Carl Bildt

16.02.2016 14:33

Ex-Premier- und Außenminister Schwedens : Im Kreml versteht man nicht ganz, wie es weiter mit dem Donbass gehen soll

In Europa ist das Interesse an der Ukraine nach wie vor hoch, aber auf die Tagesordnung rückten akutere Krisen, und es bedeutet auch, dass die Situation in unserem Land jetzt besser ist als vor einem Jahr.

Darüber spricht in einem exklusiven Kurzinterview mit dem Ukrinform-Korrespondenten der ehemalige Premier- und Außenminister Schwedens, Carl Bildt.

- Herr Bildt, auf der am Sonntag zu Ende gegangenen 52. Münchner Sicherheitskonferenz war die Ukraine-Frage nur am Rande behandelt. Zeigt das, dass das Interesse an ihr geringer wird?

- Ich glaube nicht, dass jetzt das Interesse an der Ukraine nicht da ist. Die Frage ist einfach darin, dass es in der Welt auch viele andere Fragen gibt.

Im gewissen Sinne ist das auch gut so, dass die ukrainische Krise gegenwärtig solche Maßstäbe nicht hat. Die Tatsache, dass die Ukraine auf der Tagesordnung der Treffen nicht stand, ist, meiner Meinung nach, ein gutes Zeichen.

- Ist es möglich, Ihrer Meinung nach, die Anforderungen der Abkommen von Minsk bis zum Sommer zu erfüllen?

- Es gibt genug Zeit bis zum Sommer. Aber sie beginnt, knapp zu werden. Kritisch ist jetzt die Frage der Organisation der Wahlen. Und wenn ihr vorhabt, diese Wahlen zu organisieren, dann wird das ziemlich viel Zeit kosten. Das sind 3 bis 4 Monate, um sie möglich zu machen. Das heißt, die Zeit wird schon knapp.

- Ist das überhaupt möglich, die Wahlen bei offenen Grenzen abzuhalten?

- Ich denke, es ist möglich. Aber viele andere Bedingungen müssen befolgt werden. Und die Behandlung dieser Fragen geht viel zu langsam.

- Haben Sie nicht das Gefühl, dass Russland zurzeit mit Syrien sehr beschäftigt ist und seine Pläne hinsichtlich der Ukraine aussetzen kann?

- Ich glaube nicht, dass Russland diese Idee aufgeben wird. Ich denke, das ist sein langfristiges Ziel, und es bleibt gleich. Aber ich denke, sie haben verstanden, dass man eine Wendung machen muss. Sie haben Schwierigkeiten. Und ich glaube wirklich, dass sie nicht ganz verstehen, wie es mit dem Donbass weiter gehen soll. Ich denke, sie sind sich bewusst, dass die militärische Option derzeit auf der Tagesordnung nicht steht. In der Wirklichkeit ist sie nicht aktuell seit einiger Zeit.

- Im Sommer wird sich wieder das Schicksal der Sanktionen entscheiden. Halten Sie sie für ein wirksames Mittel?

- Die Sanktionen sind eines der Politikinstrumente. Russland hat ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten. Obwohl sind sie nicht unbedingt durch die Sanktionen verursacht. Die Sanktionen bestimmen nur teilweise den Zustand der russischen Wirtschaft. Vielmehr sind sie als politisches Signal wichtig.

- Gibt es eine Möglichkeit, dass sie doch in ein paar Monaten aufgehoben werden?

- Es hängt davon ab, wie sich die Ereignisse entwickeln werden. Bisher sagten alle Staats- und Regierungschefs der EU, dass die Sanktionen mit der vollständigen Umsetzung der Abkommen von Minsk verbunden sind.

- Herr Bildt, was glauben Sie, hat die emotionale Ansprache des Präsidenten Poroschenko auf der Podiumsdiskussion Resonanz bei dem Publikum gefunden?

- Ich glaube, ja. Weil er sich auf eine Botschaft fokussiert hatte, die daraus folgte, was vorhin der Premierminister Medwedew sagte, dass in der Ukraine ein Bürgerkrieg ist. Und der Präsident Poroschenko gab klar zu verstehen, dass das nicht stimmt. Ich denke, dass diese Botschaft angekommen ist. Ich denke, dass in dieser Sicht er effektiv war.

- Welche Methoden sehen Sie, um die Ukraine zu nötigen, die Reformen aktiver durchzuführen?

- Das wirksamste Mittel, denke ich, ist der IWF. Ohne die Finanzierung des IWF wird die Ukraine weitere erhebliche finanzielle Probleme haben.

Olha Tanasijtschuk, München-Berlin.