Im März ernannte der Präsident Generalmajor Andrij Hnatow zum Chef des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte. Er hat 30 Jahre Militärerfahrung und kommandierte eine Marinebrigade, Truppen des Einsatzkommandos „Schid“ und die Vereinigten Streitkräfte der Ukraine. Jetzt ist Hnatow nach dem Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Oleksandr Syrskyj, der zweite Mann in der militärischen Kommandostufenleiter.
Ende Januar hielt Präsident Selenskyj eine Sitzung des Oberkommandos Stawka ab, deren Hauptthemen der Plan für den Übergang zur neuen Organisationsstruktur der Streitkräfte der Ukraine und die Bildung von Korps waren. In welchem Stadium ist dieser Prozess jetzt und inwieweit ist diese Aufgabe abgeschlossen?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Übergang der Streitkräfte der Ukraine zur Korpsstruktur abgeschlossen. Alle neu gebildeten Korps erfüllen bereits Aufgaben in der Zusammensetzung bestimmter Gruppen.
Natürlich gibt es Nuancen hinsichtlich der Personalausstattung, der Ausbildung und der bereits stattfindenden Veränderungen innerhalb dieser Strukturen. Wir verstehen doch, dass sich ein so großer und komplexer Mechanismus wie die Streitkräfte der Ukraine ständig verändert und einige organisatorische Maßnahmen ständig getroffen werden. Ich möchte ergänzen, dass der Generalstab umfangreiche Arbeit für die gleichzeitige Ausbildung aller zehn neu gebildeten Korpsabteilungen organisiert und gemacht hat. Dies erforderte natürlich erhebliche Anstrengungen, insbesondere unter Einbeziehung der am besten ausgebildeten Vertreter der ukrainischen Streitkräfte. Auch Ausbilder aus Partnerländern waren an der Ausbildung des Personals der Korpsabteilungen beteiligt.
Übrigens konnten dank der Umsetzung der Korpsreform die Pläne des Feindes für schnelle Offensivaktionen in den Gebieten Donezk, Charkiw, Saporischschja usw. nicht umgesetzt werden.
Die Verwaltung der neu geschaffenen Korps wurde bis zu den festgelegten Kennzahlen komplettiert, was die Erfüllung von Kampf- (Sonder-)Aufgaben gemäß deren Bestimmung ermöglicht.
Was die Veränderungen in der Organisationsstruktur der Streitkräfte betrifft, so werden gleichzeitig weitere Maßnahmen durchgeführt, insbesondere die Schaffung von Sturmtruppen und Cyberstreitkräften der Streitkräfte der Ukraine.
Eine dringende Frage ist immer Personal. Dementsprechend können wir nicht umhin, nach personellen Veränderungen zu fragen, die in den Korps 17 und 20 stattgefunden haben (der Oberbefehlshaber der Streitkräfte hat beschlossen, Wolodymyr Silenko und Maksym Kituhin, die die Korps 17 bzw. 20 befehligten, aus ihren Ämtern zu entlassen – Anm. d. Red.). Sind weitere Veränderungen geplant?
In den Streitkräften der Ukraine wurden die Kommandos der 3., 14., 15., 16., 17., 18., 19., 20. und 21. Armeekorps sowie des 8. Korps der Luftlandetruppen gebildet. Diese Korps wurden bereits an die entsprechenden operativen Kommandos der Landstreitkräfte der ukrainischen Streitkräfte und das Kommando der Luftlandetruppen der ukrainischen Streitkräfte übergeben.
Was die personellen Veränderungen betrifft, so handelt es sich dabei um einen dynamischen Prozess, und unter den Bedingungen der Kampfhandlungen vollzieht sich alles recht schnell, da es sehr schwierig ist, mit 100-prozentiger Sicherheit zu sagen, dass eine bestimmte Person mit Belastung im Kampf fertig wird.
