Denys Schmyhal, Premierminister der Ukraine
Position der EU-Führung hinsichtlich der Sanktionen gegen Russland ist unveränderlich fest
18.02.2021 16:41

Der Regierungschef kommt zum Interview nach dem Besuch in Europa mit einem Stapel Dokumente. Hier - sagt er und blättert Grafiken, Tabellen, Statistiken - bin ich bereit, jedem zu bezeugen, dass es kein „Höflichkeitsbesuch“ war.

Das haben wir schließlich so nicht gedacht. Aber es gibt noch viele Fragen: Auf Twitter und Facebook, wo der Premierminister jeden Tag während seines Besuchs schrieb, kann man nicht über alles erzählen. Jetzt haben wir eine Stunde Zeit und möchten alle Themen des Besuchs - Reformen, Coronavirus, NATO, antirussische Sanktionen - im Detail spüren ...

Während Ihres Besuchs in Brüssel kündigte die EU-Kommission die Zuweisung von 40 Mio. EUR an die Länder der Östlichen Partnerschaft, einschließlich der Ukraine, zur Vorbereitung des Impfprozesses an. Inwieweit werden diese Mittel uns helfen, die Impfung zu beschleunigen, und wie ist unsere medizinische Infrastruktur bereit, mit dem Impfstoff Pfazer zu arbeiten, der bei extrem niedrigen Temperaturen transportiert und gelagert werden muss?

Das Thema der Impfung gegen Covid ist heute sowohl für Europa als auch für die Ukraine am aktuellsten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass dieses Thema das erste in unserem Dialog war. Noch im Frühjahr letzten Jahres haben wir uns mit der EU auf eine makrofinanzielle Soforthilfe für die Ukraine in Höhe von 1,2 Mrd. EUR geeinigt, wovon wir die erste Hälfte 600 Mio. EUR bereits Ende letzten Jahres erhalten haben, und die zweite Hälfte erwarten wir in diesem Jahr. Also haben wir eine ziemlich ernsthafte Ressource für den Kauf von Impfstoffen und für die Schaffung einer geeigneten Infrastruktur für Logistik und Lagerung. Darüber hinaus haben wir während dieses Besuchs einen Darlehensvertrag mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) über 50 Mio. EUR zusätzlich für den Kauf von Impfstoffen und Ausrüstung unterzeichnet. Insbesondere für den Pfizer-Impfstoff, der wegen des Transports und der Lagerung bei einer extrem niedrigen Temperatur von 80 Grad minus wirklich eine komplexe Infrastruktur erfordert. In der Ukraine gibt es drei Unternehmen, die solche Lagerbedingungen bereitstellen können, und ihre Kapazitäten sind auf 300.000 Dosen pro Woche begrenzt. Nach Berechnungen des Gesundheitsministeriums sollte dies ausreichen, um der zyklischen Verwendung und der Lieferung neuer Partien nachzukommen. Aber diese Kapazitäten sind natürlich besser, in Zukunft zu entwickeln. Bei allen anderen Impfstoffen sind die Lagerbedingungen weniger streng und erfordern die Lagertemperaturen von -8 bis +8 Grad. Die Infrastruktur ist ziemlich verzweigt - es gibt ein separates staatliches Unternehmen mit entsprechenden Lagerräumen sowie zahlreiche private Unternehmen. Wir haben außerdem diese Infrastruktur erneuert. In Bezug auf die Lagerung und Logistik von Impfstoffen fühlen wir uns daher im Allgemeinen zuversichtlich.

Während Ihres Besuchs bestätigte die europäische Seite, dass die Ukraine im Rahmen der globalen Initiative COVAX schon im Februar 117.000 Dosen Pfizer erhalten wird. Noch 2,2 Millionen - 3,7 Millionen Dosen AstraZeneca sollten im ersten Halbjahr im Land eintreffen. Wie realistisch sind solche Pläne angesichts der fehlenden Impfstoffproduktionskapazität, insbesondere des Unternehmens AstraZeneca?

Das Gesundheitsministerium hat die Erstellung von Listen für die 1. und 2. Impfetappe abgeschlossen, die gemäß den entsprechenden Wellen der Reihenfolge, die im Nationalen Plan festgelegt sind, erfolgen werden. Und sobald die Impfstoffe in der Ukraine ankommen, beginnen wir sofort mit der Impfung.

In Bezug auf die mangelnden Kapazitäten von AstraZeneca hat uns die Europäische Kommission bestätigt, dass wir im Rahmen der COVAX-Initiative schon in naher Zukunft garantiert 117.000 Dosen und weiter im Laufe des Jahres 8 bis 16 Millionen Dosen verschiedener Impfstoffe erhalten werden.

Die EU-Kommission hat erklärt, dass sie Polen helfen wird, 1,2 Millionen Dosen Impfstoff AstraZaneca an die Ukraine zu verkaufen. Unter welchen Bedingungen wird ein solcher Weiterverkauf abgewickelt, wie viel wird dies der Ukraine kosten und wann kann eine solche Lieferung beginnen?

Die Ukraine hat wirklich die Möglichkeit, einen bestimmten Teil dieser Impfstoffe über Polen zu kaufen. Was hat dazu beigetragen? Die von der Europäischen Union gekauften Impfstoffe werden auf die EU-Länder verteilt. Dabei bekommt Polen nach vorläufigen Abmachungen 1 Million 200 Tausend mehr Impfstoffe als bestellt und wird diese Impfstoffe nach Selbstkostenpreis an die Ukraine verkaufen. Wir erwarten, dass dies bald geschieht. Das Geld für diesen Kauf ist da, insbesondere von den Mitteln der Europäischen Investitionsbank.

