Małgorzata Gosiewska, Ko-Autorin des Berichts über Verbrechen der Russen im Donbass

14.06.2016 12:49

Dem Westen müssen die Realitäten des Regimes Putins gezeigt werden

Letzte Woche wurde im polnischen Sejm der Bericht „Russische Kriegsverbrechen in der Ukraine im Jahr 2014“ vorgelegt. Dieses Dokument hat den polnischen Gesetzgebern und der Öffentlichkeit Małgorzata Gosiewska, Mitglied des Sejms und stellvertretende Vorsitzende der Kommission in der unteren Kammer des polnischen Parlaments für auswärtige Angelegenheiten, vorgestellt.

Im Interview mit dem Ukrinform-Korrespondenten erzählte die polnische Abgeordnete über die Bedeutung dieses Dokuments, seine Wahrnehmung in Russland und die Rolle, welche dieses Dokument in Bezug auf Putins Russland im Westen spielen kann.

- Der französische Senat appellierte an die Regierung des Landes, die Sanktionen gegen Russland schrittweise aufzuheben. Was würden Sie, als polnische Abgeordnete, den französischen Kolleginnen und Kollegen in dieser Situation sagen?

- Es ist eine große Schande, Schande für Europa, dass die französischen Politik auf solche Art und Weise an die Sache dran gehen. Mein Bericht zeigt, was Russland unter Putin tatsächlich ist, und dass man darauf die Augen nicht schließen darf. Ich möchte sehr, dass die französischen Deputierten diesen Bericht lesen, denn den gibt es auch auf Französisch. Sie müssen darüber nachdenken, was sie tun. Natürlich ist aus der Sicht von Frankreich das, was in der Ukraine geschieht, eine ganz weite Sache. Sie spüren direkt keine Bedrohung, wie Polen, die Länder der Visegrad-Gruppe und die baltischen Staaten. Ihnen muss man helfen, dieses Thema zu verstehen, die Realitäten des Regimes von Wladimir Putin zu zeigen, und vielleicht, beeinflusst das ihre Entscheidung. Ich denke, dass dieses Material in Europa gezeigt werden soll, damit die Europäer verstehen, wer Putin ist und mit welcher Gefahr wir zu tun haben. Sie (im Westen – Red.) halten Putin für eine zivilisierte Person, mit der man verhandeln kann, und ziehen keine Schlüsse aus der Vergangenheit und der Tatsache, dass Putin ein Mensch ist, der an die Vereinbarungen nicht hält.

Insbesondere haben das Jahr 2008 und Georgien gut gezeigt, dass das Fehlen von Schlussfolgerungen bezüglich des Regimes von Wladimir Putin zur Eskalation seiner Handlungen führt, das Gefühl der Straflosigkeit beeinflusst, ihn kühner für weiteres Vorgehen macht. Ich denke, dass das Jahr 2008 in Georgien und Russlands Vorgehen ein Test für Europa waren, dass Europa tatsächlich nicht aufgegeben hat. Wenn es den Präsidenten Lech Kaczynski nicht gegeben hätte, dann weiß man, wie diese Geschichte enden würde. Er stellte sich damals auf den Weg (gegen Putin - Red.). Aber jetzt ist er nicht da, und deshalb hat Wladimir Putin beschlossen, dass man weiter gehen kann. Die Handlungen der französischen Abgeordneten zeigen wirklich, was man das wirklich tun kann, und das ist ärgerlich.

- Planen die polnischen Abgeordneten, irgendeinen gemeinsamen Appell an die Franzosen in diesem Zusammenhang zu verabschieden?

- Das alles bedarf Überlegungen, weil die Situation neu ist. Obwohl seit einiger Zeit in den westeuropäischen Ländern inoffiziell die Diskussion über die Lockerung der Sanktionen geführt wird, und das (die Resolution des französischen Senats – Red.) ist der erste solche offizielle Schritt. Daher muss man über die weiteren Handlungen Gedanken machen.

- Kann man heute überhaupt die Frage über die Lockerung der Sanktionen gegen Russland aufrollen, wenn im Osten der Ukraine die Kamphandlungen eskaliert haben, jeden Tag Menschen sterben und die Abkommen von Minsk nicht erfüllt werden?

