Angesichts der offen antisemitischen Rhetorik verletzte die nationalsozialistische Partei "Swoboda" den internationalen Anstand und die Union der Radikalen aus Swoboda mit der oppositionellen Partei "Batkiwschtschyna" kann schwerwiegende Folgen für die internationale Reputation und die innere Entwicklung der Ukraine haben. Das erklärte in einem Interview für die Ausgabe «Известия в Украине» („Nachrichten in der Ukraine – Red.) die israelische Politikerin, die ehemalige stellvertretende Regierungschefin und Außenministerin von Israel, Tzipi Livni.
- Ihre Verurteilung der ukrainischen Neonazis führte zu einer großen Resonanz in der Ukraine. Warum haben Sie sich für diesen Schritt entschieden?
- Ich bin der Meinung, dass die israelischen Politiker und der Staat Israel als jüdischer Staat, eine aktive Position überall, wo es Erscheinungsformen von Antisemitismus, Neonazismus und Glorifikation von Naziverbrechern gibt, haben muss.
- In der Ukraine werden sich jene finden, die Ihre Aussage als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes interpretieren werden. Ist es überhaupt richtig, die Beurteilungen für die Volkswahlen aus dem Ausland zu geben?
- Wir mischen uns auf keinen Fall in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes ein, aber wir haben eine klare und eindeutige Position in Bezug auf die Erscheinungsformen von Antisemitismus. Es ist die Pflicht von Israel als Judenstaat.
- Israel wurde das erste Land, dessen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (Botschafter, Politiker) Alarm im Zusammenhang mit dem Durchkommen der radikalen Politiker in die Werchowna Rada geschlagen haben. Dann wurde eine Entschließung des Europäischen Parlaments mit dem Appell an die Parteien des ukrainischen Parlaments, mit der Partei Swoboda nicht zu kooperieren, angenommen. Jedoch verweigerte der Anführer der Vereinigten Opposition, Arsenij Jazenjuk, auf EU-Abgeordneten Meinung zu hören. Wozu kann eine solche Position führen?
- Ich denke, dass jene, wer versucht, Legitimation zu geben, tragen die gleiche Verantwortung wie Swoboda-Partei. Umso mehr ist es schade, dass sich damit die Politiker beschäftigen, die früher durch ihre Mäßigung und ihren Durchblick im internationalen Kontext in solchen Dingen bekannt waren. Die Position von Arsenij Jazenjuk, gelinde gesagt, befremdet. Vor allem, weil gerade Jazenjuk die Aufhebung des Änderungsantrags von Jackson-Vanik (Jackson–Vanik amendment) hinsichtlich der Ukraine anstrebte. Ich erinnere mich auch, dass Jazenjuk selbst ein Opfer von aggressiver Xenophobie während der Wahlkampagne 2010 wurde.
- Warum hat sich in der Ukraine ein solches politisches System entwickelt, bei dem die Parteien, die im Westen als demokratische anerkannt sind, gleichzeitig die nationalistischen Positionen vertreten. (Bekanntlich vereinbarte Timoschenkos Partei Batkiwschtschyna die Koordinierung der Handlungen mit Swoboda)?
- Ich denke, dass sich diese Frage in erster Linie an das Volk der Ukraine, des größten Landes in Europa, mit einer nicht einfachen Geschichte, aus der man viel Lehre ziehen kann, richten soll. Es geht nicht um Swoboda, sondern um das Verhältnis zu ihr seitens der Gesellschaft. Es scheint mir, dass keine, sogar die schwierigste politische Situation in der Welt eine solche Union rechtfertigen kann. Das gleiche gilt für die Versuche, die Geschichte vom Zweiten Weltkrieg zu überprüfen, die Naziverbrecher zu rechtfertigen. Wir schätzen sehr hoch den Beitrag des ukrainischen Volkes zum Sieg über Hitler. Bei uns entwickelten sich die freundschaftlichen Beziehungen mit der Ukraine, und ich denke, dass die Menschen, die während des Zweiten Weltkrieges mit den Nazis kooperierten, verrieten vor allem ihr ukrainisches Volk, gegen das sie gekämpft hatten. Mir fällt es schwer, zu begreifen, wie man aus solchen Leuten Nationalhelden machen kann. Die Ukrainer selbst verstehen sehr gut, wer für die Ukraine während des Zweiten Weltkrieges kämpfte und wer die nationalen Interessen des ukrainischen Volkes verriet und wer mit den Nazi-Besatzern kooperierte.
