Vitali Markiw, ukrainischer Militärangehöriger der Nationalgarde
Einer meiner wichtigsten Kämpfe beendet. Das ist mein größter Sieg
06.11.2020 10:59

Das Berufungsgericht in Mailand hat am 3. November 2020 den Nationalgardisten Vitali Markiw freigesprochen, den das Schwurgericht in Pavia zu 24 Jahren Freiheitsentzug wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung am Mord des italienischen Bildjournalisten, Andrea Rocchelli, und seines Dolmetscher, des Russen Andrej Mironow, im Mai 2014 im Donbass verurteilte. Das Gericht von Mailand kündigte seine Entscheidung gegen 20 Uhr Ortszeit. Die Entscheidung des Gerichts hat Markiw im Gefängnis gehört. Wegen des Coronavirus wurde er zum ersten Mal seit Jahren des Rechtsstreits vor Gericht nicht gebracht. Er war die ganze Zeit online. Drei Jahre, vier Monate, zwei Tage saß der ukrainische Militärangehörige Vitali Markiw im Gefängnis in Italien.

Sein Fall begann 2017, als Markiw mit seiner Ehefrau nach Italien flog, um seine Mutter zu besuchen. Er war am Flughafen von Bologna von italienischen Strafverfolgern festgenommen. Der Ukrainer spricht gut Italienisch, er lebte fast 10 Jahre in Italien. Als der Maidan begann, beschloss er, dass er in der Ukraine sein muss. Und als der Krieg in die Ukraine kam, zögerte er nicht, sein Land zu verteidigen. Über eine harte Bewährungsprobe der letzten Jahre teilte Vitali in einem Interview mit dem eigenen Korrespondenten von Ukrinform in der Nacht mit, als er zum ersten Mal seit drei Jahren freikam.

DER WEG ZUR FREIHEIT

Vitali, vor allem herzlichen Glückwunsch! Danke, dass Sie mitten in der Nacht mit mir reden. Wie fühlen Sie sich? Wie waren Ihre ersten Gefühle, als Sie verstanden haben, dass Sie bereits ein freier Mensch sind?

Ich habe zunächst daran nicht geglaubt. Ich habe mich auf das Schlimmste vorbereitet. Ich war bereit für das Schlimmste, aber ich habe nie die Hoffnung auf das Beste aufgegeben. Wissen Sie, ich bin mir jetzt bewusst, dass ich wirklich ein freier Mann bin. Und als "unschuldig" ausgesprochen wurde, konnte ich daran nicht glauben... Im Gefängnis hatte ich das nicht erwartet, aber es war eine große Überraschung. Für mich ist es eine meiner wichtigsten Schlachten und der wichtigste Sieg, persönlich als eines Menschen, als eines Mannes.

Wie hat man Sie empfangen? Wie fühlten Sie sich, als Sie ohne Begleitung auf dem Weg vor dem Gefängnis zu Ihren Angehörigen waren, die Sie am späten Abend kurz nach der Gerichtsentscheidung abgeholt haben?

Wissen Sie, jedes Mal wurde ich aus dem Gefängnis zu den Prozessen in einem speziellen Auto gebracht, wo es eine sehr große Einschränkung der Sichtbarkeit gab, weil du beinahe in einem Käfig warst. Es ist unmöglich, etwas zu sehen, aber ich sah immer noch diesen Weg und glaubte, dass ich ihn früher oder später gehen werde. Und als meine größten Wünsche endlich in Erfüllung gingen, als ich diese Taschen trug, als die Verurteilten in meiner Sektion durch die Tür schlugen, das heißt, es ist eine Tradition, wenn ein Mensch freigelassen wird , so waren es riesige Emotionen, ich war überfüllt mit einem Ozean von Emotionen, die ich einfach nicht beschreiben kann. Ich habe endlich meine Mutter umarmt. Ich habe Arsen Boryssowytsch (Innenminister Arsen Awakow war bei der Gerichtssitzung anwesend  - Aut.), den Konsul, den ukrainischen Botschafter und Journalisten gesehen. Und ich dachte, endlich wird dieser Traum Wirklichkeit.

LEBERTORTE

Sie haben Ihre Ehefrau seit drei Jahren nicht gesehen. Sie haben ihr verboten, Sie im Gefängnis zu besuchen. Wie bereiten Sie sich auf das Treffen vor? Ihre Mutter sagte mir, Sie hätten schon etwas Leckeres bestellt.

Es war rein prinzipiell. Ich habe es ihr nicht verboten. Wir waren uns einig, dass sie nicht zu mir kommt. Sie war bereit, nach dem ersten Anruf in ein Flugzeug zu steigen und nach Italien zu fliegen, aber wir waren uns einig, dass sie in Kyjiw auf mich wartet.

