Mark Fejgin, ihm wurde in Russland der Status des Anwalts aberkannt
Worin besteht die Hauptbesonderheit des „Falls Suschtschenko“? Er weigerte sich komplett, mit der Untersuchung zusammenzuarbeiten
27.04.2018 16:28

Am Dienstag, dem 24. April, hat man dem Verteidiger von Roman Suschtschenko, und davor von vielen anderen ukrainischen politischen Gefangenen, Mark Fejgin, den Status des Rechtsanwalts aberkannt. Es geschah auf einer Sitzung des Rates der Anwaltskammer der Stadt Moskau. Es muss ein sehr naiver Mensch sein, der glaubt, dass solche Entscheidungen im heutigen Russland ohne Abstimmung mit den Behörden getroffen werden.

Über die Mechanismen für die Annahme dieser Entscheidung, ihre Folgen, und wie es in das Bild des politischen Lebens Russlands passt, hat Mark Fejgin selbst dem Korrespondenten von Ukrinform erzählt.

Haben Sie schon einige Details erfahren, wie die Entscheidung über die Aberkennung Ihres Status gefällt wurde?

Ja. Und ich bin froh, dass die bisherigen Informationen nicht genau waren. Früher wurde mir gesagt, dass sich für mich lediglich Henri Reznik (verdienter Jurist, Kandidat der Rechtswissenschaften Russlands – Red.) eingesetzt hat. Aber die Diskussion fand hinter verschlossenen Türen statt, deshalb wusste ich nichts genau. Jetzt kam neue Information. Es stellte sich heraus, dass sich von 11 Menschen des Rats der Anwaltskammer von Moskau für mich fünf Personen eingesetzt haben, sechs haben gegen mich gestimmt. Das heißt, mir wurde der Status mit einer Mehrheit von einer Stimme aberkannt. Die Namen kenne ich nicht. Aber ich weiß, dass gegen mich sehr aktiv der Vizepräsident des Rechtsanwaltskammer Moskaus Wadim Kljuwgant auftrat...

Ist es etwa der Anwalt, der einst Chodorkowski verteidigte?

Ja. Er zählt bei uns irgendwie zu progressiven Persönlichkeiten, zum Liberalen. Aber es scheint mir, dass insbesondere solche Handlungen, wie jetzt, eine gute Grundlage dafür ist, um solche Einstellung zu korrigieren. Es ist zwar natürlich äußerst unangenehm, denn früher hatte Kljuwgant würdige Fälle. Und er, wie man sich daran erinnert, geriet selbst unter ernsten Druck der Behörden. Und hier der Übergang in die Position der Unterwürfigkeit…

Wie fand chronologisch die Behandlung Ihres „Disziplinarfalls“ statt?

Ich und meine Anwälte, die meine Interessen vertreten, wurden um 15:00 Uhr eingeladen. Aber zuerst wurden andere Fälle behandelt, „kleine Vergehen“... Diese ganze Zeit herrschte in der Anwaltskammer Gehetze. Es schien so, dass man noch etwas abstimmte, man rief den Kreml an. Und dann wurde mir klar, dass mir heute aller Wahrscheinlichkeit nach der Status aberkannt wird. Und diese Entscheidung wurde nur um 20:00 Uhr verkündet.

Können Sie bitte sagen, worin ist das Wesentliche des Disziplinarverfahrens gegen Sie?

Der Status wurde für drei Tweets aberkannt, die einen unanständigen Wortschatz hatten. Darin wurde die „Verletzung der Ethik und der Verhaltensregeln im Internet“ ersehen (diese Norm wurde kürzlich angenommen, und über sie erzähle ich noch gesondert).

Wir sind erwachsene Menschen. Können Sie sagen, was das für schreckliche Worte sind?

