Dmytro Lubinez, Menschenrechtskommissar des Parlaments der Ukraine
Es darf in der Welt nicht vorkommen, dass ein Land Kinder entführt, aber sich wohl fühlt
25.09.2023 13:52

Letzte Woche besuchten sechs ukrainische Kinder, darunter auch Waisenkinder, Den Haag. Fünf von ihnen stammen aus Mariupol und ein Kind aus Charkiw. Es handelt sich um vier Jungen und zwei Mädchen, die aus Russland zurückgebracht wurden. Die jungen Ukrainer baten, der Ukraine bei der Rückführung der illegal entführten Kinder in ihr Heimatland zu helfen.

Die Kinder erzählten ihre Rückkehrgeschichten in Den Haag im Rahmen der Kampagne „Bring Kids Back UA“ in Begleitung von Darja Herasymtschuk, Beauftragte des Präsidenten der Ukraine für Kinderrechte und Kinderrehabilitation, und Dmytro Lubinez, Menschenrechtskommissar des Parlaments der Ukraine.

Die ukrainische Delegation informierte über die Zwangsumsiedlung ukrainischer Kinder durch die Russische Föderation und über die Mechanismen des von Russland begangenen internationalen Verbrechens.

Es fanden insbesondere Treffen mit Hanke Bruins Slot, niederländischen Außenministerin, und mit Vertretern des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des niederländischen Parlaments statt.

Wie haben die Niederlande auf die Geschichten der aus Russland zurückgekehrten ukrainischen Kinder reagiert? Wurden ihre Stimmen gehört? Und welche Hilfe sind die Niederlande bereit zu leisten, um die Rückkehr ukrainischer Kinder zu ihren Familien zu beschleunigen? In einem Interview mit Ukrinform beantwortete Dmytro Lubinez, Menschenrechtskommissar des Parlaments der Ukraine, all diese Fragen.

DIE NIEDERLANDE WERDEN DIE UKRAINE WEITERHIN UNTERSTÜTZEN

Wie würden Sie Ihren Besuch in den Niederlanden bewerten?

Ich habe den positivsten Eindruck. Als wir uns auf diese Reise vorbereitet haben, war uns klar, dass die Niederlande eines der Länder sind, die uns helfen. Die Niederlande helfen uns systematisch und haben keine Angst vor der russischen Reaktion auf diese Hilfe, allein die Ankündigung der F-16-Kampfjets ist viel wert. Wir wussten also, dass wir zu unseren Partnern, unseren wichtigsten Partnern, engen Partnern, Freunden sozusagen, gehen würden, und unsere Erwartungen waren positiv und sind bestätigt worden.

Was waren die wichtigsten Botschaften? Sind Sie in Den Haag gehört worden?

Bei allen Treffen haben wir Worte der Unterstützung erhalten, und die wichtigste Botschaft ist von der niederländischen Außenministerin gekommen: Wir werden der Ukraine so viel helfen, wie die Ukraine darum bittet und wie es die Situation, in der sich die Ukraine befindet, erfordert.

Jedem ist klar, dass es einen Krieg gibt, der seit 2014 andauert. Wissen Sie, sie nennen die Dinge beim Namen. Was das Treffen im Parlament betrifft, so hatte ich den Vorschlag gemacht, dass der erste internationale Besuch der Freundschaftsgruppe und des Vorsitzenden des parlamentarischen Ausschusses für internationale Zusammenarbeit in der Ukraine stattfinden sollte, damit die Situation der ukrainischen Kinder so schnell wie möglich thematisiert werden kann. Und dass die Entschließung vom neu gewählten niederländischen Parlament angenommen wird. Diese Vorschläge haben ihnen sehr gut gefallen, sodass ich sie in die Ukraine eingeladen habe. Generell hat bei allen Treffen eine sehr freundliche Atmosphäre geherrscht.

Das Treffen zwischen den Kindern und der niederländischen Außenministerin war sehr herzbewegend. Sie hat Mitgefühl und den Wunsch zu helfen gezeigt. Welche Art von Unterstützung hat die Ministerin zugesagt? Worauf haben Sie sich geeinigt?

