Maryna Rjasanzewa („Modschahed“), Kommandeurin der Sanitätskompanie der Brigade „Burewij“
11 Jahre lang sehe ich, wie der Feind tötet, und nichts überrascht mich mehr
Kommandeure des Sieges 18.05.2025 11:08

Hausärztin Maryna Rjasanzewa trägt nun statt weißen Kittels eine Militäruniform – jetzt ist sie Kommandeurin der Sanitätskompanie der Brigade „Burewij“ mit dem Spitznamen „Modschahed“. Der Krieg erwischte sie in der Ostukraine, in ihrer Heimatstadt Debalzewe, noch in 2014. Das Krankenhaus, in dem Maryna arbeitete, befand sich an der Front. Krankheiten im Zivilleben wurden auf einmal Splitterverletzungen und das Büro wurde zu einem Schutzort bei Angriffen. Von da an begann ihr Weg beim Militär.

Im Jahr 2022 wurde die Sanitäterin unter feindlichem Beschuss verwundet, doch sie gab nicht auf – sie evakuierte ihre Kameraden und riskierte dabei ihr Leben. Dafür wurde ihr die Präsidentenmedaille verliehen.

In dem neuen Interview des Projekts „Kommandeure unseres Sieges“ erzählt sie ihre Geschichte, über den Krieg aus der Sicht einer Ärztin, medizinische Versorgung an der Front, Frauen an der Front sowie die besten und schlimmsten Tage ihres Lebens.

Sie stammen ursprünglich aus der Region Donezk, wo Sie die Ereignisse des Jahres 2014 erwischt haben. Wie hat dies Ihre Entscheidung beeinflusst, sich zum Schutz des Landes zu stellen?

Seit Beginn des Krieges in der Ostukraine im Jahr 2014 hat sich nicht nur für mich das Leben verändert. Das Leben im ganzen Land hat sich verändert. Die Zivilbevölkerung, zu der auch ich bis 2014 gehörte, bereitete sich nicht auf den Krieg vor, sie verstand den Beginn des Krieges nicht. Aber wie kann man planen oder sich auch nur überhaupt vorstellen, dass deine Stadt morgen mit Mehrfachraketenwerfern „Grad“ und Raketen beschossen wird, dass dein Haus zerstört wird und du oder deine Angehörigen verletzt werden, oder dass es unter der Zivilbevölkerung Tote geben wird?Es ist unmöglich, sich darauf vorzubereiten. Aber als es begonnen hatte, wurde es leider zur Realität.

Wie haben Sie in diesem Moment gehandelt?

Damals arbeitete ich als Hausärztin in einem Zivilkrankenhaus. Und da mein Krankenhaus sehr nahe an der Frontlinie lag, wurde es damit begonnen, Verwundete von der Front dorthin zu bringen. Dementsprechend mussten wir in unserem Krankenhaus eine medizinische Notfallversorgung leisten und chirurgische Eingriffe vornehmen.

Sie haben eine medizinische Ausbildung, aber wie ich aus Ihren Worten verstehe, hätten Sie sich nie vorstellen können, dass Sie dieses Wissen jemals unter Kampfbedingungen anwenden müssten. Und als die ersten Verletzungen auftraten, handelte es sich um typische Verletzungen im zivilen Leben?

Absolut richtig. Ja, ich habe eine medizinische Hochausbildung, aber ich würde nicht sagen, dass ich auf eine solche Entwicklung der Ereignisse völlig unvorbereitet war. Denn an der Universität, an der ich studierte, war die Absolvierung einer Militärlehrabteilung obligatorisch. Das heißt, ich hatte damals schon eine grundlegende Vorstellung von derartigen Fällen, wenn auch eher theoretisch. Aber dieses Wissen hat mir sehr geholfen und hilft mir bis heute.

Sie haben einfach irgendwann angefangen, Ihren Job zu machen. Hatten Sie Angst oder Zweifel?

Angst hat jeder. Und das ist völlig normal, denn es ist die Erscheinung des Selbsterhaltungstriebs. Absolut jeder hat Angst. Eine andere Sache ist, wie man mit dieser Angst umgeht. Denn Angst kann wirklich durch Willenskraft und etwas Anstrengung kontrolliert werden. Aber wenn man Arbeit hat, achtet man auf Angst und andere Gefühle nicht mehr. Du verstehst, dass es einen Patienten gibt, der dringend Hilfe und sofortige Entscheidungen von dir braucht, und das schiebt die Angst in den Hintergrund.