Ich möchte betonen, dass in den Streitkräften aktiv Ansätze eingeführt werden, die auf die Erweiterung der Autonomie der Kommandeure auf taktischer und operativer Ebene abzielen. Zu diesem Zweck werden Führungskurse verschiedener Stufen angeboten und die Planungsstandards aktualisiert. Nach und nach wird eine neue Generation von Kommandeuren – Offiziere mit direkter Kampferfahrung – in das Führungssystem integriert.
Das heißt, es wird noch personelle Veränderungen geben?
Natürlich.

Herr General, wie verändert sich die Rolle der Kommunikation in der Armee, beispielsweise zwischen dem Kommando und den Untergebenen? Gehen wir zu einem demokratischeren Kommunikationsstil über?
Eine gute Frage.
Wenn ich zum Beispiel meine Zeit als junger Offizier und meinen Eintritt in die Armee mit der damaligen Kommunikation und den damaligen Beziehungen vergleiche, kann ich Ihnen sagen, dass wir einen Marathonlauf hinter uns haben. Und ich bin der Meinung, dass sowohl die Geschäftsleitung als auch die Einheiten derzeit ausreichend offen sind und sowohl über ihre Erfolge als auch über ihre Misserfolge mutig berichten.
Was ich noch erwähnen möchte, ist, dass viel getan wurde, damit keine Fragen offen bleiben, die in der Gesellschaft aufkommen. Nun, zunächst einmal hängt dies mit verschiedenen negativen Situationen zusammen, die natürlich von Zeit zu Zeit auftreten – seien es Angriffe des Feindes, die Opfer gefordert haben, oder Straftaten, die von Soldaten begangen wurden. Und ich finde es gut, wenn die Leute verstehen, dass die Streitkräfte keine perfekte Organisation sind, sondern vor allem eine große, komplexe Struktur, die sich verändert, ständig reformiert wird und dabei schwierige Kampfaufgaben erfüllt.
Es ist naiv zu glauben, dass Menschen, die gestern noch Zivilisten waren und verschiedenen Tätigkeiten nachgingen, heute in Uniform beim Militär dienen, und dass sie sofort zu perfekten, disziplinierten Soldaten wurden. So etwas gibt es natürlich nicht. Das ist ein komplizierter Prozess.
Halten Sie angesichts der veränderten Taktik des Feindes auf dem Schlachtfeld im letzten Jahr für notwendig, neue Fähigkeiten und Fertigkeiten in die Ausbildung von Soldaten aufzunehmen?
Bei der Sicherstellung der Einsatzbereitschaft von Soldaten für die Erfüllung von Kampfeinsätzen konzentrierte man sich auf die Vorbereitung ihrer psychischen Belastbarkeit für den modernen Kampf mit all seinen komplexen Besonderheiten. Früher gab es nur ein Programm, das jahrzehntelang galt, heute hingegen finden ständig Änderungen statt, da sich die eingesetzten Waffen ständig weiterentwickeln. Wenn sich also die Waffen und Taktiken ändern, ändern sich auch die Anforderungen an die Ausbildung.
Darüber hinaus haben wir uns bei der Vorbereitung der Soldaten auf den Kampfeinsatz auf die Stärkung ihrer psychischen Widerstandsfähigkeit konzentriert. Zu diesem Zweck wurde die Dauer der allgemeinen Grundausbildung von 30 Tagen auf bis zu 51 Tage verlängert.
So wurde die Zeit für die Bearbeitung von Fragen zur Kampfausbildung, taktischen Medizin, Ingenieurausbildung, militärischen Topografie und Grundlagen der elektronischen Kriegsführung verlängert. Darüber hinaus wird nach Abschluss der allgemeinen Grundausbildung und der Ankunft in den Militäreinheiten innerhalb von zwei Wochen ein Anpassungskurs für Soldaten durchgeführt.
Ein ebenso wichtiger Bestandteil des Ausbildungssystems ist die Verbesserung des Ausbildungsniveaus des Personals und der Koordination der Stäbe insgesamt.