- Es gibt keinen Grund für die Aufhebung der Sanktionen. Die russische Seite hat in keiner Weise die Minsker Abkommen erfüllt, man darf die Verletzung des Völkerrechts akzeptieren, da dies zum weiteren Vorgehen veranlasst. Die Krim ist weiter unter der Besatzung der Russischen Föderation, und diese Tatsache erregt keine Zweifel. Dies ist eine Verletzung des Völkerrechts und alle sind damit einverstanden. Daher kann man den Übergang zur normalen Tagesordnung in den Beziehungen mit Russland nicht akzeptieren, sondern über ein effektives Vorgehen in Bezug auf die Russische Föderation überlegen. Russland gibt durch den Dialog nicht nach, sondern nur durch Stärke und Druck. Die Militärübungen Anakonda, die jetzt in Polen (von 7. bis 17. Juni – Red.) andauern, sind auch eine Form der Demonstration unserer Stärke (Nato - Red.) und Einheit. Sie sind nicht gegen Russland gerichtet und sind eine Form der Demonstration, dass die Länder der Allianz gut zusammenarbeiten können, und Russland soll das wissen.

- Ihr Bericht über Verbrechen Russlands im Donbass, seine Einreichung im Gericht in Den Haag, die Präsentation in den nationalen Parlamenten haben zu einer nervösen Reaktion in Russland geführt. Kann man sagen, dass Sie ins Schwarze getroffen haben und die Russen vor der Verantwortung für ihre Handlungen in der Zukunft fürchten?

- Ich weiß, dass einige von den Verbrechern, die in dem Bericht erwähnt sind, ihre Taten rechtfertigen. Igor Strelkow (Girkin – Red.) rechtfertigt sich beispielsweise in einem seiner Interviews für die russischen Medien. Für mich ist wichtig, dass niemand, keine der Seiten dieses Dokument in Frage gestellt hat, und vor allem die russische Seite. Bei der Erstellung dieses Berichts haben wir sehr vorsichtig gehandelt. Er hat ca. 60 Aussagen, aber dies bedeutet nicht, dass wir nur mit den Menschen gesprochen haben, die in dem Dokument erwähnt sind. Wir haben Gespräche mit einer viel größeren Anzahl von Personen geführt, den Augenzeugen dieser dramatischen Ereignisse. Aber wir haben nicht alle Aussagen zur Kenntnis genommen, gerade wegen der Befürchtung, dass jemand etwas in Frage stellen könnte. Es würde einen Fehler genügen und dies könnte Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit dieses Dokuments haben. Bisher hat niemand irgendwelche Fehler im Bericht gefunden und es ist sehr wichtig für mich. Das zeigt das Gewicht des Materials, und deswegen wird er ernsthaft von der russischen Seite wahrgenommen.

- Auf dem Territorium Russlands sind jetzt noch viele politische Gefangene aus der Ukraine, darunter auch aus der Krim…

- Und erscheinen neue. Auf der Krim beobachtet man jetzt eine Zuspitzung der Situation, Entführungen der Menschen aus den Moscheen und dergleichen mehr. In der Geschichte passierte es selten, dass die Menschen direkt aus den Heiligtümern entführt werden. Aber Russland ist zu allem fähig.

- Wird Polen weiter die Bemühungen der Ukraine unterstützen, diese Menschen aus der russischen Gefangenschaft zu befreien?

- Natürlich, ja. Und nicht, weil uns die freundschaftlichen Beziehungen verbinden, sondern, weil es unsere Pflicht ist, die Pflicht einer zivilisierten Welt. Die ganze Welt muss über die Gefangenen sprechen, die auf dem Territorium der Russischen Föderation gehalten werden.

- Ist die Präsentation noch in anderen Ländern geplant?

- Wir planen noch Präsentationen solcher Art in den nationalen Parlamenten anderer Länder. Wir diskutieren, verhandeln, versuchen, Termine für die Präsentationen festzulegen. Ich verberge nicht, dass es für uns wichtig ist, dass diesen Bericht, dieses Bild von Putins Russland die europäischen Politiker verstehen können, und vor allem die Gesellschaften dieser Länder.

Jurij Banachewitsch, Warschau