind gegenseitige Interessen. Es ist auch notwendig, den Präsidenten der Republik Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, zu würdigen, der sich sehr bemüht hat, die strategische Partnerschaft mit der Ukraine zu stärken. Seine Rolle ist eine der wichtigsten. Wie die Vision anderer politischer Kräfte bezüglich des Ausbaus der Beziehungen zur Ukraine aussehen wird, werden wir nach den Wahlen sehen.

Die USA liefern im Rahmen eines neuen Hilfspakets Patriot-Abwehrraketen an die Ukraine. Das sind Systeme, die die Türkei von den USA nicht erhalten konnte, was zu Lieferungen russischer S-400 führte. Kann die „Patriot“-Lieferung unsere Beziehungen zur Türkei beeinflussen?

Das sind nicht vergleichbare Dinge. Wir haben den Erhalt dieser Systeme im zehnten Monat des Krieges erzielt. Unsere Menschen sterben,  Infrastruktur leidet. Wir haben einen schrecklichen Krieg. Patriot-Komplexe möchten viele Länder haben. Die Türkei verfügt über eine im Süden stationierte Patriot-Luftabwehrbatterie. Die Entscheidung über den Erwerb von S-400 ist ihre Entscheidung, die Frage der Anwendung ist ihre Sache. Die Verstärkung der Luftverteidigung ist für viele Länder aktuell. Und ein Beispiel dafür, wie die ukrainische Luftverteidigung unseren Himmel mit veralteten Mitteln verteidigt, ist die Erfahrung, die in Zukunft für die türkische Seite interessant sein könnte. Und die Nutzung verschiedener Systeme durch die Türkei, einschließlich der eigenen Herstellung, ist ein Feld für Zusammenarbeit und nicht für Wettbewerb.

DAS WERK BAYKAR WIRD IN DER UKRAINE GEBAUT - DIE ARBEIT AN DEM PROJEKT GEHT AUCH JETZT WEITER

Das Unternehmen Baykar hat trotz des Krieges seine Absicht deklariert, in der Ukraine eine Bayraktar-Drohnenfabrik zu bauen. In welcher Phase befindet sich jetzt dieses Projekt? Ist der Bau eingefroren, wird er nach dem Krieg geplant oder haben die Bauarbeiten bereits begonnen?

Das Werk wird unbedingt gebaut werden und die Arbeiten sind bestimmt nicht eingefroren. Vor etwa einem Monat wurde das Abkommen über den Bau dieses Werks von der Werchowna Rada der Ukraine ratifiziert. Die türkische Seite hat auch dieses Abkommen zu ratifizieren. Dann müssen die Ratifizierungsdokumente ausgetauscht werden, damit das Abkommen in Kraft tritt. Das ist die formale Seite. Baykar Makina hat bereits ein Unternehmen gegründet, Grundstück gekauft, Leitungen werden verlegt, das Projekt sowohl der Fabrik als auch des Zentrums für Forschung und Ausbildung wurde entwickelt. Leider hat der Krieg Änderungen an den ursprünglichen Plänen bezüglich des Werks vorgenommen. Das für die Erstellung der Projektdokumentation vorgesehene Tempo, für Lizenzerhalt, für die Ratifizierung der Abkommen wird sogar vorbehaltlich der Kampfhandlungen beibehalten. Es ist klar, dass es ein Verteidigungs- und Industrieobjekt ist. Es besteht die Gefahr, dass es einem Raketenangriff ausgesetzt werden kann. Und das Aggressorland hat so gesagt. Nach vorläufigen Berechnungen müsste die Fabrik innerhalb von höchstens zwei Jahren gebaut werden. Die ersten Drohnen müssten nun die Förderbänder verlassen.

Im Zentrum von Ankara wurde das Schild „Motor Sich“ aufgehängt. Hat das Unternehmen seine Vertretung in der Türkei eröffnet?

Ja, der Raum für die Vertretung wurde in der ersten Hälfte des Jahres gewählt. Das hat man in Anbetracht der strategischen Zusammenarbeit mit der Türkei getan. Dieses Büro müsste sich für die Stärkung der Beziehungen und der Zusammenarbeit einsetzen. Der türkische Markt ist sowohl für Motor Sich als auch für andere Unternehmen unserer Verteidigungsbranche attraktiv. Ich hoffe, dass die neue Führung des Unternehmens die pro-ukrainische Haltung verteidigen und mehr Möglichkeiten haben wird, Projekte zum Wohl der Ukraine und zu ihrer Verteidigung umzusetzen.

