Kürzlich berichtete der österreichische Staatssicherheitsdienst über die Aufdeckung einer groß angelegten russischen Desinformationskampagne, deren Ziel es war, die öffentliche Meinung in Österreich zu beeinflussen und sie negativ gegen die Ukraine aufzubringen. Zu diesem Zweck benutzten russische Agenten Graffiti (angeblich von „ukrainischen Aktivisten“) mit für Österreicher inakzeptablen und empörenden Medieninhalten.
Der führende österreichische Experte für die Bekämpfung von Desinformation, Dietmar Pichler, stellt fest, dass sich der Kampf trotz der Tatsache, dass die meisten Desinformationskampagnen online stattfinden, gegen die wahren Auftraggeber solcher psychologischer Kriegsführung (PSYOP) richten sollte. Die Aktivitäten sollten mit Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung und der Stärkung ihrer „Immunität“ gegen Desinformation kombiniert werden, insbesondere durch bessere Kenntnisse über die Ukraine und die Mechanismen der russischen Eingriffe.
In einem Interview mit Ukrinform sprach Dietmar Pichler, Gründer von Disinfo Resilience Network (Wien) und Autor analytischer Studien über den Einfluss russischer Informationsoperationen im deutschsprachigen Raum, über das Ausmaß, die Methoden und die Schlüsselnarrative der Desinformation des Kremls in Österreich, die sich vor allem gegen die Ukraine richtet. Er erklärte, warum Österreich aufgrund seiner Neutralität für solche russischen Kampagnen anfällig ist, und teilte seine Vision einer Gegenstrategie.
Neulich ist in Österreich eine groß angelegte russische Desinformationskampagne aufgedeckt worden, die auf die Manipulation der öffentlichen Meinung gegen die Ukraine abzielte. Diese Kampagne dürfte Sie kaum überraschen, doch die Tatsache, dass die österreichischen Behörden das öffentlich erklärt haben, ist wichtig. Welchen Eindruck haben Sie von dieser Entscheidung? Hat Österreich die russischen Einflussoperationen bereits satt und möchte dazu eine klare Haltung einnehmen?
Ich begrüße die Tatsache, dass diese Ermittlung öffentlich geworden ist und breit publik wurde. Wichtig ist auch, dass sie klar gezeigt hat, dass hinter solchen Aktionen echte Menschen stecken – Menschen, die in der realen Welt Dinge tun wie zum Beispiel Graffiti unter einer ausländischen Flagge aufzutragen, um die Ukraine zu diskreditieren.
Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptaufgaben der russischen Informationsoperationen gerade in Österreich? Stimmen sie mit den Zielen Russlands in anderen europäischen Ländern überein oder gibt es etwas Spezifisches im österreichischen Kontext?
Im Allgemeinen entsprechen sie den typischen Desinformationskampagnen, die Russland in Europa durchführt. Eine der charakteristischen Methoden hierfür ist, dass die russische Propaganda, insbesondere über offizielle Kanäle wie die russische Botschaft und das russische Außenministerium, Österreich manchmal eine Verletzung seiner Neutralität vorwirft. Ziel ist es, eine Reaktion zu provozieren und öffentlichen Druck auf die österreichische Regierung auszulösen.

Ist Österreich wegen seines neutralen Status anfälliger für das Vorantreiben pro-russischer Narrative, etwa aufgrund seines Status als „neutrale Plattform“? Unterscheidet sich die Reaktion des österreichischen Publikums von der Wahrnehmung russischer Botschaften in anderen europäischen Ländern – West- oder Osteuropa?
Ich würde sagen, ja, der Diskurs um Neutralität macht uns wirklich anfälliger für Propaganda. Gleichzeitig ähnelt die Situation in Österreich in allen anderen Punkten (bei verbreiteten Narrativen, der Intensität der Propaganda und Desinformation sowie der Bereitschaft, daran zu glauben) dem, was in anderen westeuropäischen Ländern geschieht.
