Jamala

26.02.2016 11:36

vertritt die Ukraine bei Eurovision Song Contest

Beim 61. internationalen Musikwettbewerb „Eurovision-2016“ in Stockholm wird Jamala die Ukraine repräsentieren. Sie gewann mit ihrem Song „1944“ beim nationalen Wettbewerb mit mehr als 38 % der Stimmen der Zuschauer.

Über das Lied selbst, dessen Thema einen Skandal in dem russischen Politikum, und als Folge, eine Resonanz in allen führenden Medien der Welt ausgelöst hatte, über die Atmosphäre der nationalen Auswahl und die zukünftige Kommunikation bei der Eurovision mit dem russischen Team, über ihre Absicht, überraschen, überraschen und überraschen, erzählte die Sängerin Jamala in einem Interview mit dem Ukrinform-Korrespondenten.

- Jamala, Sie haben ein sehr lebendiges und schönes Lied geschrieben, Sie haben es schön beim nationalen Ausscheidungskonzert gesungen. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Sieg. Aber immerhin, warum haben Sie für Eurovision das Thema des Jahres 1944 gewählt?

- Der Wunsch, am Ausscheidungskonzert teilzunehmen, kam spontan, buchstäblich eine Woche vor dem Beginn. Und das Lied „1944“ habe ich noch vor anderthalb Jahren geschrieben. Es hat einfach gelegen, ich habe es sogar nicht in mein neues Album „Atem“ genommen, das vor vier Monaten herausgegeben wurde. Das Lied wurde für mich so ein starker und schwieriger emotionaler Moment, dass ich es in einem separaten Ordner, mit der Unterschrift bewahrte, und ich hatte die ganze Zeit Angst, zu ihm zurückzukehren. Weil das Thema sehr persönlich, sehr traurig ist, und, man wollte natürlich nicht, sich erneut zu verstimmen, zu belasten, es wieder berühren. Aber an irgendeinem Moment verstand ich, dass es, erstens, ziemlich würdig ist, ein Lied erzählt über die Geschichte von Tausenden von Menschen. Es ist immer sehr wichtig für jedes Schaffen, sei das ein Lied, Bild, Film und usw. Wenn es eine Ganzheit der Form und des Inhalts gibt, ist das ein Sieg.

Und so ist es passiert. Der Wunsch, an Eurovision Song Contest teilzunehmen, und die Erkenntnis, dass ich ein Lied für ihn habe, sind zusammengefallen. Das kam unbewusst, das war nicht absichtlich geplant, es war absolut aus dem Herzen.

- Wahrscheinlich hat das Lied selbst Sie dazu bewegt, nach Eurovision zu streben. In ihm ist so viel Liebe und so viel Seele ausgedrückt!

- Wissen Sie, mir sagt man, Jamala, du singst so schön über die Liebe, sing doch über die Liebe. Aber ich singe doch über die Liebe, Leute! Dieses Lied ist über solche Liebe, öffnet nur die Hände und nehmt sie an. Es ist über die große Liebe zum Vaterland, über die große Liebe zu seinem Volke, über eine Frau, die diese Liebe durchs Leben getragen hat. Denn meine Urgroßmutter Nazylchan ist nie auf die Krim zurückgekehrt. Verstehen Sie, worin die Tragödie besteht? Ihre Kinder, vier Söhne, sind zurückgekehrt, und sie hat diesen Moment nicht erlebt...

- Ist das Ihre Botschaft für Sie, in den Himmel.

- Ja. Dieses Lied ist wie ein Andenken, eine Widmung und meine Befreiung ihrer Seele. Gerade so fühlte ich mich nach dem Halbfinale, nachdem ich dieses Lied gesungen hatte, als ob ich die Seelen der Verstorbenen während der Deportation von Menschen befreit habe, die also nie geschafft haben, auf die Krim zurückzukehren, ich habe auch mich von dieser Last befreit… Man muss an solche Ereignisse denken, man darf nicht über sie schweigen. Man darf nicht, dass die Menschen spurlos verschwinden, dass ihre Seelen im unruhigen Zustand bleiben und zu uns in den Träumen kommen…

Und ich bin sehr froh, dass die Ukraine diesen Schmerz geteilt hat, dass es jedem Ukrainer nah ist. Ich habe so viele Briefe nach diesem Lied bekommen! Und die Menschen schreiben über Ihres, dass es auch im Westen der Ukraine Repressionen und Deportationen gab, und jeder Brief ist darüber, dass ihre Familie ähnliche Geschichten haben. Verstehen Sie? Und wie kann man behaupten, dass das jetzt niemand braucht?.. Es gibt nichts anderes Echtes, als die Liebe zur Heimat, zu den Wurzeln, zu seiner Familie.