Das ist das Ding! Es waren nicht einfach nur Schimpfworte. Ich benutzte den Ausdruck „Kremler fick“ und der allgemeine Sinn der Tweets war wirklich derb. Aber ich möchte betonen, wie Sie sehen können, war das eine politische Definition und eine politische Aussage an die Adresse der Regierung und nicht irgendwelches sinnloses Schimpfen. Was an sich selbst wichtig ist... Außerdem wurden während der Annahme der Entscheidung die Regeln durch die Rechtsanwaltskammer selbst grob verletzt. Gemäß Artikel 18 des Verhaltenskodexes darf solche Strafe nach mehr als 6 Monaten seit der Entdeckung des Gegenstandes der Beschwerde nicht gesetzt werden. Die drei angegebenen Tweets wurden von mir am 19. Juli 2017 veröffentlicht, die Beschwerde diesbezüglich wurde am 25. Juli eingereicht. So sind gegenüber dem vergangenen Dienstag nicht 6, sondern 9 Monate vergangen. Ich und meine Verteidiger haben betont, dass die Frist abgelaufen ist, und eine solche Entscheidung nicht gefällt werden kann. Aber das kümmerte niemanden.

Sie sagten einmal, dass jetzt vieles in dem gegen Sie eingeleiteten Disziplinarverfahren klarer wurde. Können Sie sagen, was Sie genau meinten?

Klar ist zum Beispiel, warum die Behandlung der Frage verzögern wurde: Einschränkung von 6 Monaten beängstigte niemanden. Und mir den Status des Anwalts abzuerkennen, der an Resonanzfällen beteiligt war, wollte man nicht vor den Präsidentschaftswahlen. Was noch... Sicher wurde diese Entscheidung in der Administration des Präsidenten im Kreml abgestimmt. Da ich einen Appell an Putin schrieb und Roman Zymbaljuk in diesem Zusammenhang Peskow anrief. Nicht zu vergessen, dass den Antrag gegen mich das Justizministerium der Russischen Föderation eingereicht hat… Interessant ist es auch, dass am Vorabend der Sitzung Gerüchte massenhaft verbreitet wurden, dass meine Zulassung sicher nicht entzogen wird, weil es einfach keinen Grund dafür gibt. Das heißt, alles wurde wie eine Sonderoperation durchgeführt, um mich zu überraschen. Übrigens, in dieser Hinsicht wollte ich ein paar Worte über die ukrainischen Politiker sagen. Dabei wiederhole ich mich, ich finde im Prinzip falsch für sich, über die ukrainische Politik als solche zu reden. Aber da es um mich ging, halte ich es für möglich, ein paar Worte zu sagen.

Ja, präzisieren Sie, was meinen Sie?

Mich erstaunen die Aussagen des Mitglieds der Werchowna Rada von der Radikalen Partei, Igor Mosijtschuk, des Gouverneurs von Transkarpatien, Gennadij Moskal, dass Fejgin angeblich ein FSB-Agent ist, der für ihn „Agenten abwirbt“. Als Beispiel wird der Fall Sawtschenko angeführt. Ich weiß nicht, wie man diese Paranoia ernst kommentieren kann, ganz abgesehen davon, sie zu erklären. Über die „Abwerbung von Agenten“. Diese Menschen wollen nicht irgendwie, sich daran zu erinnern, dass ich, zum Beispiel, mit Mustafa Dschemiljew, Ilmi Umerow zusammenarbeitete. Dann sollen Mosijtschuk und Moskal präzisieren, sehen sie in ihnen auch Doppelagenten?... Jetzt zu Sawtschenko, als sie frei wurde, in die Einzelfahrt ging und anfing, seltsame Aussagen zu machen und Taten zu begehen, pflegte ich mit ihr überhaupt keine Kontakte. Und ich habe ihre Handlungen mehrmals öffentlich kritisiert. Und ein anderer Anwalt übrigens, aus unserem ehemaligen Team, hat die Kontakte mit ihr gepflegt. Aber er wird in diesem Zusammenhang irgendwie nicht erwähnt.

Anscheinend meinen Sie Ilja Nowikow?