Natürlich schicken wir die zu Vorbereitungskursen an Militärschulen oder sie werden von mobilen Trainigsgruppen ausgebildet. Wir haben außerdem standardisierte taktische Planungsverfahren laut den NATO- Standards in das Lernprogramm eingebaut. Auf der Abschlusseetappe der Koordination von Einheiten werden zweistufige praktische Stabsübungen durchgeführt, wo Teilnehmer für Situationen trainieren, wo sie den Drohnenangriffen und EKF- Mittels ausgesetzt werden. Es ist sehr wichtig, dass Soldaten keine Angst vor verschiedenen Luftzielen haben, damit sie eine richtige Position aussuchen, sich tarnen und das Schlachtfeld beobachten können, ohne von gegnerischen Trappen entdeckt zu werden.
Werden die Soldaten der neugebildeten Sturmtruppem anders ausgebildet?
Es handelt sich um die schwierigste Aufgabe für Infanterie- eine gut verteidigte feindliche Stellung anzustürmen. An die Soldaten werden sehr hohe Anforderungen gestellt- vieles hängt vom psychologischen Zustand ab - man muss auf solche Aktionen verbreitet sein- dazu gehören Interoperabilität innerhalb einer Einheit, Fähigkeit, in kleineren Gruppen zu agieren, darunter unter ständigem Drohneneinsatz durch den Gegner.
Deswegen werden die Sturmtruppen nach einem etwas anderem Ausbildungsprogramm trainiert. Im Vordergrund stehen Angriffs- und Sturmoperationen. Die werden dabei mit allem notwendigen Kriegsgerät und Waffen ausgestattet.
Das Menschenleben steht für das Kommando der Streitkräfte im Vordergrund – deswegen wird immer mehr Fokus auf umfassende Vorbereitung, Vermittlung von Kampferfahrungen, Durchführung einer Analyse von Kampfeinsätzen (After Action Reviews), Implementierung von technologischen Lösungen wie unbemannte Flugsysteme usw.

Mit Rücksicht auf die Spezifik von Luftsturmbrigaden und Sturmtruppen wäre es sinnvoll, ein differenziertes Besoldungssystem oder Gehaltszuschlag für Soldaten und Offiziere, die in diesen Truppen dienen, vorzusehen?
Ja, natürlich. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, an welchen Programmen wir derzeit arbeiten. Heute hat der Präsident der Ukraine erklärt, man arbeite an einer Gehaltserhöhung für Soldaten, es werden verschiedene Besoldungsmechanismen vorgesehen, wo vieles vom Beruf, von Ausbildungsdauer abhängen wird. Es ist doch klar, dass ein Soldat, der weniger schwierige Aufgaben erfüllt, einen niedrigeren Gehalt bekommt, als ein F-16 Pilot, der eine lange Ausbildung machen und bestimmte gesundheitliche Kriterien erfüllen muss.
Blackout in Moskau (Präsident Selenskyj erklärte, ein Blackout in ;Moskau könne unsere Antwort auf russische Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur sein). Die Frage ist, ob wir entsprechende Möglichkeiten und Waffen haben, um einen Blackout in Moskau herbeizuführen?
Auf jede Handlung unseres Gegners wird eine symmetrische Antwort geben. Das, was der Präsident gesagt hat, war absolut richtig. Wir werden Möglichkeiten und Waffen finden, um bei Bedarf solche eine Operation durchzuführen. Den Russen soll klar werden, dass dadurch sie keinen Sieg erreichen können.
Auf jede Handlung wird es eine gleichwertige Reaktion geben.
Über welche Langstreckenwaffen verfügt derzeit die Ukraine?
Wir verfügen über alle möglichen Waffen. Das Problem ist nur die Menge, die ermöglichen kann, eine Überlegenheit zu gewinnen. Es ist klar, dass unser Gegner über mehr Kampfjets verfügt, aber das heißt noch lange nicht, dass die ihnen Vorteile verschaffen, um den Krieg gewinnen zu können. Dieselbe Situation haben wir mit anderen Waffen. Die Russen haben mehr Raketen, aber wir setzten die anders ein.