Bestimmte Kategorien von Menschen im Osten erlagen damals der so genannten Stimmung von „Russki mir“, warum nicht Sie?

Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es anders sein könnte. Weil ich in der Ukraine geboren wurde, ukrainisch sprach, meine Eltern, die Eltern meiner Eltern sprachen ukrainisch. Gerade in der Region Donezk lernte ich auf Ukrainisch, studierte auf Ukrainisch, leistete dem ukrainischen Volk einen Eid. Und im Prinzip kam ich nicht einmal auf den Gedanken, dass es möglich wäre, meine Richtung irgendwie zu ändern.

Ich möchte genauer wissen – es gibt Wehrmedizin, wenn es Erste Hilfe geleistet wird, sie machen aber mehr, stimmt's?

Genau. Zuerst leisten Erstversorgung Kameraden, ein Medic. Das kann ein Mensch ohne medizinische Ausbildung sein, aber mit bestimmten Kompetenzen. Die Sanitäter und Militärärzte leisten die medizinische Versorgung schon auf nächsten Ebenen.

Was war der schlimmste und der beste Tag in Ihrem Leben als Militärärztin?

Der schlimmste Tag war definitiv der Tag, als der Krieg begann, als es klar wurde, dass der Punkt erreicht war, an dem es kein Zurück mehr gab, dass wir uns bereits im Kriegszustand befanden und der Krieg wird weiter dauern.  Und der beste Tag, denke ich, liegt noch vor uns – wenn wir den Sieg feiern werden.

Wo waren Sie am Tag der umfassenden Invasion?

Ich war zu Hause, in Kyjiw. Ende 2021 lief mein Vertrag mit der Nationalen Garde der Ukraine aus und ich kehrte in die zivile Medizin zurück. Ich arbeitete in einem zivilen Krankenhaus, bereitete ich mich auf meine Arbeitsschicht vor. Und irgendwann, am frühen Morgen, hörte ich in der Nähe gewaltige Explosionen, die das Haus zum Beben brachten. Und dann wurde mir klar, dass es begonnen hatte.

Wie haben Sie gehandelt? Sie haben bereits Erfahrungen mit dem Jahr 2014 gemacht.

Ja, natürlich. Ich habe die Nachrichten gelesen, bestimmte Nachrichtenkanäle geguckt, es wurde gesagt wurde, dass ein großangelegter Krieg begonnen habe und der Feind auf dem Territorium der Region Kyjiw vorrücke. Für mich kam das nicht sehr überraschend, weil ich verstanden habe, dass der Feind eigentlich die ganze Ukraine braucht. Er wird sich nicht auf irgendein Stück Territorium beschränken, sondern will die ganze Ukraine zerstören und erobern. Es war also nur eine Frage der Zeit. Und in diesem Moment packte ich meine Sachen und ging zu meiner Militäreinheit. Dementsprechend begann ich am selben Tag Aufgaben zu erledigen.

Wir wissen, dass Sie vom Präsidenten eine Auszeichnung für die Ereignisse in Horenka erhalten haben. Was war das für eine Episode in Ihrem Leben?

Da mein Krankenwagen damals durch Explosionen stark beschädigt war, musste ich auf Fahrzeuge zurückgreifen, die für diesen Zweck völlig ungeeignet war. Glücklicherweise war eines der gepanzerten Fahrzeuge noch fahrbereit, sodass wir damit der Evakuierung beginnen konnten. Da dieses Fahrzeug jedoch nur über begrenzte Platzkapazitäten verfügte und nicht sehr schnell war, mussten wir mehrmals in das Kampfgebiet zurückkehren, um alle Verwundeten zu evakuieren. Es ist uns gelungen. Dieser Vorgang dauerte bis zum Morgen, aber alle Opfer wurden versorgt und wurden ins Krankenhaus eingeliefert.

Damals wurden auch Sie verletzt, Ihr Leben war in Gefahr, aber Sie retteten weiterhin andere und gaben nicht auf. Was waren Gefühle und Gedanken in diesem Moment?