Natürlich. Gerade er macht den Eindruck eines Menschen, und das ist mein Werturteil, der mit den Kuratoren arbeitet. Wie ich jetzt nachträglich verstehe, war seine Verankerung in unser Team der Verteidigung von Sawtschenko nicht zufällig (und hier gebe ich zu, dass die Tatsache, dass ich einverstanden war, ihn aufzunehmen, mein Fehler war). Und schauen Sie, wie sich die Ereignisse der letzten Jahre entwickeln. Ich möchte Sie daran erinnern, dass gerade Nowikow die erste Beschwerde gegen mich einreichte. Sie wurde abgelehnt. Aber die Geschichte endete damit nicht, nach dem Antrag des Justizministeriums der Russischen Föderation wurde mir mit dem zweiten Versuch der Status doch aberkannt. Und jetzt wurde bekannt, dass einige Personen im Moment der Familie von Suschtschenko vorschlagen, dringend den Rechtsanwalt zu wechseln. Dabei wird der Name Ilja Nowikow genannt. Und der Kreis hat sich geschlossen, wieder mal auf Ilja Nowikow. Was die Bedenklichkeit und Voreingenommenheit seines Verhaltens nur unterstreicht… Und was mich betrifft, wiederhole ich für die Herren, wie Mosijtschuk und Genadij Moskal: FSB verrät seine Anwälte nicht und erkennt ihnen ihren Status nicht ab. Gegen jede Paranoide ist das beste Mittel die Öffentlichkeit. Und gerade das war das wichtigste Kriterium für meine Beschäftigung als Anwalt. Ich habe nichts heimlich gemacht, und ich machte alles öffentlich, und war bereit, jeden Kommentar zu geben, über alles, was ich tat. Ich, als politischer Anwalt, setzte auf Medien.

Wie hängt die Tatsache, dass Sie sich mit dem Fall Roman Suschtschenko beschäftigen, mit der Aberkennung Ihnen des Status gerade jetzt zusammen?

Aus meiner Sicht hängt es direkt zusammen. Zudem ist das eine Schlüsseltatsache. Worin ist die Hauptbesonderheit des „Falls Suschtschenko“? Er hat sich nicht schuldig bekannt, nicht im geringsten Grade. Er weigerte sich absolut, mit der Untersuchung zusammenzuarbeiten. In den Fällen der ukrainischen politischen Gefangenen gibt es nicht viele solche Fälle. Und dadurch wird der russische Geheimdienst zusätzlich gereizt, dass es gerade jetzt erschien... Aber ich schlage vor, die Entscheidung über die Aberkennung mir des Status in einen breiteren Kontext zu bringen.

Welchen?

Schauen Sie doch mal, wie die nächste Amtszeit von Putin beginnt. Versuch, den beliebten Messenger zu verbieten, häufige Gespräche über die Errichtung der vollen Kontrolle über das Internet im Allgemeinen. Und in diesem Sinne passt sich die Aberkennung dem politischen Anwalt des Status aus einem solchen geringfügigen Anlass sehr gut in die Linie zur Verschärfung des Regimes.

Die Vorschrift, die man jetzt gegen mich eingesetzt hat - „Verhaltensweise im Internet“ - erschien etwa vor anderthalb Jahren, im Jahr 2016. Ich wurde als Erster bestraft. Aber es ist ein wunderbarer Schlagstock auch für die anderen. Ein sehr bequemes Mittel für die Verfolgung von anderen Anwälten…

In dem heutigen Appell an die Anwaltsgemeinschaft von Russland erklärten Sie, dass Sie gegen die Entscheidung einen Einspruch erheben werden, und riefen die Kollegen auf, Ihnen per E-Mail zu schreiben. Was meinten Sie?

Wissen Sie, es gibt ermutigende Beispiele. Ich habe zum Beispiel erfahren, dass es eine solche Vereinigung „Anwaltsinitiative 2018“ gibt. Und sie besprechen sehr lebendig die letzte Entscheidung gegen mich. Wobei sich viele auf meine Seite stellen. Gut, dass es solche Gruppen von nicht gleichgültigen Anwälten gibt, die keine Angst haben. Ich stelle gerne den Kontakt mit ihnen her.

Und jetzt schließlich über den Fall Suschtschenko, der jetzt ohne Sie als Rechtsanwalt geblieben ist.

Ja, es hat sich so ergeben, dass er mein letzter Fall in der Anwaltskarriere wurde. Aber trotz der Aberkennung mir des Status fühle ich mich verpflichtet Roman gegenüber, der auf mich hofft, und ich werde in diesem Fall weiterhin in irgendeiner anderen Funktion arbeiten. Am Montag verabschiedeten wir uns schnell und sachlich, und jetzt werde ich alles tun, um ihn in der Freiheit begrüßen zu dürfen. Hier, ich wiederhole mich, ist das Datum der Ankunft in Russland des Präsidenten Macron Ende Mai wichtig…  

Oleg Kudrin, Kaunas.

yv 

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