Wie sieht es aus mit staatlichen Mitteln für Beschaffung von Waffen aus? Wie funktioniert die Dezentralisierung im Beschaffungswesen? Wird eine Erhöhung der Finanzierung geplant oder wird das Spektrum der Waffen, die Brigaden selbst kaufen können, erweitert?
Eine Dezentralisierung im Beschaffungswesen gab es immer. Es hat sich nur der Umfang und die Finanzkosten geändert, die den Brigaden bereitgestellt werden.
Man könnte es zum Beispiel den Brigaden ermöglichen, Panzer selbst zu beschaffen, aber es ist offensichtlich, dass sie es nicht brauchen. Wenn es um FPV-oder Aufklärungsdrohnen geht, so steht diese Möglichkeit für sie offen.
Aber es gibt Beschwerden wegen Probleme mit der Abschreibung der zerstörten Technik. Haben Sie ein Vorstellung, wie dieses Problem gelöst werden kann?
Dazu gibt es ein entsprechendes Verfahren und wir tun alles, damit es nicht zu bürokratisiert ist. Aber es soll verantwortungsvoll ablaufen. Früher konnte eine Abschreibung jahrelang dauern und die war mit einer Menge Papierkram verbunden. Die Summe der Abschreibung musste nur vom Verteidigungsminister bestätigt werden. Heutzutage haben wir die Bürokratie auf ein Minimum reduziert.
Laut einer jüngsten Neuerung sind Kommandeure berechtigt, Abschreibungsprotokolle im Wert bis 1, 7 Millionen Griwna zu bestätigen. Diese Möglichkeit, materielle Verluste auf der Brigadeneben abzuschreiben, soll Kommandeure deutlich entlasten und Kontrolle vereinfachen.
Außerdem können Einweg- Drohnen, Zubehör und Munition aufgrund eines einzigen Dokumenten abgeschrieben werden. Demontierung oder Nachrüstung von Drohnen erfolgt auch aufgrund eines Dokumenten.
Im Rahmen ihrer Tätigkeit arbeiten Sie mit den internationalen Partnern zusammen. Auf welcher Etappe befindet sich die militärisch- technische Zusammenarbeit des Generalstabes mit den internationalen Partnern? Mit welchen Ländern gibt es am meisten Kontakte?
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat gezeigt, dass kein einziges Land in der Lage ist, bei der gegenwärtigen Intensität von Kampfhandlungen alleine durchzuhalten.
Angesichts des Umfangs der geleisteten Militärhilfe bleiben die USA unser Schlüsselpartner. Die USA sind auch in viele andere Prozesse involviert, wie Wartung der Militärtechnik, Ausbildung des Personals, Versorgung mit geheimdienstlichen und Satellitendaten, GPS zu militärischen Zwecken, Ausbau militärischer Kommunikation.
Es entsteht ein neues Format der Kooperation mit den USA, wo die europäischen Länder als Quelle der Militärhilfe eine immer größere Rolle spielen. Die US- Waffenlieferungen werden von den europäischen Ländern aus den Beiträgen zum gemeinsamen amerikanisch- ukrainischen Investitionsfonds finanziert, der im Rahmen der Umsetzung des Rohstoffabkommens zwischen den USA und der Ukraine gegründet wurde.
Die EU- Staaten und Großbritannien haben ihre Bemühungen zur Bereitstellung der internationalen Militärhilfe deutlich intensiviert. Dazu gehören gemeinsame Beschaffung von Waffen, Herstellung von Drohnen, Munition und gepanzerten Fahrzeugen. Die ukrainischen Streitkräfte werden auch über die „Munitionsinitiative der Tschechischen Republik“ und „dänisches Modell“ mit Waffen versorgt.
Ausknft:. “Die Munitionsinitiative der Tschechischen Republik” ist eine Initiative der tschechischen Regierung, derer Ziel ist es - das Sammeln von Geld aus verbündeten Ländern, um gemeinsam bis zu 800'000 Artilleriegranaten für Kiew in Staaten ausserhalb der EU zu kaufen.