Alle meinen Gedanken drehten such um die Arbeit. Das heißt, dass mir im Klaren war, dass ich eine unbestimmte Anzahl von Verwundeten habe, sie alle mussten gefunden werden, ihnen allen musste Erste Hilfe geleistet werden, und die Triage und Evakuierung mussten organisiert werden. Und da es Verletzte unterschiedlichen Schweregrades gab, mussten wir entscheiden, wer eine Notfallversorgung oder Evakuierung benötigte und wer noch etwas warten konnte, bis wir zurückkamen, um die anderen Verletzten abzuholen. Und das nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Das heißt, ich habe meinem Zustand und meinen unangenehmen Gefühlen überhaupt keine Beachtung geschenkt. Zum Glück verlief alles nahezu folgenlos und auch alle weiteren Reisen und Arbeitseinsätze verliefen ohne Verletzungen.

Gab es in Ihrem Leben noch andere Rettungsgeschichten, die besonders in Erinnerung geblieben sind?

Es gibt viele solcher Geschichten. Und jede Rettung, jeder Patient, der gerettet wurde, dem rechtzeitig geholfen wurde und der genesen ist, ist eine Art Wunder. Es gab eine Situation, in der wir mehrere Verwundete gleichzeitig hatten. Das war in einem Wald an der Frontlinie. Der Wald war vermint und die Soldaten, die Stellungen bezogen, erlitten ernsthafte Verletzungen. Das waren Amputationen. Da es in der Nacht geschah, gab es keine Möglichkeit, dorthin eine Rettungsgruppe zu schicken. Deswegen mussten Patienten sich selbst und ihre Kameraden versorgen. Das alles war per Funk koordiniert, bis zum Morgen, bis es möglich war, die Rettungsgruppen zu schicken, um diese Soldaten zu finden und zu evakuieren.

An welchen Frontabschnitten waren Sie noch seit der umfassenden Invasion? Gibt es einen Abschnitt, den Sie als besonders schwierig bezeichnen würden?

Während des Krieges war ich außer Kyjiw an den Frontabschnitten Donezk, Luhansk und Charkiw. Und da sich die Situation sehr schnell ändert, würde ich keinen von diesen hervorheben. Sie sind alle ziemlich schwer und manchmal zu schwer.

Wie kam es dazu, dass Sie von Hausärztin zum Sanitätskompaniechef geworden sind? Wie war dieser Weg?

Es war ein sehr interessanter Weg, da ich von Anfang an keine militärische Karriere geplant hatte. Ich mochte meinen Job. Ich liebe meine Patienten und meine Arbeit sehr. Aber wie wir bereits gesprochen haben, änderte der Krieg diese Pläne radikal. Wie Woody Allen einmal sagte, wenn ich mich nicht irre, wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl von deinen Plänen. Und so geschah es auch. Alle Pläne rückten irgendwie nach hinten und ich musste meine Fähigkeiten und das berufliche Können in den Reihen der Nationalgarde anwenden. Aber es ist eine sehr interessante Erfahrung. Ich bereue es nicht, diesen Weg gewählt zu haben. Auch das ist eine verantwortungsvolle, aber äußerst interessante Aufgabe. Und was mich motiviert, ist, dass ich verstehe, wie nützlich ich in den Reihen der Nationalgarde sein kann und dass ich den Soldaten, die es brauchen, während des Dienstes so viel wie möglich helfen kann.

Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag auf Ihrem Posten aus, wenn er natürlich typisch sein kann?

In Wirklichkeit gibt es bei uns überhaupt keine typischen Tage. Denn eine Sanitätskompanie ist eine selbständige, sehr spezielle Einheit, die neben der Erfüllung allgemeiner militärischer Aufgaben auch medizinisch-diagnostische Aufgaben übernimmt. Ich trage Verantwortung sowohl für mein Personal als auch für meine Patienten. Dabei stehen die Patienten in erster Linie der Verantwortung, denn es müssen komfortable Bedingungen für ihren Aufenthalt sowie eine möglichst schnelle Genesung und Behandlung geschaffen werden. Ich muss alles über jeden Patienten wissen: über Probleme, Verletzungen, weitere Rehabilitation, Entlassung und Rückkehr in den Dienst.

Wie organisieren Sie diese Arbeit, da wir verstehen, dass Sie unter äußerst schwierigen Bedingungen arbeiten müssen?

Wir organisieren die Arbeit je nach Lage an der Front, Anzahl und Schwere der Verwundeten. Das heißt, es kann entweder um die Hilfeleistung vor Ort gehen, oder wir müssen den Schwerpunkt stärker auf Evakuierungsbrigaden oder die Arbeit in der Krankenstation legen. Es hängt von der Zahl der Verletzten ab, davon, welche Art von Verletzten wir derzeit haben.

Waren Sie in nicht standardmäßigen Situationen. Was könnte Sie im vierten Jahr des umfassenden Krieges überraschen?