Was die Erklärungen der niederländischen Außenministerin betrifft, so hat sie neben Worten der Unterstützung auch um konkrete Empfehlungen gebeten, wo sie sich engagieren könnten. Derselbe Vorschlag ist bei dem Treffen im Parlament gemacht worden. Wir haben sowohl über die Einrichtung von Rehabilitationszentren für Kinder als auch über die Entwicklung spezifischer Instrumente für die Suche nach Kindern in den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine und der Russischen Föderation gesprochen. Übrigens haben wir auch die Situation der zivilen Geiseln und die Verletzung der Rechte von Kriegsgefangenen im Parlament angesprochen. Dort hatten die Abgeordneten ein breiteres Spektrum an Fragen, und sie waren es, die sie gestellt haben. Es war äußerst erfreulich, dass sie nicht nur das Thema angesprochen, sondern auch unsere Berichte über viele Kategorien ukrainischer Bürger gelesen haben, die sich leider in den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine befinden, wo ihre Rechte verletzt werden.

Es gab viele substanzielle Vorschläge, die wir nicht öffentlich äußern können. Zumindest meine Position ist folgende: Lasst uns etwas umsetzen und ein bereits umgesetztes Projekt zeigen, anstatt nur zu informieren, dass wir solche Pläne haben. Wir hoffen, dass die Arbeit nach den Parlamentswahlen, die am 22. November in den Niederlanden stattfinden, fortgesetzt wird. Alle waren der Meinung, dass das neu gewählte Parlament und die neu gebildete Regierung die Ukraine weiterhin unterstützen werden.

Wir haben noch ein weiteres Thema angesprochen: Sie sind gerade dabei, ihren Haushalt aufzustellen, und ich habe darum gebeten, dass sie bei der Abstimmung über diesen Haushalt, der von diesem Parlament verabschiedet wird, die langfristigen Programme zur Unterstützung der Ukraine zu berücksichtigen. Dies gilt sowohl für humanitäre als auch für militärische Hilfsprogramme.

Natürlich konnte ich nicht umhin, die Frage des Beitritts zur Europäischen Union und zur NATO anzusprechen. Als Menschenrechtskommissar des Parlaments der Ukraine habe ich meine Meinung zum Ausdruck gebracht, dass dieser Beitritt ein wirksames Instrument zum Schutz der Rechte der ukrainischen Bürger und Bürgerinnen ist. Ich habe auch gesagt, dass wir als Ukrainer und Ukrainerinnen, als eine Nation, den einzigen Weg zur Beendigung dieses Krieges in der Befreiung aller ukrainischen Gebiete sehen, die vorübergehend vom russischen Aggressor besetzt sind.

DNA-SCHNELLTESTS SIND EINES DER INSTRUMENTE FÜR WIRKSAME HILFE

Die niederländische Außenministerin hat angekündigt, dass sie der Ukraine DNA-Schnelltests zur Verfügung stellen möchte, um die Verwandtschaft der von Russland entführten Kinder festzustellen und ihre rasche Rückkehr zu ihren Familien zu erleichtern. Wie viele dieser Schnelltests wird die Ukraine erhalten?

Ich kann Ihnen keine Einzelheiten nennen, aber ich möchte Sie auf die Aktivitäten unserer Botschaft und des Botschafters persönlich hinweisen. Die Tests werden nach der öffentlichen Bekanntgabe übermittelt, und meiner Meinung nach ist dies eines der Instrumente, um unseren Bürgern und Bürgerinnen wirksam zu helfen. Wir brauchen die DNA-Kits wirklich, es geht um die Identifizierung von Kindern durch das Verfahren zur Bestätigung der Vaterschaft und der Verwandtschaft mit den Kindern, die wir zurückbringen werden. Dies gilt auch für Erwachsene und zivile Geiseln.

Ist in der Ukraine eine DNA-Datenbank eingerichtet worden?

