Andrij Tarasow, Vizeadmiral, erster stellvertretender Kommandeur der Seestreitkräfte der Ukraine
Ich habe viel nach der Annexion der Krim verloren und eine unglaubliche Freiheit gewonnen
28.02.2020 18:20

Der Beginn der Annexion der Krim wird unterschiedlich datiert. Einige sind der Meinung, dass die Sonderoperation am 23. Februar 2014 mit einer großen Kundgebung in der Stadt Sewastopol begann, als ein russischer Staatsbürger zum Bürgermeister ausgerufen wurde. Die anderen schreiben, dass die Einnahme des Parlaments der Krim am 27. Februar ein unumkehrbarer Wendepunkt war. Offiziell kam aber die Hand Moskaus auf der Krim am 1. März zur Erscheinung, als Putin bei dem Föderationsrat der Russischen Föderation die Entsendung der russischen Truppen auf die Krim beantragte.

Damals befand sich Andrij Tarasow, Kommandeur des Zentrums für Seeoperationen der ukrainischen Marine, auf der Fregatte „Hetman Sahaidatschnyj“. Das Schiff kehrte aus dem Golf von Aden zurück, wo es im Anti-Piraterie-Einsatz war. Dann wurde Tarasow zu einer der zentralen Figuren unserer Marine auf der Krim.

Wir haben uns mit dem Vizeadmiral und dem ersten stellvertretenden Kommandeur der Seestreitkräfte der Ukraine getroffen, als er dienstlich aus Odesa nach Kyjiw kam.

„Uns war klar, dass wir in ein anderes Land zurückkehren und dass es ein Krieg ist“

Andrij Andrijowytsch, gehen wir zurück ins Jahr 2014. Sie sind auf dem Schiff „Hetman Sahaidatschnyj“ und kommen gerade von einem Einsatz gegen Piraterie im Golf von Aden zurück. Auf dem Weg erfahren Sie über die Lage auf der Krim, was geschah weiter?

Wir haben noch während des Einsatzes den ganzen Februar die Ereignisse auf dem Maidan verfolgt. In den tragischen Tagen mussten wir gerade aus Dschibuti auslaufen, blieben noch absichtlich im äußeren Hafen, um den Zugang zu Internet zu haben und zu verfolgen, was in der Ukraine passiert.

Uns war klar, dass wir in das Land zurückkehren, das sich ändert. Ende Februar machten wir einen Zwischenstopp auf der Kreta. Das Parlament auf der Krim wurde schon besetzt, unsere Stützpunkte blockiert. Wir haben Telefonate mit unseren Kameraden auf der Krim geführt und gewusst, dass es ein Krieg ist, dass aktive Kampfhandlungen eine Frage der Zeit sind. Deswegen haben wir unsere Route (wir haben uns entschieden, nach Odesa und nicht in den Hafen auf der Krim) so geplant, um Begegnungen mit überlegenen Kräften des Feindes zu vermeiden. Es gab keinen Sinn, auf der Kreta weiter zu warten, weil die Situation nicht so aussah, dass sie sich bald ändert. Es gab auch keinen Sinn, in den Hafen von Sewastopol zurückzukehren. Ein Schiff ist am Pier nicht einsatzfähig, wir wussten, dass die Rückkehr in Sewastopol eine Falle ist. Es gab keine Wahl, wir hatten die Möglichkeit, nur nach Odesa zu fahren. Es wurde eine Entscheidung getroffen, nach Odesa zu fahren und der damalige geschäftsführende Verteidigungsminister der Ukraine Tenjuch akzeptierte diese Entscheidung. Ich kehrte nach Odesa zurück und dann fuhr auf die Krim.

Hatten Sie Angst vor der Rückkehr?

Was bedeutet das, Angst zu haben? Ich musste dort sein, wo ich musste sein. Ich konnte nicht im Rang des Admirals auf dem einzigen Schiff bleiben, ich musste dort sein, wo die Seestreitkräfte sind. Ich wurde unter dem Kommando des Marinechefs Haiduk gestellt.

