Tony Abbott

31.03.2016 14:01

Die Welt muss die zivile und militärische Unterstützung der Ukraine fortsetzen

Ende Dezember letzten Jahres wurde der Internationale Beratungsrat beim Präsidenten der Ukraine gegründet, was zur Umsetzung von Reformen im Land auf der Basis der internationalen Erfahrung beitragen sollte. Neulich hat in Kiew unter dem Vorsitz von Staatschef Petro Poroschenko die erste Einweihungssitzung des Beratungsrates stattgefunden, an der unter anderen angesehenen Weltpersönlichkeiten auch der ehemalige Premierminister von Australien, Tony Abbott, teilgenommen.

Es war die Regierung unter Abbott, die im Jahr 2014 die russische Aggression gegen die Ukraine bedingungslos verurteilte und als eine der ersten unter den pazifischen Ländern war, die Sanktionen gegen Russland verhängte und unserem Staat materiell-technische Unterstützung leistete. Abbott persönlich zeichnete sich durch die harte Rhetorik an Russland und Wladimir Putin beim G20-Gipfel in Australien im Jahr 2014 aus. Der von ihm verwendete Begriff „shirtfront“ wurde sogar zum „Wort des Jahres“ im Macquarie-Wortschatz.

Die Sitzung des Rates fand kurzfristig statt und deshalb gab es keine Gelegenheit, sich mit dem Herrn Abbott in Kiew zu treffen. Dennoch konnte er ein paar Fragen des Ukrinform-Korrespondenten in Australien über die Ergebnisse des Beratungsrates und ukrainisch-australische Beziehungen im Ganzen beantworten.

- Sie flogen kürzlich nach Kiew für die Teilnahme an der ersten Sitzung des Internationalen Beratungsrates beim Präsidenten der Ukraine, dessen Mitglied Sie sind. Wie beurteilen Sie diese Initiative der ukrainischen Führung und das Potenzial eines solchen Forums?

- Sicherlich ist das eine gute Initiative, denn sie ermöglicht, zum Reformprozess die Leute von außen heranzuziehen, die mit der ukrainischen Regierung sympathisieren und helfen wollen. Darüber hinaus hilft es, die Welt daran zu erinnern, dass das Reformprogramm in der Ukraine fortgesetzt ist.

- Australien hat die Ukraine in der schwierigsten Zeit unterstützt, aber jetzt scheint es, dass die Ukraine wegen der Krise in Syrien, Entwicklungen im Südchinesischen Meer aus den außenpolitischen „Radaren“ Australiens verschwunden ist. Kann man Ihren Besuch als Beweis für die beständige Unterstützung Australiens für die Ukraine betrachten?

- Es ist schon so, dass die Welt dazu neigt, von bestehenden Krisen vor dem Hintergrund der Entstehung neuer, auch wenn die vorherigen noch anhalten, zu vergessen. Aber ich glaube, dass es ein großer Fehler und eine große Gefahr ist. Im Fall mit der Ukraine bin ich überzeugt, dass die Weltgemeinschaft ihre zivile und militärische Unterstützung für ihren Staat, mindestens solange die Bedrohung durch Russland weiter besteht, fortsetzen muss.

- Über die Krisen, in Ihrem Artikel „Beim Ignorieren der Ukraine helfen wir Russland“, der kürzlich in Herald Sun veröffentlicht wurde, schreiben Sie, dass im Zusammenhang mit dem Abbau der russischen Militärpräsenz in Syrien „Putin erneut versuchen kann, mit Muskeln zu spielen“, was genau wurde gemeint?

- Ich glaube wirklich, dass nach dem Nahen Osten die größte Bedrohung für den Frieden und die Freiheit auf der Welt die Aggression Russlands gegen seine Nachbarn darstellt. Während des Aufenthalts in Kiew wurde ich darüber informiert, dass jetzt entlang der Konfliktlinie im Osten eures Landes ca. 60 000 ukrainische Soldaten mehr als 45 000 Rebellen gegenüberstehen, von denen etwa 10 000 Mitglieder der russischen Geheimdienste sind. Außer ihnen sind mindestens 50 000 russische Soldaten in Kampfgruppen auf der anderen Seite der offiziellen Grenze mobilisiert.

- Sie haben auch davon gesprochen, dass „die Gefahr darin besteht, dass die Welt im Allgemeinen das Interesse an der Ukraine verlieren kann, während ihre Unterstützung am meisten notwendig ist“...