Nein, wir verfügen nicht über eine DNA-Datenbank für Kinder. Ich denke, sie wird folgendermaßen aussehen. Wenn wir die Tests erhalten, können die Verwandten, die nach ihren Kindern suchen, die Tests machen, sodass eine solche DNA-Datenbank in einer Art Register erscheint. Und danach werden wir, egal wie lange es dauert, physischen Zugang zu einem bestimmten Gebiet bekommen, wo wir die gleichen Tests machen können. Durch Übereinstimmung werden wir einfach die Existenz von Familienbanden nachweisen.

Wie versucht Russland, Familienbande auszulöschen und ukrainische Kinder zu beeinflussen?

Eines der größten Probleme und Herausforderungen, mit denen ich bei meiner Arbeit konfrontiert bin, ist die Rückkehr der ukrainischen Kinder, denn Kinder wachsen sehr schnell. Leider stehen sie unter dem ständigen Druck der russischen Propaganda. Dort wird alles getan, um sicherzustellen, dass das Kind nicht nur seine ukrainische Vergangenheit vergisst, sondern auch dass die Eltern und Verwandten vergessen werden, dass das Kind vergisst, dass es von einem Ort stammt, an dem es einst Ukrainisch gesprochen und sich selbst als Ukrainer oder Ukrainerin bezeichnet hat. Wir wissen, dass Russland systematisch daran arbeitet. Wie können wir dann beweisen, dass dieses Kind aus der Ukraine stammt, wenn die Russen die Dokumente wegnehmen, die Informationen über die Kinder ändern, sie nicht ausstellen und keinen Mechanismus vorsehen, der bestätigt, dass es sich um Kinder aus der Ukraine handelt? Das heißt, selbst nach unserem Sieg, wenn vielleicht die nächste neue Regierung nach Russland kommt und möglicherweise Zugang gewährt, wie können wir dann bestätigen, dass es unsere Kinder sind? Aus diesem Grund ist es ein sehr komplizierter Mechanismus, um Familienbande zu bestätigen.

RUSSLAND ENTFÜHRT WEITERHIN UKRAINISCHE KINDER

Die Kinder haben den Politikern in Den Haag ihre schrecklichen Geschichten darüber, was sie in den vorübergehend besetzten Gebieten und in Russland durchmachen mussten, erzählt. Was war das Hauptziel und welches Ergebnis haben Sie erreicht, nachdem sie diese Geschichten in Den Haag direkt und nicht von ukrainischen Politikern gehört haben?

Das Hauptziel war es, zu zeigen, dass ukrainische Kinder leider weiterhin deportiert werden. Sie werden tatsächlich entführt. Wir haben niemanden gezwungen, hierher zu kommen. Die folgende Frage an die Kinder hat mir sehr gut gefallen: „Wie glaubt ihr, warum macht ihr das?“ Die Antwort eines Jungen, Iwan aus Mariupol, hat mich sehr beeindruckt. Er hat gesagt: „Ich mache das, damit alle ukrainischen Kinder, die sich jetzt in den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine und auf dem Gebiet der Russischen Föderation, befinden, zu ihren Familien und Freunden zurückkehren können“.

Wir möchten, dass Regierungen und Parlamente verstehen, dass diese Tragödie andauert und dass es in der modernen Welt nicht vorkommen darf, dass ein Land Kinder entführt, aber sich weiterhin völlig wohl fühlt und damit durchkommt. Ich bin zutiefst empört, dass der Präsident eines Landes, das 20 % unseres Territoriums besetzt hält, täglich ukrainische Bürger und Bürgerinnen tötet, Kinder tötet und verstümmelt und Verbrechen der sexualisierten Gewalt gegen Kinder begeht, zum G20-Gipfel eingeladen wird. Die 20 größten Länder der Welt laden ihn sogar dorthin ein, obwohl bereits ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) vorliegt. Manchmal möchte ich die höchsten Beamten dieses Planeten fragen: Leben sie in einer Parallelwelt? Einerseits verstehen sie, was vor sich geht, andererseits aber unterhalten sie weiterhin wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen zu dieser Person und diesem Land. Ist das nicht der schlimmste Zynismus?