Sind Sie leicht auf die Krim eingereist?

Wir sind mit einem Auto gefahren, ich stamme aus Donezk, mein Familienname ist russisch, deswegen konnten wir die Kontrollposten ohne Probleme passieren. Dann habe ich das Zentrum für operative Kampfunterstützung, die 36. Brigade der Küstenwache in der Ortschaft Perewalske besucht, ich war auf dem Marinestützpunkt Sewastopol in der Strilezka-Bucht. Ich habe mit Kommandeuren gesprochen, darunter mit denen, die sich auf den Schiffen befanden...

Am 7. März waren die Militäreinheiten blockiert. Gegen sie wurden „demonstrative Aktionen“ und Scheinangriffe durchgeführt. Die Russen wurden zum Beispiel in einer Nacht ihre Kräfte in Einsatzbereitschaft versetzt, Schützenpanzer wurden ausgerückt, Scharfschützen nahmen ihre Positionen ein, sie simulierten den Angriff. Es wurde ein Ultimatum gestellt, Waffen zu niederlegen und keinen Widerstand mehr zu leisten. Ich wollte mich persönlich ein Bild vor Ort machen, zu verstehen, wie sich die Lage um die Militäreinheiten einwickelt, wollte alles mit eigenen Augen sehen. Ein Telefongespräch kann einen eigenen Eindruck nicht ersetzen. Darüber hinaus wurden Telefonate durch russische Sondereinheiten, die rund um die Uhr im Einsatz waren, abgehört. Unter diesen Umständen war es sehr schwer, vertrauliche Informationen zu übermitteln und zu erhalten.

Wie konnten Sie diese Tage überstehen? Es war offensichtlich, dass wir verlieren, dass die Krim für Dutzende Jahre abgespalten wird?

Ich wusste, dass es der Kriegt ist. Bei meinem ersten Besuch auf die Krim war ich nicht zu Hause, weil ich Voraussetzungen nicht schaffen wollte, dass meine Angehörige mich beeinflussen werden. Ich habe aber angeordnet, meine Tochter in die von der Regierung kontrollierten Gebiete zu bringen. Unter den damaligen Umständen konnten die Kommandeure nach eigenem Ermessen nicht handeln. Manchmal sagt man uns, dass Kommandanten eigene Schiffe versenken mussten. Was bedeutet das, zu versenken? Dann würde das Ermittlungsbüro Ermittlungen einleiten, warum wurden die Schiffe versunken? De jure gab es keinen Krieg.

Andererseits ist das Schiff am Pier nicht einsatzfähig. Ich bin auch heute überzeugt, dass Kommandeure, die ihrem Eid treu blieben, haben alles Mögliche getan, was sie konnten. Wir wurden provoziert, Waffen einzusetzen. Sie wollten einen Vorwand für die Invasion auf das ukrainische Festland haben.

Erinnern wir uns daran, wie die Gruppen für die Blockade der Militärstützpunkte gebildet wurden. Nach Außen sah das als eine Aktion von Zivilisten zur Unterstützung Russlands aus. Taktisch sah das so aus: in der ersten Reihe lautstarke aktive Frauen, Anhänger Russlands, die Lärm produzierten, es gab Männer, „sprechende Köpfe“, die in der Nähe stehen und werfen Thesen über Faschisten, Anhänger von Stepan Bandera, Besatzer. Wenn jemand gegen diesen „sprechenden Kopf“ gewinnt, taucht ein Koordinator und bringt mit sich den anderen „sprechenden Kopf“. Es gibt eine Menge von Leuten, eher eine passive Massenmenge. Hinter dieser Menge gibt es eine Gruppe von jungen Männern, die für Gedränge sorgen. Hinter diesen Männern sind andere Männer, die sich nicht einmischen, sind aber bereit, wenn zu einer Auseinandersetzung kommt. Und auf den Dächern sind andere Männer, vielleicht Scharfschützen, die ein Blutvergießen „gewährleisten“ können und eine unkontrollierte Situation zu schaffen. Der Stab der Marine wurde auf dieser Weise eingenommen.