- Ihr PR-Direktor Denis Kozlowski versuchte, den Refrain des Liedes aus dem Krimtatarischen – die Zitat Ihrer Urgroßmutter zu übersetzen. Die Übersetzung klang so: „Ich konnte nicht meine Jugend hier verbringen, weil ihr meine Welt genommen habt“. Alles richtig?

- Ja, absolut richtig.

- Und er sagte mir auch noch, dass es im Text nichts gibt, weshalb Ihnen die Russen Vorwürfe machen, es gibt da kein politisches Motiv, und solche Wörter wie „Deportation“, „Krimtataren“, „Russland“ werden nicht erwähnt.

- Und das ist auch ein bisschen komisch. Dort gibt es kein solches Wort. Sie können endlos Kommission versammeln, meinen Text unter der Lupe betrachten und sie werden da kein Wort über Politik finden, weil es sie dort nicht gibt. In diesen Worten gibt es nur Liebe und Traurigkeit, da gibt es wirklich gar keinen Vorwurf und keine Adressierung, sondern eine Erzählung von einer dritten Person. Das ist meine Erzählung über die Geschichte, die 1944 geschah.

- Jamala, Ihr Sieg beim Ausscheidungskonzert hat in Russland beinahe größere Resonanz als in der Ukraine ausgelöst, und mit einem klaren politischen Kontext. Hat für Sie die Bedeutung eine solche Reaktion?

- Ich glaube, das ist vergeblich. Man muss die Fehler der vergangenen Jahre, historische Fehler, die durch das Sowjet-Regime begangen wurden, annehmen. Jetzt sucht natürlich niemand nach den Schuldigen. Aber das gab es, das ist die Tatsache, das wurde offiziell als Verbrechen während der UdSSR anerkannt. Man braucht nicht, darauf aggressiv zu reagieren, man muss es einfach nur akzeptieren, das ist alles. Je größer in Russland der Skandal ausbricht, desto größer ist das Interesse aller Weltmedien. Wenn sie ruhig reagieren würden, würde die Welt wahrscheinlich nicht so einen großen Wert drauf legen. Aber so wurden Artikeln zu diesem Thema herausgegeben, und ich sage ohne Übertreibung, von allen führenden Medien der Welt.

- Von welchen, zum Beispiel?

- Reuters, Associated Press, France Press, Deutsche Welle, BBC, The Guardian, The Washington Post, Le Figaro, Billboard. Sie können sich diese Liste anschauen, sie ist einfach endlos! Und das ist innerhalb von diesen ein paar Tagen. Solche Reaktion, also.

- Das heißt also, dass die Welt beschlossen hat, herauszufinden, was da für eine Geschichte ist, und die Russen haben Ihnen in die Hände gespielt?

- Natürlich. Sie haben das Interesse erweckt. Na also, verstehen Sie, ein Mädchen sang über die Oma und dann kam es zu so was... Jeder bei Eurovision singt darüber, was ihm am Herzen liegt. Jemandem wurde das Herz gebrochen, jemandem wurde das Auto gestohlen - und er singt darüber in einer gewissen Scherzform. Jemand singt: „Cigel′, Cigel′, AI Liu-Liu!“. Alles, was Sie wollen. Aber es stellt sich heraus, dass mein Thema bei allen das Interesse erweckt hatte.

- Rechnen Sie auf die Unterstützung der Krimtataren bei Eurovision Song Contest?

- Natürlich. Das ist doch klar!

- Auch wenn sie im Namen Russlands stimmen werden?

- Natürlich, das ist die einzige Möglichkeit, die sie haben.

- Was denken Sie, welche Kommunikation werden Sie bei Eurovision Song Contest mit dem russischen Team haben? Russland wird Sergej Lasarew vertreten.

- Ich kenne Sergej noch seit der „Neuen Welle“... Hören Sie, das ist doch ein internationaler Wettbewerb! Natürlich werden wir alle kommunizieren und uns irgendwie überschneiden. Ich werde versuchen, maximal politische Themen zu vermeiden. Ich werde versuchen, mich durch Provokationen nicht beeinflussen zu lassen. Ich werde versuchen, über die Musik zu sprechen und mich mit meiner Sache zu beschäftigen, mich auf den Auftritt vorzubereiten, und so aufzutreten, damit jedes Mal immer besser und besser wird, mit der Gänsehaut, mit der Seele. Ich möchte mich nicht verplempern, sonst kann man verrückt werden, wenn man sich jedes Mal wegen einer oder anderer Provokation aufregt, auf jeden Stich reagiert. Auch in Bezug darauf, dass ich das falsche Thema benutzt habe...

- Falls Sie gewinnen, in welcher Stadt möchten Sie das nächste Mal an der Eurovision teilnehmen?

- In Kiew!

- Wunderbar, wir werden darauf warten. Wir wünschen Ihnen Sieg, Jamala! Wir alle werden Ihnen den Daumen drücken. Viel Glück für Sie und uns alle!

Walentyna Paschtschenko, Kiew.