Das Problem mit der Neutralität besteht darin, dass die Bewegung der sogenannten Friedensaktivisten und auch die Russland-Apologeten Neutralität im politischen Sinne fordern, was de facto eine pro-russische Haltung bedeutet. Österreich ist nur in militärischem Sinne neutral, und weil es Mitglied der EU ist, hat die Neutralität an Bedeutung verloren und ist weniger streng. Die Geschichte zeigt, dass Österreich selbst während des Kalten Krieges Teil des Westens war und nicht „zwischen den Blöcken“, wie manche damals glaubten oder immer noch glauben.
Welche Hauptthemen und Beleidigungen über die Ukraine beobachten Sie in den Narrativen des Kremls, die sich an österreichisches Publikum richten?
Die Strategie des Kremls besteht darin, die Ukraine zu dämonisieren, die Schuld auf das Opfer abzuwälzen und die Aufmerksamkeit von der Aggression und Verantwortung Russlands abzulenken.
Es mag seltsam klingen, aber alte Propagandaklischees wie „Die russische Sprache ist verboten“, „Ukrainer haben ethnische Russen angegriffen“, „Der Maidan war ein Putsch“ oder „Die Ukraine hat Russland mit ihrem Wunsch, der Nato beizutreten, provoziert“ sind immer noch aktuell und werden aktiv verbreitet. Auch Korruption wird oft erwähnt, natürlich ohne die Anerkennung der Tatsache, dass der Aggressor Russland ist, ist sie in der Korruptionswahrnehmung deutlich schlechter abgeschnitten.
Haben Sie vor dem Hintergrund der internationalen Bemühungen um eine friedliche Lösung des Krieges Russlands gegen die Ukraine eine Zunahme der Desinformationskampagnen des Kremls im Informationsraum Österreichs oder im weiteren deutschsprachigen Raum bemerkt? Gibt es Versuche des Kremls, die Friedensgespräche zu manipulieren, um die Unterstützung für die Ukraine zu schwächen?
Je mehr Verhandlungen, internationale Treffen stattfinden oder besonders Nachrichten über Russlands grausame Kriegsverbrechen erscheinen, desto häufiger taucht die Ukraine in den Schlagzeilen auf. Dadurch erhöht sich automatisch die Menge an Desinformation, sowohl verdeckt als auch offen.
Je mehr Diskussionen, desto mehr Ziele gibt es für Trolle, Bots und echte Menschen, die in die „Informationsschlacht“ einsteigen. In solchen Momenten, wenn das Thema Ukraine in den Nachrichten dominiert, werden Einflussagenten sehr aktiv: westliche Bürger, die bewusst oder unbewusst im Interesse Russlands handeln.
Und welche Hauptkanäle und Plattformen werden zur Verbreitung russischer Desinformation in Österreich genutzt?
Wie in anderen westlichen Ländern, der Hauptkanal der russischen Desinformation ist das Internet, und insbesondere die sozialen Netzwerke – das ist unbestreitbar. Aber auch andere Kanäle sind von großer Bedeutung.
In unseren Buchhandlungen kann man prorussische Bücher finden. Es gibt prorussische Akademiker (auf der ganzen Welt). Prorussische Narrative hört man in Talkshows (ein Problem des falschen Gleichgewichts), und wir sehen russische Diplomaten und Propagandisten als Gesprächspartner in Interviews – nicht nur auf Randmedienkanälen.
Diese Inhalte werden natürlich auch in den sozialen Netzwerken verbreitet. Dort kann Reklame für prorussische Bücher gemacht werden, können auch Videos von Reden prorussischer Professoren oder Fotos von Zeitungskolumnen mit Kommentaren des russischen Botschafters, die in fragwürdigen Publikationen veröffentlicht wurden, gepostet werden.
Beispiele wie diese funktionieren in den sozialen Medien, weil es sich um „Inhalte aus dem echten Leben“ handelt. Wenn beispielsweise ein Professor erklärt: „Die Nato ist schuld am Krieg“, wird dies viel überzeugender wahrgenommen als die Posts eines anonymen Trolls ohne Profilbild.