Später im Donbass handelte man auf gleicher Weise. Unsere Kameraden aus anderen Teilstreitkräften haben aber eine Lösung gefunden, wir das zu bekämpfen hat. Das war aber später. Wird waren damals aber im Kessel. Die Bestätigung dessen, dass wir ihren Plan geändert haben, ist die Tatsache, dass der Termin eines Referendums zweimal vorgezogen wurde.

„Beresowskyj ist kein Marinechef sonder eine Eintagsfliege“

Auf ihrem Schiff „Hetman Sahaidatschnyj“ ist der Prozent der Verräter am niedrigsten... Wie kann das sein, dass der Marinechef Beresowskyj seinen Eid brach und ihre Untergebenen nicht?

Dieser Marinechef ist eine „Eintagsfliege“. Er beging einen Verrat am nächsten Tag nach seiner Ernennung. Bei der Marine ist er als Chef anerkannt. Aber was wahr ist muss auch wahr bleiben. Diese Tatsache ist in unseren Chroniken verzeichnet. Wie auch, dass andere Leute blieben oder den Eid leisteten...

Es gibt kein einheitliches Bild eines Verräters oder eines Deserteur. Es gibt Menschen, die aus der Krim stammen, dessen Eltern dort blieben, (ich hoffe, dass sich die durch Krieg zerstörte Beziehungen verbessern) und welche mit ihren Ehefrauen in die Ukraine übersiedelten. Es gibt auch die Leute, die ihr ganzes Leben ukrainisch sprachen und eine klare ukrainische Identität hatten und die in die russische Armee eintraten. Bei Beurteilungen muss man verstehen, dass es eine einwandfrei geplante militärische Operation war, die jahrelang vorbereitet wurde. Für die Russen war das wichtigste, das Fundament der Verteidigung der Krim, die Seestreitkräfte, zu zerstören. Die wichtigste Ausgabe zu dem damaligen Zeitpunkt war die Zerstörung des Führungssystems und durch den Verrat von Beresowskyj gelang das ihnen. Hätte er weiter die Hebel der Führung in der Hand gehabt, wäre die Situation etwas anders gewesen. Wie konnten sie nicht grundlegend ändern, weil man in den ersten Tagen auf die Änderung der Situation und die Besetzungen reagieren musste. Der Verrat von Beresowskyj führte aber dazu, dass die Führung diskreditiert wurde. Jeder Kommandeur musste nach eigenem Ermessen handeln.

Obwohl die Versuchung, zu verallgemeinern, zu vereinfachen und einseitig beurteilen, wie z.B. die Krim wurde von Einheimischen übergeben, wie Separatisten, groß ist, muss man ihr widerstehen.

Ich stamme aus Donezk, ich bin dort geboren und aufgewachsen, die Stadt war immer ukrainisch, auch wenn es dort keine einzige ukrainische Schule gab. Ich bin als Patriot in Donezk erzogen worden.

Das ist aber unsere Geschichte, die immer bleiben wird, dass zwei Drittel der Militärangehörigen auf der Krim blieben. In den Militärverbänden waren Leute, die bereit waren, zu handeln, sie wussten aber, dass neben ihnen steht jemand, der Widerstand verhindern wird. Es waren Kommandeure, die die Menschen vereinen konnten, wie Juri Holowaschenko (Brigadekommandeuer fasste den Beschluss, zu Russland überzulaufen, wenn die Russen bleiben werden, Juri Holowaschenko weigerte sich und das Personal folgte ihm), der Kommandant des Schiffes „Tscherkasy“, der Widerstand leistete. Und Widerstand von meinen Kameraden ist auch unsere Geschichte wie auch der Verrat der anderen.