Wie kann der Krieg in der Ukraine Ihrer Meinung nach die Welt verändern? Wie können sich internationale Standards und Normen ändern, die nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt worden sind, Organisationen, die sich eigentlich als unfähig erwiesen haben, zu funktionieren?

Sie sind unfähig, das stimmt. Sie sind den modernen Herausforderungen nicht gewachsen. Sie haben keine wirklichen Mechanismen, um die Aggression zu beeinflussen, sie können sie nicht aufhalten. Infolgedessen gibt es immer mehr Aggressionen in der Welt. Das ist das Hauptproblem der modernen Welt. Und es ist nicht einmal eine Frage, ob der Krieg in der Ukraine die internationalen Organisationen verändern wird oder nicht. Sie müssen begreifen, dass dies keine Frage der Ukraine ist. Es ist die Frage ihrer Existenz. Sie müssen sich ändern, um weiter existieren zu können. So einfach geht das. In der Geschichte der Menschheit hat es ähnliche Situationen gegeben, z. B. beim Völkerbund: dieselbe Organisation wie die Vereinten Nationen, dieselbe Unfähigkeit, dieselbe Reaktion auf Aggression – tiefe Besorgnis. All dies hat zum Zweiten Weltkrieg geführt.

Entweder werden sich die internationalen Organisationen ändern, oder wir stehen bereits am Rande eines dritten Weltkriegs. Nochmals, ich möchte niemanden erschrecken, das sind unsere Realitäten, und wir, als Ukrainer und Ukrainerinnen, als Staat, leben seit 2014 in diesen Realitäten. Seit neun Jahren herrscht Krieg in der Mitte Europas, seit neun Jahren entführt ein Land ukrainische Kinder, und seit neun Jahren gibt es praktisch keine starke Reaktion der Welt. Und es geht hier nicht darum, dass wir Hilfe haben. Bitte beachten Sie, dass wir nicht von Organisationen, sondern von bestimmten Ländern unterstützt werden. Das heißt, es war die Entscheidung der Regierungen, der Parlamente, der Präsidenten, aber die Instrumente, die nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt worden sind, um Aggressionen in der Welt zu verhindern, haben ihre Unwirksamkeit gezeigt. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass jeder versteht, dass die Ukraine eine treibende Kraft ist, ein Land, das Beispiele dafür liefert, wie man sich ändern und schnell handeln kann.

Was können Sie uns über die Mechanismen für die Rückführung ukrainischer Kinder sagen?

Ich kann sagen, dass es uns bis jetzt gelungen ist, 386 Kinder zurückzubringen. Die sind die Kinder, die aus dem Gebiet der Russischen Föderation zurückgebracht worden sind. Ja, wir haben eine gesonderte Zahl von Kindern, die aus den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine zurückgeführt worden sind und rechtlich als gewaltsam vertrieben gelten, aber das ist dasselbe Verbrechen. Und es ist zu 99 % das Verdienst des ukrainischen Staates, der Ukrainer und Ukrainerinnen, dass unsere Kinder nach Hause zurückgekehrt sind. Ich kann jetzt nicht sagen, dass einer der Partner, mit denen wir zusammenarbeiten, sehr effektiv gewesen ist. Wir haben Organisationen, die uns helfen, aber ihre Hilfe ist auf dem Gebiet wirksam, das wir als Staat kontrollieren, während auf dem vorübergehend besetzten Gebiet der Ukraine und auf dem Gebiet der Russischen Föderation jegliche Kommunikation und alles, was mit der Rückführung zusammenhängt, extrem schwierig ist.