All dies hängt zusammen: Als Gesellschaft sind wir uns durchaus bewusst, dass russische Propaganda im Internet kursiert, aber wir merken sie auf anderen Kanälen kaum, insbesondere wenn sie verschleiert präsentiert wird. Wir sind völlig schutzlos.
Ich versuche, auf dieses Problem aufmerksam zu machen, aber das ist schwierig, weil es für die Leute einfacher ist, einen anonymen Troll anzugreifen, als sich einer wirklich prorussischen Person entgegenzustellen, insbesondere wenn diese einen gewissen Einfluss hat.
Aus meiner Beobachtung geht hervor, dass die offene russische Propaganda seit Russlands umfassender Invasion der Ukraine im Jahr 2022 in Österreichs traditionellen Medien und im Fernsehen deutlich zurückgegangen ist. Das Streben nach einer „ausgewogenen“ Berichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine führt jedoch manchmal zu einer falschen Balance, was in der Praxis zur Verbreitung von Kreml-Narrativen beiträgt. Stimmt das mit Ihren Einschätzungen überein?
Als ich gesehen habe, dass unser öffentlich-rechtlicher Sender Butscha als „wahrscheinliches Massaker“ bezeichnet hatte, habe ich sofort reagiert und diese Formulierung öffentlich kritisiert - und zum Glück war ich nicht allein. Diese Vorfälle sollten nicht passieren, denn trotz der Kritik vertrauen die Menschen unseren etablierten Medien immer noch mehr als den sozialen Medien.
Das Problem ist, dass wir nicht einmal die Tatsache diskutieren, dass anti-westliche Narrative oft in sogenannten „Mainstream-Medien“ vorhanden sind. Wir sehen sie in Talkshows (in Form von Panels mit falscher Gedankenbilanz unter Beteiligung von Pseudo-Experten), aber sie können auch in Interviews, Gastkolumnen oder sogar in einigen Berichten erscheinen.
Solche Fälle passieren seltener als vor 2022, aber ihr Einfluss ist erheblich, weil wir außerhalb der sozialen Medien weniger wachsam sind. Soziale Netzwerke werden weithin für Fake News und Propaganda kritisiert, traditionelle Medien dagegen nicht.
Welche Rolle spielen soziale Medien bei solchen russischen Operationen, insbesondere in Österreichs Medienlandschaft? Welche Plattformen sehen Sie als die wichtigsten Kanäle für die Verbreitung dieser Botschaften - X, TikTok, Telegram oder andere - und warum wählt Russland genau diese aus?
Alle Kanäle sind wichtig: In den sozialen Medien gibt es keine physischen Grenzen. In Österreich teilen wir eine Informationsumgebung mit unseren Nachbarn aus Deutschland und der Schweiz. Insbesondere Deutschland wird stark von russischer Propaganda in den sozialen Medien angegriffen, und zu einem gewissen Grad betrifft das auch uns - weil wir oft die gleichen Inhalte konsumieren und die gleichen Kommentare lesen.
Und dabei geht es nicht nur um TikTok: Kurze Instagram-Videos bieten auch viel versteckte oder offen pro-russische Propaganda. Ich würde diese Art von Inhalten nicht unterschätzen. Es könnte ein Social-Media-Influencer sein, der Ihnen sagt, die Ukraine oder der Westen seien schuld am Krieg, oder ein Video von einem Professor wie Jeffrey Sachs, der behauptet, Putins Motiv für die Invasion sei, „Selenskyj zu Verhandlungen zu zwingen“. Sie mögen diese kurzen Videos, und Tausende von Kanälen teilen die gleichen Videos immer wieder.
Das Vertriebssystem funktioniert einwandfrei, auch dank der Materialien von Russia Today. Deutschsprachige und englischsprachige Videos, verstärkt durch eine Troll-Armee, die sie durch Algorithmen kommentieren und fördern, verstärken diese Botschaften erheblich.
Welche Methoden, wie etwa Botnetze, Fake-Accounts oder gezielte Werbung, halten Sie für die wirksamste zur Verbreitung von Desinformationen in Österreich? Merken Sie koordinierte Botnetze im österreichischen Medienraum, die Diskussionen oder die öffentliche Meinung systematisch beeinflussen?