"Dänisches Modell" – sieht vor, dass ukrainische Waffenhersteller Aufträge, etwa für Langstreckenraketen und Drohnen, direkt von den europäischen Ländern erhalten. Der Ansatz wird derzeit von den Regierungen Schwedens, Norwegens und Finnlands erörtert.
Sprechen wir über russische Drohnen, die nach Europa fliegen. Können wir sagen, dass es ohne uns, ohne unsere Erfahrung für die Europäer schwierig sein wird, sie abzuschießen? Der Präsident sagte, 92 Drohnen flogen nach Polen und nur 19 die Grenze überquerten.
Wenn wir die Bewegungsrichtung dieser Luftfahrzeuge beurteilen, ja, es gab sehr viele von ihnen, aber wir wissen nicht, wohin der Feind zielte und wohin sie flogen, also schießen wir alles ab. Fast zwei Dutzend von 92 Drohnen überquerten die Staatsgrenze Polens, verletzten internationales Recht, verletzten den polnischen Luftraum. Das ist ein gezielter Angriff des Feindes, weil sie für den Einsatz ihrer Waffen rechtliche Verantwortung tragen.
Und zu sagen, dass es sich um einen Fehler oder eine andere Geschichte handelte... Nein. So darf man das nicht bewerten. Das ist ein Akt der Aggression. Und man muss die Dinge immer beim Namen nennen.
Sie sagen, dass wir versuchen, alle Drohnen abzuschießen. Was ist dann mit der ungarischen Drohne passiert, die unsere Grenze in Transkarpatien überflogen hat? Warum haben wir sie nicht abgeschossen?
Die Verletzung des Luftraums erfolgte durch dieses Objekt zweimal. Nein, wir haben nicht gewartet, aber eine Drohne abzuschießen ist nicht so einfach, wie es scheint.
Erstens waren dies kurzfristige Verletzungen unseres Luftraums, und es ist klar, dass wir dort nicht über eine solche Dichte und Bereitschaft verfügen, abzuschießen, weil dies nicht die Richtungen sind, aus denen Russland normalerweise angreift.

Aber wenn er im Prinzip lange geflogen wäre, hätten wir ihn abschießen müssen, oder?
Ja. Abschuss oder Beendigung des Verstoßes. Zuerst müssen wir kommunizieren und verstehen, was passiert, denn Ungarn ist kein Land, das sich im Krieg mit uns oder in einem Konflikt befindet. Dieses Objekt könnte dort die Kontrolle verloren haben, beispielsweise einen unkontrollierten Flug durchgeführt haben.
Das ist ein Zwischenfall. Er wurde registriert und wird weiter untersucht werden.
Und alle Drohnen, die derzeit in Dänemark, Deutschland und anderen Ländern entdeckt werden – glauben Sie, dass dies eher von Russland als psychologischer Druck kommt? Oder deutet dies doch darauf hin, dass sie sich auf eine ernsthaftere Konfrontation mit den NATO-Staaten vorbereiten?
Gehen sie nur auf die Nerven? Nein, nichts geschieht ohne Grund. Bedrohungen der territorialen Integrität und der nationalen Sicherheit müssen sehr ernst genommen und bewertet werden. Und solche Fragen darf man nicht vernachlässigen. Ich bin der Meinung, dass es hier keine Zufälle gibt.
Die Russische Föderation wendet verschiedene Mittel und Methoden, darunter auch hybride, an, um ihre strategischen Ziele zu erreichen. Die Russen versuchen, die Lage sowohl auf dem Schlachtfeld in der Ukraine als auch in Europa insgesamt zu verschärfen. Der Gegner versucht, Druck auf unsere Partner auszuüben, um zu zeigen, dass eine weitere Unterstützung der Ukraine aussichtslos ist.