Die Ursachen, warum das passierte, wurden viel analysiert. Man muss aber hier noch einmal daran erinnern, dass seit 2012-2013 in der Marine nur Vertragssoldaten dienten. Die Soldaten verdienten nicht viel (auf der Krim verdienten sie aber mehr als in den anderen Regionen der Ukraine. Die Gehälter der Militärangehörigen der Schwarzmeerflotte (der Russischen Föderation – Red.) waren viel höher. Ich verdiente 11.000 Hrywnja, die Russen auf dem gleichen Posten 10 Mal mehr. Die Tatsache, dass die Offiziere keine Wohnungen hatten, spielte auch eine Rolle.

Ich kenne die Offiziere, die ihren Eid brachen, weil sie unter Einfluss der Familien blieben, weil sie dort heirateten...

Stehen sie also unter dem Pantoffel?

Sind sind eher Geiseln.

Sie mussten sich über eine Scheidung entscheiden, über das Verlassen der Kinder und einen Umzug ins Nirgendwo mit unbekannten Perspektiven. Nicht viele Leute können diesen Schritt wagen. Und ich kenne die Leute, die diesen Verrat nicht leicht begangen. Das war eine schwere Wahl. Entweder wirst du die Heimat verlassen und die Identität verlieren oder wirst du die Familie verlassen, auf das Festland umziehen und dann hast du keine Möglichkeit mehr, mit Kindern zu kontaktieren. Einige von Offizieren hatten schon sechs Jahre lang keine umfassenden Kontakte mit Kindern, manche können zu Beisetzung der Eltern nicht reisen. Es ist ein großer Segen, wenn die Familie den Offizier unterstütze, es gab auch, dass sie ihre gut ausgestatteten Wohnungen verließen.

„Mit uns zogen auf das Festland auch Militärpensionäre, die ihr ganzes Leben auf der Krim wohnten“

Das ist natürlich ein riesiger Komplex von Problemen, aber die Leute, die ihre Wahl trafen, sind ehrlich zu sich selbst, zu ihrem Gewissen und zu ihrem Eid und bereuen nicht, was sie getan haben. Ich frage Offiziere oft danach und sie antworten, sie konnten das noch einmal tun. Außerdem kehren nach der Pensionierung Einzelne auf die Krim zurück. Darüber hinaus einige von unseren Rentnern, die in den Ruhestand versetzt wurden und in Sewastopol geboren und aufgewachsen sind, zogen mit uns auf das ukrainische Festland und wohnen hier und arbeiten weiter.

Blut ist kein Wasser...

Das ist nicht über das Blut. Es gibt Vorfälle, wenn reinblütige Ukrainer dort blieben. Und die Leute, die auf der Krim geboren und aufgewachsen sind, übersiedelten. Ein Rentner reiste sogar gemeinsam mit den Seestreitkräften aus, er war Mitarbeiter des Marinekommandos und bleibt auch der Mitarbeiter des Marinekommandos.

Der erste März. Die Russen beginnen mit der Blockade unserer Stützpunkte. Das war der Anfang des Falls unserer Marine, der Tag des Widerstands oder der Tag ihres Nullsetzens oder ihrer Geburt?

Die Seestreitkräfte wurden hart gereinigt, nicht viele verließen die Krim, das sind aber die Leute, mit denen wir mit dem Wiederaufbau der Seestreitkräfte 2014 begannen. Ich habe 200 Prozent Vertrauen in sie. Ich habe Freunde auf der Krim verloren, weil sie mich verraten haben und die sind jetzt für mich gestorben, ich habe sie aus meinem Leben gestrichen, ich habe keine Kontakte mit ihnen, ich interessiere mich nicht dafür, was mit ihnen passiert. Es gibt aber Offiziere, früher kontaktierte ich sie dienstlich nie, plötzlich sieht das so aus, als ob wir verwandt sind, weil wir viel erlebt haben und bleiben treu, ich weiß, dass er mich nicht verraten wird, das ist sehr wichtig. Deswegen ist die Erneuerung des Kollektivs und das, war wir im Laufe von diesen 6 Jahren gemacht haben, das war nicht so viel, aber wir haben das Führungssystem wiederaufgebaut, wir beginnen mit dem Wiederaufbau der Seestreitkräfte der Streitkräfte der Ukraine, wir haben eine Strategie, eine Vision der Entwicklung erarbeitet.