- Wie sollen sich die Politiker der Länder Westeuropas und der Vereinigten Staaten gegenüber dieser Partei im Parlament verhalten? Einige Abgeordnete der Werchowna Rada schlagen vor, die Vertreter der Partei Swoboda als "Nicht-Händedruckende" erklären und rufen die westlichen Politiker auf, sich mit ihnen nicht zu treffen. Wie effektiv kann ein solcher Schritt werden?
- Ich denke, dass ein solches Phänomen wie die totalitäre nationalsozialistische Partei "Swoboda" ohne Aufmerksamkeit und Reaktion seitens der internationalen Öffentlichkeit nicht bleiben darf. Beachten Sie, dass sogar die radikalsten Parteien Europas auf die Kooperation und Kommunikation mit Tjahnybok verzichtet haben. Unter ihnen sind sogar die französischen Rechtsextremisten aus der Partei Marine Le Pen und die ungarische Partei "Jobbik". In unserer heutigen Welt gibt es eigene festgelegte Regeln des Anstands, seine Rechte der historischen Erinnerung. Diese Gesetze und Regeln verletzten Tjahnybok und seine Partei.
- In der Ukraine hört man schon die Ideen, dass Europa, die USA, Israel so etwas wie "Sergei Magnitsky Rule of Law Accountability Act" in den Vereinigten Staaten annehmen müssen, gemäß dem die Einreise in demokratische Länder für die Politiker mit den nazistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Überzeugungen verboten werden muss. Stimmen Sie einer solchen Initiative zu?
- Ich bin für die Annahme aller möglichen Unterbindungsmaßnahmen für die Neonazis und deren Aktivitäten.
- Es ist kein Geheimnis, dass im Westen und im Osten der Ukraine völlig unterschiedliche Helden sind. In Lemberg sind die Straßen nach Schuchewytsch, Konowelez genannt, auf den Plätzen stehen ihre Denkmäler. Die Tätigkeit der nationalistischen Organisation UPA in 30-50-er Jahren wird als Heldentat des ukrainischen Volkes im Unabhängigkeitskampf wahrgenommen. In Luhansk, Donezk und Dnipropetrowsk dagegen hält die Mehrheit der Bevölkerung sie für Verbrecher. Wie soll die Ukraine diese unterschiedlichen Standpunkte vereinigen?
- Ich bin gegen die Benennung von Straßen nach solchen Namen. Ich bin keine Politikwissenschaftlerin und keine Spezialistin für ukrainische Politik. Ich bin keine Historikerin. Ich bin eine Politikerin, die auf Probleme reagiert. Als Politikerin, als ehemalige Leiterin des israelischen Außenministeriums weiß ich, dass es in jedem Land mindestens zwei Länder gibt, die sich voneinander unterscheiden. Das sind zwei vorgeschlagene Erzählungen, zwei verschiedene, manchmal fast parallele Diskurse. Das sind zwei verschiedene Bilder des Landes, zwei verschiedene Versionen der Geschichte. Das sind zwei unterschiedliche Bilder der Vergangenheit und der Zukunft, die dem Volk angeboten werden. Und gerade das Volk soll entscheiden, welches Bild des Landes es wählt. Weil nur das Volk für die falsche Entscheidung bezahlen muss. Und die Bezahlung kann sehr hoch sein. Da aggressive Xenophobie, Propaganda des Hasses gegen andere Völker, der Aufstieg des Neonazismus keine billigen Dinge sind, die für die Wirtschaft, die staatliche Entwicklung und die internationalen Beziehungen sehr teuer kosten können.
yv