Beispielsweise die Durchführung gemeinsamer strategischer Manöver „Westen 2025“, die in erster Linie darauf abzielten, den NATO-Mitgliedstaaten Stärke zu demonstrieren. Die weiteren Maßnahmen hinsichtlich der Verletzung des Luftraums europäischer Länder durch Drohnen und russische Kampfflugzeuge waren ein vorhersehbares Spiel, um die Einsätze zu erhöhen und die Reaktion der NATO zu testen - sowohl die des militärpolitischer Blocks insgesamt als auch die Reaktion einzelner Mitglieder, die im Wesentlichen die Politik der Allianz bestimmen. Der militärische Aspekt dieser Provokationen besteht darin, die Einsatzbereitschaft des Luftabwehrsystems an der Ostflanke der NATO zu überprüfen.
Von der Russischen Föderation sind jegliche Provokationen zu erwarten, und man muss auf eine gemeinsame entschlossene Reaktion auf die Handlungen des Aggressors vorbereitet sein.
Der ukrainische Präsident hat sich außerdem zum gemeinsamen Schutz des Luftraums und zum Erfahrungsaustausch mit Partnern in Fragen der Bekämpfung von Drohnen bereit erklärt. Die Ukraine bietet Hilfe in Form von Technologien, Ausbildung von Besatzungen und Bereitstellung von Aufklärungsdaten an.
Die entsprechenden Arbeiten sind bereits im Gange. Wir haben bereits begonnen, unsere Erfahrungen im Umgang mit Drohnen mit unseren Partnern zu teilen. So ist das ukrainische Militär neulich in Dänemark eingetroffen, um die Partner im Zusammenhang mit dem Auftauchen unbekannter Drohnen über dem Land zu unterstützen. Unsere Spezialisten nehmen zusammen mit ihren dänischen Kollegen an gemeinsamen Übungen zur Abwehr von Kampfdrohnen teil. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Interoperabilität mit den Streitkräften der NATO-Mitgliedstaaten und ein deutlicher Beweis für unsere Offenheit und Bereitschaft, denen zu helfen, die uns im Kampf gegen den russischen Aggressor unterstützt haben und weiterhin unterstützen. Wie wir sehen, ist die Ukraine nicht nur Empfänger von Hilfe, sondern wir haben unseren europäischen Partnern auch etwas zu bieten. Das ist wichtig zu wissen und zu verstehen.
Wie lautet Ihre Prognose für den Herbst-Winter-Angriff der Russen – wird er verstärkt, wird er nicht verstärkt, welche Entwicklungen sind überhaupt möglich?
Die Lage in den Kampfgebieten bleibt bis heute angespannt. Der Feind greift weiterhin aktiv die Stellungen unserer Truppen in Hauptrichtungen an und schafft dabei eine Überlegenheit um das 5- bis 6-fache in Bezug auf Kräfte und Mittel. Der Feind führt offensive Operationen entlang der gesamten Kontaktlinie in dreizehn Hauptoperationsrichtungen durch, deren Intensität durchschnittlich 160 bis 190 Angriffe pro Tag beträgt.
Die Lage ist weiterhin besonders angespannt im Osten der Ukraine, wo der Feind uns in Bezug auf Kräfte und Mittel deutlich überlegen ist. Er fährt mit Unterstützung der Luftwaffe, der Artillerie und dem breiten Einsatz von Kampfdrohen hochintensive Offensivaktionen durch, versucht, die vollständige Kontrolle über die Ortschaften Tschassiw Jar und Torezk zu erlangen, Bedingungen für die Blockade von Kostjantyniwka aus dem Osten, Süden und Westen zu schaffen und den Ballungsraum Pokrowsk-Myrnohrad einzunehmen.
Es ist anzumerken, dass der Feind derzeit versucht, die Taktik der Infiltration kleiner Gruppen in die hinteren Gebiete unserer Truppen in großem Umfang anzuwenden, um sich dort zu sammeln und einen Angriff in unserem Hinterland zu starten.
Die Verteidigungskräfte führen ihrerseits unter günstigen Bedingungen Sturmangriffe durch, um die verlorene Position wiederherzustellen, den Feind zu suchen und zu vernichten, der in die hinteren Verteidigungsgebiete unserer Truppen eingedrungen ist.
Insgesamt gesehen gibt der Feind trotz erheblicher Verluste an Personal, Waffen und militärischer Ausrüstung seine Offensive nicht auf.