Übrigens, die Strategie der Seestreitkräfte hat mit gefallen. Sie ist kurz (maximal 15 Blätter), deswegen ist sie leicht zu lesen und Sie setzen sich meiner Meinung nach realistische Ziele. Um es kurz und in einfache Worte zu fassen, sieht die erste Etappe bis 2025 so aus: Es wird kleine Flotte aufgestellt, zum Schutz der Häfen, der Küstengebiete und angrenzenden Gewässer, verstehe ich das richtig?

Die Strategie sieht vor, dass wir auf der ersten Etappe die Kontrolle über die Situation auf See wiederherstellen. Das ist die Situationsbeobachtung, dass man unsere Kräfte rechtzeitig in Einsatzbereitschaft versetzen kann, unsere Küstenartillerie, weil das am schnellsten ist. Also wir haben Kräfte, die die Landung des Gegners an der Küste verhindern können.

Also, russische Landetruppen werden Odesa nicht einnehmen, wenn es dazu kommt?

Nein. Wir haben genug Kräfte, um die Landung abzuwehren. Wir müssen aber die solche Strategie realisieren, dass der Gegner zur unserer Küste nicht annähern kann. Das ist die Aufgabe der aktuellen Etappe. Man darf die Situation nicht zulassen, dass der Gegner mit der Landung beginnt, er darf die Küste von der See nicht erreichen. Das ist das Wesen der ersten Etappe.

Dazu muss das System der Beobachtung wiederhergestellt werden, Kräfte aufzubauen, den den Feind abschrecken werden, der Schutz von Häfen zu gewährleisten, weil das unsere Arterie ist, die Handel, Gewinn gewährleistet. Wir werden unser Recht auf das Asowsche Meer und die Straße von Kertsch zurückbekommen.

Es ist klar, dass wir mit der Russischen Föderation das Gleichgewicht der Seestreitkräfte nicht erreichen werden. Man muss aber nicht sagen, dass wir sie nicht besiegen werden. Wir müssen asymmetrisch handeln, solche Waffen einsetzen, für die die Russen nicht bereit sind.

Man muss verstehen, dass es auch gewisse Einschränkungen für ihre Flotte gibt, darunter als Folge Sanktionen. Darüber hinaus gibt es auch Propaganda. Ich will auf keinen Fall behaupten, dass ihre Flotte schwach ist, die Gerüchte über ihre Stärke sind oft übertrieben. Manchmal ist es nur ein Wunschdenken. Wir müssen die Moskitoflotte haben, die entschlossen und schnell handeln und angreifen und dann sich schnell zurückziehen kann.

Das betrifft nicht nur Raketenboote, das betrifft Küsten-Raketenkomplexe. Wir verstehen, wie die Flotte gebaut und wie sie unter Bedingungen des stärkeren Gegners eingesetzt werden kann. Wir streben doch keine Landung in Noworossijsk an, wir wollen die Landung des Gegners verhindern und perspektivisch die Rückkehr der Krim gewährleisten.

Es gibt eine Reihe von Fragen zum Schutz unserer Interessen auf See. Wir haben zwei Boote ins Asowsche Meer über den Landweg transportiert, danach wurden die Durchsuchungen von Schiffen durch die Russen gestoppt. Das ist das Gleichgewicht der Kräfte. Selbstverständlich müssen wir auch ständig in den sensiblen Gebieten des Schwarzen Meers präsent sein. Dazu brauchen wie Schiffe mit ausreichender Seetüchtigkeit und Autonomie. Ich spreche hier nicht über Kreuzer oder Zerstörer, aber eine nicht große mehrzweckige Korvette, entwickelt für die Operationen im Schwarzen Meer, werden wir auf jeden Fall brauchen. Wie müssen sowieso unsere Interessen im gesamten Bereich des Schwarzen Meers schützen.