DIE TÜRKEI KANN EIN GAS-HUB WERDEN, ABER NICHT FÜR RUSSISCHE GASLIEFERUNGEN

Die Türkei arbeitet jetzt aktiv an der Schaffung eines Energiehubs auf ihrem Territorium. Was sind die Aussichten für dieses Projekt, insbesondere für Ersatz für russisches Gas auf dem europäischen Markt?

Wenn man einen Blick auf Energiequellen für die Türkei wirft, sind sie bereits genug diversifiziert. Die Möglichkeit, einen solchen Hub zu schaffen, ist theoretisch möglich und könnte vorteilhaft sein. Für die Ukraine könnte es auch eine positive Geschichte sein, denn für uns wird es ein zusätzlicher Weg zur Energieversorgung sein... Entweder durch Meerengen oder durch die Trans-Balkan-Pipeline. Geht es um den Ausbau des russischen Gasversorgungsnetzes, gibt es viele Fragen, da die Türkei bereits jetzt fast zu 50 Prozent von russischem Gas abhängig ist. Die EU hat bereits beschlossen, keine größeren Gasmengen aus Russland zu kaufen, als sie jetzt erhalten. Ohne die Zustimmung der EU, dieses Gas zu erhalten, wird es daher nirgendwo verkauft werden.

Zweitens müssen zwei Stränge der Erdgaspipeline Turkish Stream fertiggestellt werden, damit dieser Plan erfolgreich umgesetzt werden kann. Drittens werden sich westliche Unternehmen, die über Erfahrung und Technologie verfügen, die die ersten beiden Stränge der Gaspipeline im Schwarzen Meer verlegt haben, wahrscheinlich nicht entscheiden, dies jetzt zu tun.

Viertens geht es um Finanzmittel. Um ein solches Projekt zu realisieren, sind milliardenschwere Investitionen notwendig. Wenn man hier beispielsweise die Transkaspische Gaspipeline oder Gas aus der Golfregion einbezieht, dann werden viele Länder daran interessiert sein. Wenn es aber nur um russisches Gas geht, dann glaube ich, es wird schwierig sein, dieses Projekt zumindest bis zum Ende des Krieges und bis Russland vor Gericht gestellt wird, vollständig umzusetzen.

Die Türkei hat sich den Sanktionen nicht angeschlossen und begründete dies durch ihre Rolle als Vermittlerin. Im Westen werden die Vermittlungsfortschritte befürwortet, aber die Annäherung zwischen Ankara und Moskau wird missbilligt. Welche Haltung der Türkei ist für die Ukraine attraktiver und vorteilhafter?

Die Frage der Sanktionen haben wir mit der türkischen Seite seit Beginn der Aggression 2014 angesprochen. Die Haltung der Türkei ist klar, dass sie sich nur den Sanktionen anschließen werde, die die UNO verhängt hätte. Diese Position vertritt die türkische Seite auch seit Beginn der groß angelegten Invasion. Natürlich wäre es für die Ukraine besser, wenn sich die Türkei den Sanktionen anschließen würde.

Andererseits führt die Türkei ihre Politik und wir respektieren ihre Position. Natürlich diskutieren wir jedes Mal Themen, die uns belästigen und interessieren. Aus türkischer Sicht würde die Annahme von Sanktionen eine Vermittlungsrolle oder die Nutzung der Möglichkeiten für den politischen Dialog unmöglich machen. Und das ist eines der Hauptargumente, warum sich die türkische Seite das Recht vorbehält, sich den Sanktionen nicht anzuschließen. Gleichzeitig gibt es eine klare Haltung, dass die türkische Seite, indem sie die Sanktionen vermeidet, die Umgehung von Sanktionen nicht fördern wird. Die Frage ist sensibel, wir setzen die Diskussion fort, damit auch unsere Interessen berücksichtigt werden. Die Türkei steht nicht zur Seite: die Meerengen wurden gemäß dem Montreux-Übereinkommen geschlossen. Der Luftraum für russische Flugzeuge auf dem Weg nach Syrien wurde ebenfalls gesperrt, Versicherungsbeschränkungen wurden eingeführt und sonstiges.

Die Türkei beharrt darauf, dass Sanktionen vor allem für sie und ihre Vermittlungsleistungen schädlich seien. Der Dialog über diese und andere Themen wird aktiv fortgesetzt, ebenso wie der Ausbau und der gemeinsame Ausbau unserer bilateralen Beziehungen.

Olha Budnyk, Ankara

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