Der Ablauf von Ereignissen an der Hauptfront, d. h. in Pokrowsk, wird den Charakter der Aktionen des Gegners an anderen Frontabschnitten, insbesondere in Saporischschja, bestimmen.
Natürlich spielt auch das Wetter eine gewisse Rolle, da Niederschläge die Passierbarkeit des Geländes und damit auch die Manövrierfähigkeit der Truppen erheblich beeinträchtigen.
Gleichzeitig ist es sehr wahrscheinlich, dass sie ihre Aufgaben im Rahmen der Offensive weiterhin erfüllen werden, um das von der obersten militärischen und politischen Führung gesetzte Ziel zu erreichen. Das von ihnen erklärte Ziel lautete, wie ich mich erinnere, wie folgt: Vollständige „Befreiung“ der Regionen Donezk und Luhansk. Das heißt, aus unserer Sicht wird es ein Versuch sein, die Verwaltungsgrenzen der Regionen Donezk und Luhansk zu erreichen und das gesamte Gebiet vollständig zu besetzen. Ausgehend von den aktuellen Ereignissen, welche Gruppierungen gebildet sind, deren Zusammensetzung und ihre Aufgaben, lässt sich prognostizieren, dass sie ihre Bemühungen weiterhin auf genau diese Bereiche konzentrieren werden. Das sind Pokrowsk und Dobropillja.
Gleichzeitig ist es sehr wahrscheinlich, dass sie ihre Aufgaben im Rahmen der Offensive weiterhin erfüllen werden, um das von der obersten militärischen und politischen Führung gesetzte Ziel zu erreichen. Das von ihnen erklärte Ziel lautete, wie ich mich erinnere, wie folgt: Vollständige „Befreiung“ der Regionen Donezk und Luhansk. Das heißt, aus unserer Sicht wird es ein Versuch sein, die Verwaltungsgrenzen der Regionen Donezk und Luhansk zu erreichen und das gesamte Gebiet vollständig zu besetzen. Ausgehend von den aktuellen Ereignissen, welche Gruppierungen gebildet sind, deren Zusammensetzung und ihre Aufgaben, lässt sich prognostizieren, dass sie ihre Bemühungen weiterhin auf genau diese Bereiche konzentrieren werden. Das sind Pokrowsk und Dobropillja.
Auskunft: Während der Dobropillja-Gegenoffensive wurden mehr als 174 km² befreit und 194,4 km² von feindlichen Diversions- und Spionagegruppen gesäubert. Die Gesamtverluste an russischem Personal in dieser Zeit in Richtung Dobropillja beliefen sich auf über 3.000 Mann. Die Auffüllung des „Austauschfonds“ für die Rückholung ukrainischer Verteidiger aus russischer Gefangenschaft geht weiter.
Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, die Russen würden westliche Staats- und Regierungschefs durch die Manipulation einiger Programme zur Überwachung der Front, insbesondere des DELTA-Programms, umnebeln. Können wir diesem irgendwie entgegensetzen?
Ja, es gibt DELTA, es gibt DeepState, es gibt dort andere Informationsquellen, es gibt das Internet, und Informationen sind viel zugänglicher geworden als noch vor einigen Jahren. Das ist die Realität. Wir sehen zum Beispiel, und das Programm zeigt, wo der Feind eingedrungen ist, aber es sagt nicht, ob es eine Diversions- und Spionagegruppe ist, oder ob das Soldaten sind, und sie dann vernichtet worden sind – es zeigt lediglich, wo sie eingedrungen sind. Und man hat sofort das Gefühl, es sei besetzt. Aber das stimmt nicht.
Erinnern Sie sich, Prigoschin kam einst in Bachmut zum zerstörten ehemaligen Stadtrat, hisste dort irgendeine Flagge und sagte: „Wenn das Verwaltungszentrum der Stadt eingenommen ist, dann gehört die Stadt uns.“
Man sollte jedoch berücksichtigen, dass zu dieser Zeit die Hälfte von Bachmut von den ukrainischen Streitkräften kontrolliert wurde, und solche Situation hielt fast ein halbes Jahr an.