Es gibt eine Sache, die die Österreicher endlich begreifen müssen: Bots, Trolle und sogar prorussische „Aktivisten“ interessiert es nicht, wo wir sind, sie interessiert nur, worüber wir reden.
Das heißt, all diese prorussischen Propagandaprofile verfolgen ständig Schlüsselwörter und überwachen Gespräche, um sich einzumischen, wenn ihnen das Thema passt. Einfach ausgedrückt: Sobald Sie sich für die Ukraine einsetzen oder Russland kritisieren, werden sie auftauchen und Sie attackieren.
Da wir Deutsch sprechen, verfügt Russland über genügend Ressourcen, die gerade auf dieses Sprachpublikum ausgerichtet sind. Natürlich gerät Österreich auch ins Visier, wenn Deutschland mit komplizierten Kampagnen wie „Doppelgänger“ angegriffen wird, wenn gefälschte Websites gemacht werden, die seriöse Medien imitieren, um russische Desinformationen zu verbreiten.
Dieselben Bots, die diese gefälschten Websites vorantrieben, tauchten auch in den österreichischen sozialen Medien auf und versuchten, österreichische Benutzer zu beeinflussen, und das können Mitglieder des von mir gegründeten Disinfo Resilience Network bestätigen.
Unter den österreichischen Parlamentsparteien sticht die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) hervor, deren Rhetorik oft die Narrative des Kremls widerspiegelt, insbesondere die Kritik an den Sanktionen gegen Russland und der militärischen und finanziellen Unterstützung für die Ukraine. Inwieweit verbreitet die FPÖ Ihrer Meinung nach diese pro-Kreml-Botschaften bewusst?
Ich denke, dass die meisten von ihnen gut wissen, was sie tun. Doch solange solche Rhetorik mit ihrer allgemeinen antielitären und euroskeptischen Haltung im Einklang steht, werden sie sie nicht ändern. Mit ihrer Politik der Skepsis gegenüber der Ukraine und der EU verfolgt die FPÖ einen breiteren Trend, den wir in vielen europäischen Ländern beobachten.

Wer noch verbreitet Ihrer Meinung nach in der österreichischen politischen Landschaft bewusst oder unbewusst pro-russische Narrative?
Die Kommunistische Partei, die zwar nicht im Parlament vertreten ist, hat aber auf regionaler Ebene weiterhin Einfluss, bewahrt traditionell eine „sowjetophile“ Geschichtsauffassung und orientierte sich während des Kalten Krieges deutlich auf Moskau. Dieses Erbe ist immer noch nicht verschwunden. Die Partei stellt sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und zeigt eine starke Nostalgie für die pazifistische Bewegung der 1980er Jahre – meistens durch einen einseitigen Protest des Westens gegen die US-amerikanischen Pershing-2-Raketen in der Nato.
Einige Vertreter der Sozialdemokratischen Partei teilen pazifistische Narrative und Nostalgie, die oft mit anti-Nato-, antiwestlichen und manchmal auch anti-ukrainischen Stimmungen einhergehen. Innerhalb der Partei selbst sind diese Positionen jedoch nicht dominant.
Auch gibt es Personen aus dem Umfeld der konservativen Volkspartei, die Geschäftsinteressen in Russland haben, sowie ultrakonservative Persönlichkeiten, die die Ansicht der extremen Rechten bezüglich der Bewahrung durch Russland der „traditionellen Werte“ teilen.
Interessanterweise können sich all diese Gruppen trotz ideologischer Unterschiede um Initiativen vereinen, die unter dem Deckmantel der „Wahrung der Neutralität“ (oft verschleiert) prorussischen Aktivismus vorantreiben.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass prorussische Stimmungen in Österreich sowohl in ultralinken als auch in ultrarechten Gruppen sein können. Worin unterscheiden sich ihre Ansätze zur Verbreitung russischer Narrative, und gibt es irgendwelche unerwartete Berührungspunkte?