Für mich begann der Krieg nicht vor vier Jahren, sondern 2014. Aber zu Beginn des Krieges war die Situation im Osten dieselbe. Das heißt, der Feind zerstörte Städte, tötete Zivilisten und zerstörte die Infrastruktur. Was heute in größerem Maßstab geschieht, geschah damals im Osten. Ich denke, es gibt nicht solche Situationen, die mich zu diesem Moment überraschen könnten.

Erzählen Sie bitte über die Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten an der Front. Gibt es genügend Material und was ist am dringendsten nötig?

Die Versorgung mit Medizinprodukten ist heute enorm besser als vor vielen Jahren, als der Krieg begann. Auch die Versorgung mit Arzneimitteln ist inzwischen deutlich besser, ebenso wie die Versorgung mit Materialien zur Notfallversorgung für die individuellen Erste-Hilfe-Sets. Mittlerweile ist die Produktion im Gange und die Einheiten werden kontinuierlich beliefert. Das heißt, ich kann derzeit nicht sagen, es sehr große, schwerwiegende Probleme mit der Versorgung gibt. Es gibt jedoch Probleme, beispielsweise den Mangel an gepanzerten Fahrzeugen zur Evakuierung der Verwundeten, also an speziellen Panzerfahrzeugen in den Einheiten. Es geht um die Fahrzeuge, mit denen Patienten von der vordersten Frontlinie transportiert werden können. Die Einheiten erfordern besondere Schutzsysteme. Das müssen Systeme der elektronischen Kampfführung auf den Fahrzeugen, auf Rettungsfahrzeugen und anderen Fahrzeugen sein. Ohne diese Systeme ist es jetzt extrem schwierig.  

Wie läuft Verwundetenrettung ab, was ist in den ersten Minuten und Stunden am wichtigsten?

Die Evakuierung beginnt eigentlich an der Frontlinie. Ein Verwunderter muss schnell evakuiert werden. Die Geschwindigkeit spielt eine große Rolle. Das ist die Etappe, die Evac-Etappe, dort sind Sanitäter im Einsatz, sie transportieren den Verwundeten zum Evakuierungspunkt, wo ein Rettungswagen mit qualifiziertem medizinischem Personal den Patienten abholen kann und ihn zur notfallchirurgischen Versorgung oder in ein Krankenhaus bringen kann.

Waren Sie auch mit der Evakuierung beschäftigt?

Ja.

Was ist nun Ihre Aufgabe?

Ich bin für alle Ebenen zuständig, koordiniere sie, damit es zu keinen Störungen kommt und koordiniere die Einsätze. Wenn eine Brigade verstärkt werden muss, dann bin ich selbstverständlich als Teil dieser Brigade im Einsatz.

Können Sie über ihre Erfahrung mit der Evakuierung erzählen? Man sagt, dass sie einen etwa zwei Meter großen Mann wegtrugen.

Wegtragen - das ist nicht ganz richtig, da für den Transport von Patienten jeden Gewichts und Zustands entweder Tragen oder andere zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen. Natürlich musste ich das nicht alleine tun, das heißt, ich hatte Helfer, die mir dabei tatkräftig geholfen haben, und wenn man all das weiß, ist das überhaupt kein Problem.

Was sind die größten Herausforderungen, denen Sie sich heute als Kommandeur einer Sanitätskompanie stellen müssen?

Die Sache ist, dass die Position des Kommandeurs einer Sanitätskompanie, wie jede andere auch, eine sehr verantwortungsvolle ist. Das heißt, der Kommandeur trägt die volle Verantwortung für die Versorgung und Ausbildung des Personals sowie für die Sicherstellung einer kontinuierlichen diagnostischen und therapeutischen Arbeit innerhalb und außerhalb der Kompanie. Natürlich sind wir täglich in den Situationen, die dringende Lösungen erfordern.

Was können Sie über die Entwicklung des medizinischen Bereiches in den Streitkräften sagen?

Die Medizin hat einen großen Schritt nach vorne gemacht. Da wir viele Patienten haben, müssen wir Erfahrungen in der Arbeit mit ihnen, der Behandlung und der Rehabilitation sammeln. Und es sind nicht nur Patienten mit Verletzungen. Wir verstehen doch, dass es auch somatische Erkrankungen gibt, die sich während der Kampfhandlungen verschlimmern oder auftreten, und der psychische Zustand der Patienten, der ebenfalls korrigiert werden muss, und all das muss verbindend geschehen. Unsere Medizin ist mittlerweile auf einem ziemlich hohen Niveau und ich denke, dass wir in naher Zukunft sogar in der Lage sein werden, unsere Erfahrungen weiterzugeben.