Warum? Weil ich mich erinnere, wie sie das durchgemacht hat, meine Verhaftung. Ich sah ihren Zustand, als mir Handschellen angelegt wurden. Ich habe gesehen, dass es Emotionen gab, die in Worten nicht zu fassen sind. Ich wusste, was meine Mutter, meine Schwester, durchgemacht haben mussten, um mich zu sehen. All diese Kontrollen vor ihrem Besuch im Gefängnis. Meines Erachtens war es sehr beschämend. Und ich wollte nicht, dass sie (Ehefrau – Red.), so empfindlich, das auch durchmacht. Wenn es nach meinem Willen gegangen wäre, hätten die anderen mich auch nicht besucht – wegen all dieser Durchsuchungen, Überprüfungen, Überredungen, ein Paket mit zusätzlichen Gramm, Kilos zu übergeben.

Also, wenn ich meine Frau treffe... Ich habe noch keine Ahnung, wie das Treffen ablaufen wird.

Mein Hund wartet noch auf mich, der Yorkshire Terrier, ich weiß nicht, wie er auf mich reagieren wird. Ich erinnere mich daran, wie er auf mich wartete, als ich nach der Anti-Terroroperation kam. Nun weiß ich nicht, wie das alles laufen wird, Ich werde je nach Situation handeln.

Wissen Sie, meine Mutter ist die Beste und meine Schwiegermutter ist meine liebe Schwiegermutter. Ich habe meiner lieben Schwiegermutter meine Lieblings-Lebertorte bestellt. Meine Schwiegermutter bereitet so eine Lebertorte zu, die nicht zu vergessen ist. Das ist Festtagskost, sonst führe ich einen gesunden, sportlichen Lebensstil.

Sie wurden vollständig von sämtlichen Anschuldigungen freigesprochen, alle Beschränkungen sind aufgehoben worden. Sie sind ein freier Mensch, Sie kehren in die Ukraine zurück. Planen Sie, jemals wieder nach Italien zu kommen? Haben Sie einen Wunsch nach dem, was Ihnen widerfahren ist?

Man muss nicht das ganze Land, das ganze Volk nach den Handlungen einzelner Menschen beurteilen. Das wäre ungerecht. Obwohl ich im Namen des italienischen Volkes verurteilt wurde, werde ich dieses Spiel nicht spielen. Also ich möchte in erster Linie, dass es endgültig vorbei ist. Ich werde mit meinen Anwälten reden und wir werden weitermachen. Meine Mutter, meine Schwester, mein Stiefvater sind hier in Italien.

DANK GROSSER UNTERSTÜTZUNG

Ihnen wurden drei Jahre des Lebens genommen. Sie haben sie im Gefängnis verbracht. Jetzt, als Sie freigesprochen wurden, werden Sie sich an das Gericht wenden? Was werden Sie als Nächstes tun?

 Natürlich müssen die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden. Ich bin überzeugt, dass die Leute, die wussten, dass ich nicht schuld war, einfach nichts gesagt haben. Das wird nach Rücksprache mit meinen Anwälten geschehen und wir werden unter den Umständen weiter handeln. Man hat versucht, mich nicht nur als einen Menschen, sondern auch als einen Militärangehörigen zu verleumden. Ich wurde zu einem Menschen gemacht, der nichts respektiert, keine menschlichen Gesetze, keine Militärdoktrin, überhaupt der Mensch der Gesetzlosigkeit. Durch meine Ausdauer, meiner Erziehung, meine Disziplin habe ich gezeigt, was ich wert bin und welche Ideale mir die Möglichkeit gegeben haben, all diese Herausforderungen zu bestehen.

Was sind Ihre nächsten Pläne nach der Rückkehr in die Ukraine? Eine Kriegskarriere? Planen Sie ein Baby?

Natürlich, die Lösung des demografischen Problems haben wir  bereits mit meiner Ehefrau besprochen... Das wird einer der ersten Schritte sein.

Und was meine weiteren Pläne angeht, bin ich Soldat, also werde ich meinen Dienst fortsetzen und wir werden dort unter den Umständen weitermachen.

Vitali, die letzte Frage und ich lasse Sie zu Ihren Angehörigen gehen. Was hat Ihnen geholfen, dies alles im Gefängnis zu überstehen? Körperübungen, Bücher?

Zu überstehen? Dank der großen Unterstützung... Insbesondere der ukrainischen Diaspora. Es war alles patriotische Erziehung, ukrainische Schriftsteller... Es war meine militärische Disziplin, mein Streben nach sportlicher Entwicklung, weil ein gesunder Geist in einem gesunden Körper wohnt. Dank meiner Familie, der Gemeinde in Italien, allen nicht Gleichgültigen fühlte ich mich emotional sehr unterstützt.

Iryna Drabok, Den Haag

Foto: Ewhen Kotenko, Ukrinform

nj

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