Soziale Medien sind ein Raum, in dem die extreme Linke und die extreme Rechte meiner Meinung nach oft unbewusst in ihren pro-russischen Ansichten zusammenarbeiten. Sie unterstützen sich gegenseitig und teilen die Posts voneinander, oft ohne sich persönlich zu kennen. Auch Initiativen zur „Wahrung der Neutralität“ oder Publikationen mit geopolitischen Analysen und Interviews dienen ihnen als Plattformen der Zusammenarbeit. Gleichzeitig schließen sich üblicherweise nur jene Vertreter der extremen Linken und Rechten zusammen, die eine zutiefst prorussische, ja sogar radikale Position vertreten, die alle anderen Überzeugungen überwiegt.
Als Beispiel kann man hier die Kundgebung am 9. Mai in Wien anführen, bei der ein Teil der russischen Diaspora nicht nur mit sowjetischen Flaggen, sondern auch mit Sankt-Georgs-Bändern und Flaggen des Russischen Reiches marschierte. Ihnen schließen sich Österreicher sowohl von der rechten als auch von der linken radikalen Flanke an.
Sie haben bereits den Einfluss der Kremlpropaganda auf das akademische Umfeld erwähnt. Wer sind die Hauptakteure bei der Förderung prorussischer Narrative in diesem Bereich? Wie bedeutend ist ihr Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung?
Das akademische Umfeld ist seit langem ein Ziel für Rekrutierung oder zumindest ideologische Einflussnahme. Das Erbe des sowjetischen Einflusses, insbesondere aus dem Kalten Krieg, ist auch heute noch spürbar. An österreichischen Universitäten, insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren, war eine herablassende oder unterstützende Haltung gegenüber der UdSSR und China in bestimmten akademischen Disziplinen relativ häufig. Viele der damaligen Studenten wurden später Professoren, und einige von ihnen sind immer noch in der einen oder anderen Form aktiv.
Nach der großangelegten russischen Invasion der Ukraine im Jahr 2022 begann sich die Situation zu ändern. Zumindest gibt es jetzt eine bewusste Anstrengung, sich von der Betrachtung Osteuropas durch eine „russische Prisma“ zu entfernen und auf das Verständnis der Ukraine zu konzentrieren. Im Vergleich zum Zeitraum vor 2022 gibt es mehr Vorträge und öffentliche Veranstaltungen, die das Thema aufklären sollen.
Das ändert aber nichts daran, dass viele Wissenschaftler weiterhin problematische Ansichten vertreten. Einige Professoren behaupten immer noch, dass die NATO-Erweiterung die Ursache des Krieges sei, verbreiten verzerrte Erzählungen über die Ereignisse 2014 in der Ukraine und zeigen im Allgemeinen eine antiwestliche Weltsicht.
Eine Wissenschaftlerin, die während der COVID-19-Pandemie für ihre marginalen Aussagen bekannt wurde, hielt auch einen Vortrag über die ukrainische Geschichte. In Fernsehauftritten erklärte sie unter anderem, dass „Russland die Ukraine 2014 nicht angegriffen habe“. „Die Ukraine griffe die Regionen an, die die Unabhängigkeit wollten". Sie hat Präsident Selenskyj unter anderem als „ziemlich kriegerisch“ genannt.
Darüber hinaus äußern einige Wissenschaftler der sogenannten „Programme für Friedensstudien“ mehrdeutige und rechtfertigende Einschätzungen zum Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Während sie behaupten, den Frieden zu unterstützen, rationalisieren sie oft die Handlungen des Aggressors und greifen auf die Beschuldigung des Opfers zurück, indem sie beispielsweise der Ukraine „Nationalismus“ als Provokation des Angriffs vorwerfen.
Die antiwestlich und prorussisch gesinnten Vertreter des akademischen Milieus in Österreich bleiben maßgebend. Diese Personen haben Einfluss nicht nur innerhalb der Universitäten, sondern sind auch aktiv und pflegen Verbindungen in Initiativen außerhalb des akademischen Bereichs.