So liefen sie zum Beispiel in Krynky am linken Dnjepr-Ufer jeden Tag zu einem zerstörten Haus, hissten eine Flagge und starben in der Nähe dieser Flagge, weil der Brigadekommandeur des Feindes einfach versprach, dass jeder, der die Flagge hisste, fünf Tage Urlaub bekäme. Sie bekamen ihn nur für immer. Das war alles, es war über nichts.
Die Lage im Süden – Saporischschja, das Kernkraftwerk Saporischschja – wie gefährlich ist es dort?
Das AKW Saporischschja ist ein Objekt der Atomenergie. Es ist an sich eine gefährliche Anlage und steht unter internationalem Recht. Und Russland, als Land, das gegen Gesetze verstößt, keine Gesetze akzeptiert oder glaubt, dies tun zu können, hat diese gefährliche Anlage eingenommen.
Die gesamte Verantwortung für das, was mit der Anlage geschieht, liegt voll und ganz bei ihnen.
Und hier muss die gesamte zivilisierte Welt Anstrengungen unternehmen, um dieses Problem zu lösen, denn wenn es zu Problemen mit dieser Anlage kommt, werden diese nicht nur die Ukraine betreffen, das ist offensichtlich.
Wie steht es um den Treibstoff der Russen im Allgemeinen und der russischen Armee im Besonderen?
Ich kann feststellen, dass sie im Allgemeinen vorübergehend etwa 20 Prozent der Kapazität ihrer Anlagen verloren haben, was die Verarbeitung von Erdölprodukten betrifft. Und wie schnell sie diese Kapazitäten wiederherstellen können, wenn überhaupt, ist noch unklar. Das ist eine schwierige Frage. Wir erfahren aus verschiedenen Quellen, dass es in den südlichen Regionen tatsächlich Probleme gibt. Natürlich wird zuerst die Zivilbevölkerung leiden, dann die Wirtschaft, und erst dann werden die Streitkräfte des Aggressorlandes unter Treibstoffmangel leiden.
Wie schnell dies geschehen wird und ob es bereits geschehen ist, ist schwer zu sagen, aber wir erhalten bestimmte Informationen und Geheimdienstinformationen, dass Kommandeure Anweisungen zum Benzinsparen geben und Limits setzen.
Und wo sind die nordkoreanischen Truppen jetzt?
Ein bestimmtes Kontingent wird dort, in der Region Kursk, stationiert und sie werden ausgebildet. Sie behaupten, sie seien Pioniereinheiten, die zur Minenräumung in das Gebiet gekommen sind.
Wir beobachten sie nicht an der Front, wir haben ihre direkte Beteiligung an Kampfhandlungen auch nicht beobachtet. Aber es gibt Kontingente. Nordkoreanische Arbeiter sind auch an der Produktion von Militärgütern beteiligt, insbesondere der Geran-Drohnen, die in Tatarstan, in Jelabuga, hergestellt werden.
Nach Angaben, die noch präzisiert werden müssen, gibt es Informationen, dass etwa 20.000 nordkoreanische Arbeiter beteiligt sind. Das heißt, auch sie sind am Konflikt beteiligt.
Wie sehen Sie unseren Sieg?
Ich wünsche mir Gerechtigkeit. Und Gerechtigkeit kann es nur geben, wenn das Aggressorland verliert und zur Rechenschaft gezogen wird. Wenn jemand für Kriegsverbrechen, für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, unbedingt bestraft wird.
In erster Linie ist es die militärisch-politische Führung Russlands, die diesen Krieg entfesselt hat und jetzt trotz aller Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft und bestehender Gesetzgebungen, alles was man verletzten kann, weiter fortsetzt.
Ich hoffe sehr, dass die Bestrafung kommt.
Und ein Sieg kann erst dann eintreten, wenn die territoriale Integrität und Souveränität unseres Staates wiederhergestellt sind. Es gibt keinen anderen Weg.
Gespräch von Iryna Koschuchar