Ich hoffe, dass wir in naher Zukunft zeigen können, dass einer der Partner, vielleicht sogar mehrere Partner, so effektiv sein werden, dass wir Hunderte, Tausende ukrainischer Kinder und ukrainischer Zivilisten zurückbringen können. Wann ich mit potenziellen Partnern zusammentreffe, äußere ich immer den Wunsch, dass sie sich für einen der Bereiche ihrer Arbeit entscheiden und konkrete Ergebnisse vorweisen können. Selbst wenn es nur ein kleines Ergebnis ist, wird Schritt für Schritt etwas Großes erreicht werden. In der Regel endet meine Kommunikation sehr einfach. Wollen Sie uns helfen, ukrainische Kinder zurückzubringen? Hier ist eine Liste mit 10 Kindern. Wenn Sie mehr brauchen, werden wir Ihnen mehr geben, aber zeigen Sie uns, dass Sie mindestens ein ukrainisches Kind zurückbringen können. Wenn dies der Fall ist, werde ich der Erste sein, der sich öffentlich dazu äußert: „Danke, gut gemacht, ihr habt sie zurückgebracht“. Auf diese Weise pflege ich auch die Kommunikation mit potenziellen Partnern, die uns helfen können, sowohl in Bezug auf zivile Geiseln als auch auf Kriegsgefangene.

Wenn Sie von Partnern sprechen, meinen Sie dann Länder?

Wenn ich von Partnern spreche, dann meine ich nicht nur Länder. Wir haben auch Organisationen, die ihr Interesse bekundet haben, uns bei der Rückkehr unserer Bürger und Bürgerinnen zu helfen.

DER PROZESS DER DOKUMENTATION VON KRIEGSVERBRECHEN

Haben Sie Informationen darüber, wie viele unserer Kinder sich in den vorübergehend besetzten Gebieten, auf dem Gebiet der Russischen Föderation und möglicherweise auch in Belarus befinden?

Sie wissen, dass wir öffentlich von etwa 20.000 ukrainischen Kindern sprechen, die wir überprüft haben, aber in Wirklichkeit könnte diese Zahl viel höher sein. Die Russen selbst behaupten, dass sich 744.000 ukrainische Kinder in ihrem Hoheitsgebiet befinden. Meiner Meinung nach ist es absolut logisch, wie sie dorthin gekommen sind: Es war nicht ihr eigener Wunsch. Sie haben also in ukrainischen Städten gelebt, alles war in Ordnung, und dann haben sie irgendwann beschlossen: Lasst uns auf das Gebiet der Russischen Föderation gehen. War es so? Nein! Das ist eine Folge der russischen Aggression – das ist wichtig zu verstehen. Erst sind sie mit einer Aggression zu uns gekommen, dann haben sie die Evakuierung der Zivilisten blockiert. Danach haben leider einige Organisationen mitgespielt: Seht her, sie sind Retter, sie retten angeblich die ukrainischen Bürger und Bürgerinnen, sie haben die Grenzen geöffnet, damit die Flüchtlinge ausreisen können. Hatten diese Menschen eine andere Wahl?

Meiner Meinung nach müssen wir diese Situation durch das Prisma der Tatsache betrachten, dass die Menschen dort, auf dem Gebiet der Russischen Föderation, alle Opfer der russischen Aggression sind. Und die Ukraine verlangt, dass wir mithilfe internationaler Organisationen Listen dieser Kinder erhalten, Listen ihrer Eltern, wo sie jetzt sind, unter welchen Bedingungen sie leben, und dass wir ihnen physisch Zugang zu ihnen verschaffen.

Wie läuft der Prozess der Übermittlung von Informationen über die zurückgebrachten Kinder an den IStGH ab?

Der Prozess läuft folgendermaßen ab. Wenn wir ukrainische Kinder zurückbringen, sprechen unsere ukrainischen Psychologen zunächst mit ihnen und beurteilen ihren Zustand. Dann muss sich das Kind einer medizinischen Untersuchung unterziehen, die absolut kostenlos ist, alles wird auf öffentliche Kosten durchgeführt. Die Psychologen geben ihre Meinung ab, die Ärzte geben ihre Meinung ab. Ein offizielles Verfahren wird erst dann eingeleitet, wenn der Psychologe bestätigt, dass der psychische Zustand des Kindes eine Kommunikation mit ihm zulässt und dass es sich einer solchen Kommunikation nicht widersetzt. Nicht nur das Kind muss zustimmen, sondern auch seine Eltern oder Erziehungsberechtigten müssen einverstanden sein. Zusätzlich geben auch Ärzte ihre Meinung ab.