Wie sieht es bezüglich menschlicher Ressourcen aus? Ob es genug Hände gibt oder braucht man Nachschub?

Hände fehlen immer, und angesichts der Tatsache, dass wir jetzt eine begrenzte Anzahl von medizinischen Fachkräften haben, ist es sehr schwierig. Wenn wir zum Beispiel Kampfärzte alleine oder mit Hilfe von Fachärzten ausbilden können, dann haben Ärzte leider keine solche Möglichkeit. Wir verstehen, dass die Ausbildung 5 bis 6 Jahren dauert,  plus weitere 2-3 Jahre Praktikum. Auch die Zahl derer, die den Ärzte-Reihen beitreten wollen, ist zurückgegangen.

Haben Sie aber Türen offen für alle?

Natürlich, ich habe ein sehr freundliches Team: sowohl eingespielt als auch koordiniert. Ich denke, dass für jeden, der sich entscheidet, unsere Reihen zu ergänzen, ein Platz gefunden wird und eine umfassende Hilfe geleistet wird, damit er sich in dieser Arbeit, in diesem Team verwirklicht.

Wie läuft die Ausbildung zum Kampfmediziner ab?

Wir haben Instruktoren für taktische Medizin, die Kampfmediziner ausbilden. Dies sind Menschen, die lernen können, das heißt, sie besitzen nicht nur bestimmte Fähigkeiten, sondern geben sie auch professionell an andere Menschen weiter. Diese Vorbereitung kann also von einigen Tagen bis zu mehreren Monaten dauern, abhängig vom Zweck unserer Ausbildung. Das heißt, wir bilden einen Soldaten mit erweiterten Funktionen aus, der sowohl vormedizinische als auch medizinische Hilfe leisten kann, oder es kann einfach ein Kurs der vormedizinischen Hilfe sein, nach dem dieser Soldat sich selbst oder seinen Kollegen helfen kann.

Was darf man bei Erste-Hilfe nicht tun?

Erstens darf man auf keinen Fall in Panik geraten, denn wenn eine Person in Panik gerät, leidet logisches Denken darunter, die Fähigkeit zu beobachten, Schlussfolgerungen zu ziehen, so dass Panik - unter einem kategorischen Verbot. Zweitens können wir nicht zögern, weil wir verstehen, dass wir dem Patienten Zeit sparen, je schneller wir also reagieren, Umgang mit Patienten beginnen, desto größer sind seine Chancen. Und natürlich ist jede Entscheidung des Mediziners über den Patienten schicksalhaft, er hat kein Recht auf Fehler. Wenn ein Arzt mit einem Patienten arbeitet, und sogar in einem kritischen Zustand, der sein Leben (des Patienten Anm. d. Red.) bedroht, müssen Sie schnell arbeiten, Entscheidungen treffen - und die richtigen Entscheidungen, weil sein Leben und seine Gesundheit davon abhängen. Nun würde ich separat über das Prinzip aller Medizin sagen, nicht nur des Militärs: «Non nocere» „Keinen Schaden anrichten!“.Das heißt, alles, was der Arzt tut, sollte im Interesse des Patienten getan werden und sollte genau seinem Zustand und der Notwendigkeit entsprechen, bestimmte Manipulationen durchzuführen.

Es gibt bereits bodengestützte Robotersysteme für Evakuierung. Haben Sie sie benutzt?

Ich musste nicht mit solchen Komplexen arbeiten, ich habe sie auf Videos gesehen, als sie entwickelt und getestet wurden. Ich denke, dies ist ein vielversprechendes und zweckmäßiges Verbindungsglied auch in Zukunft, wenn wir die Möglichkeit haben, werden wir sie ausgiebig benutzen.

Kann ein Roboter den Menschen vollständig ersetzen?

Ich glaube, es kann immer noch nicht vollständig ersetzt werden, weil die Medizin eine angewandte Branche ist, sie kann nicht aus Lehrbüchern studiert werden - ausschließlich in der Theorie. Roboter, Maschinen können innerhalb standardisierter Funktionen Hilfe leisten. Aber schließlich verstehen wir, dass es viele nicht standardmäßige Situationen gibt. Es ist also wünschenswert, dass eine Person an diesem Prozess teilnimmt, weil er den Zustand und die Möglichkeit breiter bewerten kann, um  einige Manipulationen auch in weiteren Etappen durchzuführen.