„Ich fühle mich sehr schuldig gegenüber den Krimtataren“

Wie konnten Sie damals während der Annexion den Stress bewältigen? Wie haben sie das verstanden: Sie verlassen die Krim, aber das ist ungewiss, ob das Land bestehen bleibt? Sie wussten das nicht genau...

Klar, ich machte keine Prognose über die Zukunft. Weil ich die Entwicklungen im Donbass verfolgte, die Besetzung des Gebäudes des Sicherheitsdienstes der Ukraine SBU in Kramatorsk beobachtete, dann waren die Ereignisse in Slowjansk. Ich sah mir ständig an, was in Donezk passiert, ich sah, dass die Ukraine aus den Oblasten Donezk, Luhansk verdrängt wird. Gott sei Dank konnten wir Charkiw verteidigen.

Aber ich erinnere mich an einen Tag. Das war Ende März oder Anfang April, Frühlingswetter, ich war sechs Monate nicht zu Hause und endlich kehrte ich nach Hause zurück, vielleicht schien die Sonne, erste Blätter zeigten sich, etwas blühte, das war für mich aber eine düstere Zeit. Ich verstehe, dass es Frühlingswetter war, ich erinnere aber nicht daran, alles erwachte, ich sah aber, wie alles schlimm wird. Als ich nach Hause kam, fragte mich mein Nachbar (er war aus dem SBU und blieb auf der Krim): Wohin bist du? In die Ukraine, sage ich, wo muss ich hin? Er sank einfach den Blick. Was den Stress betrifft... ich hatte keine Zeit, man musste die Leute aus der Krim evakuieren.

Seit dem 1. April wurden zahlreiche Mietverträge einfach gekündigt. Die Bankkarten wurden gesperrt, die Menschen erhielten keine Gehälter, sie hatten kein Geld. In verschiedenen Orten in Sewastopol wurden die Schiffe schon besetzt, doch die Besatzungsmitglieder versammelten sich am Morgen zum Appell. Und heimische Babuschkas, die ihre jungen Jahre in der Sowjetunion verbrachten, informierten die Miliz...

Man musste organisiert die Krim verlassen. Wir haben mit dem Rückzug nach Erhalten des Befehls begonnen. Jeder Tag war gegen uns. Wir haben den Befehl am 3. März erhalten und am 4. März war die erste Kolonne der Marineakademie, Offiziersschüler. Das war die erste organisierte Kolonne bereit, auszureisen. Die Russen hielten diese Offiziersschüler mehrere Stunden, nahmen ihnen Notebooks ab, schikanierten und erniedrigten sie.

Weil sie die Ukraine wählten?

Ich weiß nicht. Aber reden wir auch über etwas Schönes. Wir bekamen eine starke Hilfe. So z.B. half uns Oleh Senzow, auch bei der Ausreise. Wir sind dafür sehr dankbar. Freiwillige Helfer, die Krimtataren halfen uns an allen Orten und bei verschiedenen Richtungen. Das ist sehr ernst. Ich sah mir zum Beispiel den letzten ukrainischen Sender auf der Krim an, der auch nach dem Referendum sendete. Es gab auch ATR, der krimtatarische Sender. Ich sah mir ihn zum ersten Mal an und das war etwas frische Luft nach zwei Wochen der solchen Isolation. Das vergießt man nicht.

Auch die Leute halfen uns auch. Man muss nicht glauben, dass alle auf der Krim die Russen unterstützen, auf keinen Fall! Es gab Leute, die uns Eigentum ihrer Behörde übergaben, sie verstanden, dass die staatliche Behörde bald von einem fremden Land kontrolliert wird.