Wir hatten einen Fall mit einem Jungen namens Serhij. Nach seiner Rückkehr ist er zu einer medizinischen Routineuntersuchung gekommen und fast zwei Wochen lang geblieben. Der Junge hatte eine komplizierte Operation an seinem Bein hinter sich, und er hatte auch ein Problem mit seinem Auge. Dieses Kind hat bereits zweimal die Folgen der russischen Aggression erlebt: 2015 wurde er verletzt, als eine russische Mine in seiner Nähe explodierte. Nach der Operation geht es Serhij gut, und Psychologen haben mit ihm gearbeitet. Nach all diesen Vorfällen ist in der Ukraine auf Initiative des Präsidenten das Zentrum für Kinderrechte eingerichtet worden. Dort ist ein spezieller Raum auf der Grundlage des Barnahus-Modells eingerichtet worden, in dem ein Kind in Gesprächen mit einem Psychologen Informationen bereitstellen kann, die der Internationale Strafgerichtshof nutzen kann.

Unsere Staatsanwälte oder die vom IStGH?

Für ein Kind ist es ein gewöhnliches Gespräch mit einem Psychologen, und es hat nicht einmal das Gefühl, dass irgendeine Art von offiziellem Vorgang aufgezeichnet wird. Rechtlich gesehen handelt es sich um Vertreter unserer nationalen Strafverfolgungsbehörden, aber wir haben ein Gutachten erhalten, dass dieses Format nicht nur geeignet ist, sondern auch vom IStGH voll akzeptiert wird. Deshalb geschieht dies alles auf folgende Weise. Die Ukraine erfüllt ihre Aufgabe, dokumentiert Kriegsverbrechen und leitet sie an die IStGH-Vertreter in der Ukraine weiter, und dafür ist die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine zuständig. Meiner Meinung nach läuft alles so weit wie möglich über das Kinderschutzverfahren.

Während Ihres Besuchs in Den Haag war der IStGH-Chefankläger Kareem Khan in der Ukraine. Der Internationale Strafgerichtshof hat ein Büro in Kyjiw eröffnet. Wie kann dies bei der Suche nach ukrainischen Kindern und deren Rückführung helfen? Sie hatten auch ein Treffen am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Es hat ohne die Medien stattgefunden. Was haben Sie vor dem IStGH besprochen?

Wir hatten ein Treffen mit dem Leiter des Sekretariats, der eigentlich der höchste Beamte ist, der die Tätigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs überwacht. Was war mein Hauptziel? Erstens, die Kommunikation herzustellen. Als Ombudsmann der Ukraine sammle ich Informationen über Verletzungen der Rechte ukrainischer Bürger und Bürgerinnen durch die Russische Föderation. Ich bin eigentlich bereit, alle notwendigen Informationen auf täglicher, wöchentlicher oder monatlicher Basis zu liefern. Uns ist jede Option recht, um den Prozess der Dokumentation von Kriegsverbrechen, die von Russland auf dem Territorium der Ukraine begangen worden sind, voranzubringen. Ich erwarte keinen Durchbruch, und es ist klar, dass ein Durchbruch hier in erster Linie von den IStGH-Anklägern abhängt.

Zufälligerweise hat der IStGH vor kurzem ein ständiges Büro in der Ukraine eröffnet. Das begrüßen wir. Als jemand, der sich mit IStGH-Vertretern in der Ukraine getroffen hat, begrüße ich diese Initiative ausdrücklich. Sie wird die Übermittlung von Daten aus unserem Land, von unseren Regierungsbehörden an den IStGH beschleunigen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Liste der Haftbefehle wachsen würde, denn es sind nicht Putin und Lwowa-Belowa, die ukrainische Kinder physisch abschieben und entführen. Tausende russischer Staatsbürger und Staatsbürgerinnen in verschiedenen Positionen sind daran beteiligt. Wir dürfen nicht aufhören – das ist meine wichtigste Botschaft an den Internationalen Strafgerichtshof. Wir schätzen diesen ernsthaften Schritt sehr, aber hören Sie bitte nicht auf.

Iryna Drabok, Den Haag

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