- Ja, das ist wahr, solche Gefahr besteht. Wir wissen, dass der IWF die ukrainische Regierung finanziell unterstützt hat, die EU fördert die Entwicklung der Zivilgesellschaft, die Vereinigten Staaten und Großbritannien helfen, die ukrainische Armee auszubilden. Aber einige europäische Länder wollen Sanktionen gegen Russland aufheben. Auf die Ukraine wird Druck ausgeübt, um sie zu zwingen, Kommunalwahlen gemäß den Abkommen von Minsk durchzuführen. Jedoch ist die Waffenruhe trotz der Vereinbarung der Feuereinstellung teilweise und die Wahlergebnisse in den Rebellen-Gebieten werden kaum objektiv sein.

Aus Angst vor Putin war kein einziges Land bereit, der Ukraine sogar die Verteidigungswaffen zu verkaufen. Es ist schwer zu verstehen, warum der legitimen demokratischen Regierung, die unter realer Bedrohung steht, die Panzerabwehr- und Flak-Waffen verweigert wurden, die der Westen so leicht den Mudschaheden in Afghanistan gewährt.

Wie ich bereits in meinen Kommentaren über Russland angemerkt habe, ist das Letzte, was wir jetzt alle bei so vielen Problemen in der Welt brauchen, ein mächtiges Land, das seinen Einfluss durch den Krieg ausdehnt.

- Die Katastrophe mit dem Flugzeug MH17 hat unsere Völker sehr nah gebracht. Für viele Australier wurde sie Anfang der Erkenntnis der Maßstäbe der bewaffneten Aggression Russlands gegen die Ukraine. Nach dem russischen Veto im UN-Sicherheitsrat über die Errichtung eines internationalen Tribunals gibt es bisher keinen Mechanismus, um die Täter vor Gericht zu stellen. Welche Optionen für die Lösung dieses Problems sieht Australien?

- Das ist ein sehr sensibles Thema, das man ohne Antwort nicht lassen darf. Man muss auf seine Behandlung zurückkommen und die möglichen Optionen der Ziehung der Täter zur Rechenschaft überprüfen. Die Entscheidung muss mit Berücksichtigung der bekanntgegebenen Ergebnisse der Untersuchung des Strafverfahrens getroffen werden, die die niederländische Seite durchführt.

- Während Ihres Premierministeramtes hat der erste Besuch des Präsidenten der Ukraine in Australien stattgefunden. Wie beurteilen Sie die Umsetzung der während des Besuchs deklarierten Agenda, halten Sie Projekte der bilateralen Zusammenarbeit für vielversprechend bei der gegenwärtigen Etappe?

- Ich hoffe sehr, dass australische Investitionen in die ukrainische Wirtschaft wachsen werden, denn es gibt dafür alle Voraussetzungen. Außerdem hoffe ich, dass das Abkommen zwischen der Regierung der Ukraine und der Regierung Australiens über die Zusammenarbeit im Bereich der Kernenergie für friedliche Zwecke (die Unterzeichnung ist im Rahmen des Washingtoner Gipfels über nukleare Sicherheit Ende dieses Monats geplant – Red.) Australien ermöglicht, den Kernbrennstoff auf den ukrainischen Markt zu liefern und somit den Uran-Export nach Russland zu ersetzen, auf den wir zu unserer Zeit im Rahmen von verhängten Sanktionen gegen Russland verzichtet haben.

- Welche Reformen, Ihrer Meinung nach, sind die wichtigsten heute für den ukrainischen Staat. Womit ist Australien bereit, der Ukraine zu helfen?

- Alle Reformen sind wichtig. Der Prozess der Entschlussfassung über Schlüsselthemen sollte beschleunigt werden, die Bekämpfung der Korruption ist ein Schlüsselthema auf dieser Liste.

In der Zeit nach der Tragödie mit dem malaysischen Flugzeug des Flugs MH17 hat die australische Regierung der ukrainischen Armee materiell-technische Unterstützung von 5 Millionen Dollar geleistet und die Verhandlungen über das Verbot für die Ausfuhr vom australischen Uran nach Russland begonnen. Wir begannen die Tätigkeit der australischen Botschaft in Kiew, nicht nur als Zentrum der Koordinierung von Bemühungen zur Ziehung der Täter der Tragödie zur Rechenschaft, sondern auch als ein Zeichen der Solidarität mit einem Land, das danach strebt, frei zu sein. Das ist eine bescheidene Unterstützung, aber bei meinem Besuch in Kiew wurde es mir klar, dass sie von der Regierung und dem Volk hoch geschätzt wird.

Iwan Ysypjuk, Canberra