Computers?

Auch Heizanlagen für die blockierten Militäreinheiten. Wir fühlten uns von der Bevölkerung unterstützt.

Deswegen müssen wir verstehen, dass es dort unsere Leute gibt. Unsere Leute werden dort verdrängt, weil der Zustrom von Russen kommt. Die Leute werden mit allen Mitteln gezwungen, die Krim zu verlassen, in die von der Ukraine kontrollierten Gebiete auszureisen, die Stellen werden durch Russischstämmige ersetzt. Das ist eine Politik, die konsequent betrieben wird, um die demographische Zusammensetzung der Bevölkerung auf der Krim zu ändern. Sie träumen davon, auf der Krim dasselbe zu machen, wie sie aus Ostpreußen die Oblast Kaliningrad machten.

Persönlich fühle ich mich sehr schuldig gegenüber den Krimtataren, die dort bleiben. Sie versuchten, den Widerstand zu organisieren. Sie hielten die erste Kundgebung ab, unterstützen uns. Ich kann ihnen keine Vorwürfe machen, auf keinen Fall. Aber wie können sie Widerstand leisten, wenn die Streitkräfte und der Staat Widerstand nicht leisten? Und jetzt bleiben sie dort, das ist für sie sehr schwer, weil sie sich mit ihrer nationalen Identität gegen die imperialistische Politik, die Russland jetzt betreibt, stemmen.

Ich bin mir sicher, dass wir die Krim zurückholen. Daran muss man arbeiten, das bedeutet nicht, dass wir sie mit Gewalt einnahmen werden. Wir müssen den ganzen Komplex von Maßnahmen treffen, es geht um diplomatische Linie, Rechtsfragen, wirtschaftliche Fragen. Auch die Militärkomponente muss sein, die unsere Bemühungen gewährleistet und unterstützt. Warum fand die Aggression der Russischen Föderation statt? Das war die Folge unserer Schwäche.

Die Briten sagen, dass es ihr Sprichwort besagt: Wir haben die Flotte, deshalb ist nichts passiert. Wir brauchen die Streitkräfte, darunter die Marine, dass so etwas bei uns nie wieder passieren kann. Alle neutrale Länder, Schweden, die Schweiz, haben sich ihre Neutralität hart erkämpft. Wir müssen stark sein, um unsere Interessen zu schützen und die weitere Aggression zu vermeiden. Und sie (die Russen – Red.) verzichteten auf ihre Absichten über die weitere Aggression nicht. Wir haben sie gestoppt und sie suchen Wege, uns im Inneren zu spalten, uns politisch und sprachlich gegeneinander aufbringen.

Haben Sie im Laufe der Kampagne auf der Krim, der Annexion, etwas Wichtiges gelernt? Gab es etwas, vielleicht erwarben Sie ein symbolisches Kapital, gewannen irgendwelche Eindrücke, Überzeugungen. Gibt es etwas, das für Sie wertvoll bleibt?

Alle Barrieren sind weggefallen. Mir sind Posten, Status, materielle Dinge nicht wichtig, ich weiß, wie das zu verlieren ist. Es gibt Dinge, die viel wichtiger als diese sind. Ich habe viel auf der Krim verloren, praktisch die ganze Welt, ich wohnte dort 20 Jahre, alle sind dort bekannt. Ich habe jetzt eine neue Familie, eine Tochter wurde geboren, die ältere Tochter kam nach Odesa, sie wohnt jetzt dort. Also, alles, was bis 2014 war, blieb in der Vergangenheit. Bei mir ist jetzt alles anders, völlig. Ich habe aber die Ehre nicht verloren und deswegen habe ich keine Barrieren. Es ist die innere Freiheit, die ich dort erwarb, ich schätze sie sehr.

Lana Samochwalowa, Kyjiw

Foto von Pawlo Bahmut

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