Eines der schmerzhaften Themen sind hochwertige Tourniquets. Was können Sie über die Produktion von Aderpressen in der Ukraine sagen?

So kam es, dass wir in erster Linie mit den Amerikanern zu arbeiten begannen. Aber zum Glück sind unsere Hersteller dem amerikanischen Qualitätsniveau so nahe wie möglich gekommen. Es gibt bereits mehrere Hersteller, die gelobt werden können. Es besteht kein Zweifel, dass diese Tourniquets von hoher Qualität sind. Wir verwenden solche Tourniquets und vervollständigen sie mit individuellen Verbandskästen unserer Soldaten. Soweit ich weiß, gab es nie damit Probleme.

Eine weitere Frage zur Ausbildung von medizinischen Rekruten: Wie wichtig ist sie? Mussten Sie Rekruten ausbilden?

Die Vorbereitung ist in jeder Etappe wichtig, denn Medizin ist eine Spezialität, bei der man sich ständig weiterentwickeln muss: täglich Fähigkeiten zu verbessern, etwas Theorie zu lernen, praktische Fähigkeiten zu erwerben. Unabhängig davon, ob es um einen Rekruten oder einen Soldaten geht, der bereits eine bestimmte Zeit im Dienst ist, sollte die Ausbildung daher trotzdem fortgesetzt werden.

Sagen Sie, haben Sie jemals gehört, dass Frauen im Krieg nichts zu suchen haben? Und welchen Platz nehmen Ihrer Meinung nach die Frauen überhaupt heute in der modernen ukrainischen Armee ein?

Das musste ich mir während meiner Dienstzeit leider anhören, wenn auch nicht oft. Und ich glaube, das ist eine völlig falsche Vorstellung. Wir beweisen jeden Tag und jede Minute das Gegenteil, denn heute kämpfen Soldatinnen auf Augenhöhe mit ihren männlichen Kollegen. Dabei beherrschen Frauen viele militärische Berufe nicht schlechter oder, in manchen Aspekten, sogar besser als Männer. Natürlich verfügt eine Frau aufgrund ihrer physiologischen Eigenschaften nicht über die gleiche körperliche Kraft wie ein Mann, und vielleicht hat sie in manchen Momenten nicht die gleiche Ausdauer wie ein Mann, aber unser Krieg ist ein technologischer. Das heißt, der Schwerpunkt liegt nicht nur auf den Humanressourcen. Wir kämpfen nicht so sehr körperlich, sondern, könnte man sagen, mit unserem Gehirn.

Wenn Sie Gespräche hören, dass die Ukraine einige Gebiete abgeben muss, wie reagieren Sie darauf?

Diese Informationen tauchen recht sporadisch auf und ich würde zuerst klären, woher sie kommt und zu welchem Zweck. Wir sind in einem Überlebenskampf. Der Feind vernichtet Territorien, Städte, Infrastruktur und die Zivilbevölkerung und schreckt dabei nicht davor zurück, Krankenhäuser und Kindereinrichtungen, Schulen und Kindergärten zu beschießen... Und das nur, um sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden. Dies wurde getan, um die ukrainische Nation bis zu einem Punkt zu vernichten, von dem sie sich nicht mehr erholen kann. Deshalb ist es nicht unsere Art, dem Feind irgendwelche Gebiete zu verschenken oder auch überhaupt nur darüber zu reden.

Was wird für Sie der Sieg der Ukraine bedeuten?

Der Sieg ist die Rückkehr der Grenzen der Ukraine in den Zustand von 1991, aber das ist noch nicht alles. Wir haben einen sehr heimtückischen, ehrgeizigen und emotionalen Feind, den wir nicht einfach so in Ruhe lassen können, weil er auch uns nicht in Ruhe lassen wird. Und ich denke, der Sieg wird erst dann endgültig sein, wenn der Feind mit seinen Bestrebungen und Bemühungen aufhören wird, unser Territorium, die Ukraine einzunehmen. Und dafür muss er so weit neutralisiert werden, dass er dazu keine Möglichkeiten mehr hat. Das heißt, wir müssen noch ein wenig daran arbeiten, die militärische Infrastruktur des Nachbarstaates, der der Aggressor ist, zu zerstören.

Diana Slawinska

Foto: Kyrylo Tschubotin

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