Und wie würden Sie die Wirksamkeit der Maßnahmen beurteilen, die die österreichischen Behörden zur Bekämpfung der Bedrohungen durch Desinformation ergreifen? Welche Priorität hat dieses Thema bei der Bundesregierung und welche Institutionen bzw. ressortübergreifenden Initiativen überwachen und bekämpfen aktiv ausländische Informationseinflüsse in Österreich?
Zum Glück ist das nicht mehr das Jahr 2014 – eine Zeit, in der die Behörden in Österreich und in ganz Europa die wachsende Bedrohung durch Informationskriege und feindliche Einflusskampagnen der Russischen Föderation gegen die EU weitgehend ignorierten. Seit 2022 ist das Bewusstsein für diese Bedrohungen auch auf Ebene der österreichischen Bundesregierung deutlich gestiegen.
Ich stehe mit einigen Vertretern von Regierungsbehörden in Kontakt, die für die Überwachung von Desinformation und ausländischer Einmischung zuständig sind, kann aber aus offensichtlichen Gründen keine Einzelheiten geben. Ich hoffe, dass die neue Regierung diese Bemühungen fortsetzt und ausweitet, und echte Schritte bei der Analyse und Bekämpfung dieser Bedrohungen für die Demokratie erlaubt. Ich habe der neuen Regierung meine Unterstützung für eine verstärkte Zusammenarbeit in diesem Bereich angeboten.
Gleichzeitig muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Instrumente jeder Regierung in einem demokratischen Staat, direkt in den Informationsraum einzugreifen, begrenzt sind. Deshalb spielt die Zivilgesellschaft hier eine sehr wichtige Rolle. Ihr Beitrag zur Steigerung der Kenntnisse, der Widerstandsfähigkeit und Verbreitung zuverlässiger Informationen kann kaum überschätzt werden.
Welche Strategien sind Ihrer Meinung nach am wirksamsten gegen russische Desinformation – sowohl in Österreich als auch im weiteren europäischen Kontext? Welche Maßnahmen würden Sie der Regierung und der Zivilgesellschaft empfehlen?
Wenn man schaut, was die Ukrainer, die baltischen Länder und natürlich Finnland getan haben, werden wir in einem Schlüsselaspekt einen signifikanten Unterschied sehen: die Bereitschaft, die Dinge beim ihrem Namen zu nennen. Es geht um russische Desinformation oder breiter: um von autoritären Regimen koordinierte Desinformationskampagnen.
Vor dem Beginn der groß angelegten Invasion Russlands in der Ukraine und in manchen Fällen auch heute noch wird dieses Thema in Österreich oft überhaupt nicht erwähnt. Der öffentliche Diskurs konzentriert sich meist auf Nebenthemen, während man auf die Hauptbedrohung nicht achtet. In vielen Fällen mangelt es sogar den Lehrern für Medienkompetenz (sofern es solche Kurse überhaupt gibt, was an Schulen immer noch eine Seltenheit ist) an der nötigen Sachkenntnis im Bereich ausländischer Interventionen und internationaler Beziehungen.
Ein entscheidender Schritt nach vorn wäre die Erkenntnis, dass Desinformation nicht nur auf soziale Medien beschränkt ist und nicht nur ein Problem der extremen Rechten ist. Die russische Propaganda ist allgegenwärtig – sie wird über verschiedene Plattformen verbreitet, fasst ein breites Spektrum politischer Ansichten und unterschiedliche soziale Gruppen um.
Um die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft zu erhöhen, muss man Aufklärungsarbeit machen und eine „Immunität“ aufbauen, insbesondere durch das Wissen über die Ukraine und die Mechanismen der russischen Einmischung.
Eine weitere wichtige Empfehlung: Man muss westliche Propagandisten entlarven – Einflussagenten, die aus Russland finanziert werden. Leider wird vielen Menschen die Ernsthaftigkeit des Problems erst bewusst, wenn sie erfahren, dass jemand dafür bezahlt wurde. Transparenz ist in dieser Angelegenheit äußerst wichtig.
Wassyl Korotkyj, Wien