Sie sagten, dass in Brüssel der Prozess der Überarbeitung des Assoziierungsabkommens Ukraine - EU, der ein Jahr dauern wird, begonnen hat. Können Sie bitte die Details teilen.

Das Abkommen selbst wird natürlich nicht überarbeitet. Es wurde verabschiedet, ratifiziert und wird in Kraft bleiben. Es geht um die Überarbeitung und die Vornahme von Änderungen an dem Nachtrag zum Abkommen, sie erfordern keine Ratifizierung des europäischen oder des ukrainischen Parlaments und sie stehen heute im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Zu den wichtigsten gehören Nachträge zur sogenannten „industriellen Visabefreiung“, das ist ein Element zur Erweiterung der umfassenden Freihandelszone. Er enthält 25 Grundsätze. Über 18 von ihnen fanden im vergangenen Jahr bereits Beratungen statt und wurden Vereinbarungen getroffen. Wir arbeiten noch an den anderen sieben. Wir hoffen, dass wir innerhalb von 2021/22 eine Einigung über diese Bestimmungen erzielen und schließlich alle erforderlichen Nachträge über die vollständige industrielle Visabefreiung unterzeichnen werden. In Bezug auf die Überarbeitung des Nachtrags Nr. 29, in dem es sich um Quoten und Zöllen handelt, begann mit unserem Besuch praktisch seine Überarbeitung. Ich kann Ihnen heute nicht sagen, wie diese oder andere Quoten erhöht und folglich die Zölle gesenkt werden. Dies ist ein umfassender Prozess, der darauf abzielt, den vollständigen Handel mit Europa sicherzustellen. In den kommenden Wochen werden wir entsprechende Arbeitsgruppen auf der Grundlage des Wirtschaftsministeriums und der Handelsvertreter bilden, und dies wird konkrete Arbeit sein.

Und wie sind die Europäer, Ihrer Meinung nach, offen für solche Veränderungen? Welche Positionen werden für sie schmerzhaft sein?

Dies sind Arbeitsprozesse, aber ich erwarte keine Fälle, die für uns hoffnungslos sind. Natürlich sind wir dazu bereit, dass es Nuancen in verschiedenen Produktgruppen, in verschiedenen Branchen geben kann, aber über die Vorahnung eines Problems heute zu sprechen, nein, so was gibt es nicht.

Sie haben mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Maroš Šefčovič, eine aktivere Beteiligung der Ukraine an den Industrieallianzen der Europäischen Union vereinbart. Insbesondere innerhalb von EU_ERMA und EUBatteryAlliance. Gleichzeitig sagten Sie, dass 2021 ein entscheidendes Jahr für die Einleitung neuer Bereiche der strategischen Partnerschaft zwischen der Ukraine und der EU sein wird. Worin werden sie liegen? Welche Vorteile werden sie der Ukraine geben?

Es geht um mehrere Bereiche der Zusammenarbeit. Erstens ist es die Richtung kritischer Rohstoffe. Die Entwicklung moderner Technologien und grüner Energie stellt Europa vor neue Herausforderungen. Beispielsweise wird die Nachfrage nach Lithium, das zur Herstellung von Akkumulatorbatterien benötigt wird, nach Berechnungen der Europäische Union bis 2030 um das 18-fache steigen, und bis 2050 - um das 60-fache. Und die Ukraine hat die größten Lithiumvorkommen auf dem europäischen Kontinent. Außerdem haben wir Kobalt, Titan - also Bodenschätze, die für europäische Länder von großem Interesse sind. Die Europäer sind bereit, mit uns zusammenzuarbeiten und die Ukraine an den entsprechenden Produktionsallianzen zu ihrer Förderung beteiligen zu lassen. Uns interessiert sowohl die Gewinnung von Bodenschätzen als auch deren effiziente Nutzung - die Verarbeitung zu Produkten mit hoher Wertschöpfung, die in der Ukraine in Form von Arbeitsplätzen, Gehältern und Technologie bleiben werden.

Die zweite Richtung ist die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wasserstoffproduktion, einer vielversprechenden Energiequelle. Da die Ukraine über 15 Kernkraftwerke verfügt, haben wir ein großes Potenzial für eine stabile Wasserstoffproduktion. Und wir sind bereit, es gemeinsam mit Europa zu entwickeln und dort einen konstanten Markt zu haben.

Die dritte Richtung ist die Zusammenarbeit in der Raumfahrtindustrie. Die Ukraine hat fortschrittliche Technologien, Unternehmen, eine starke Produktions- und Personalschule und wissenschaftliches Potenzial in diesem Bereich. All dies ist für die Europäische Union heute äußerst interessant. Ich möchte hier gesondert die Verhandlungen und das erreichte gegenseitige Verständnis bei der Entwicklung der Weltraumtechnologie mit dem Großherzogtum Luxemburg hervorheben, das für seine mächtige Weltraumagentur bekannt und das Zentrum dieser Technologien in der EU ist. Alle aufgezählten Bereiche haben ein großes Potenzial für unser Land, wo wir unter den europäischen Ländern wirklich führend sein können.

Wurde bei diesen Treffen die Möglichkeit der Finanzierung dieser Projekte seitens der europäischen Strukturen erörtert?

Wir diskutieren diese Projekte auf der Ebene der Geschäftsideen. Wenn es eine konkrete Geschäftsidee gibt, kommen dazu vertragliche Beziehungen, Ressourcen, Kapital. Es ist wichtig, dass wir für unsere Partner interessant sind und ihnen etwas zu bieten haben. Zuallererst werden wir die Varianten der staatlich-privaten Partnerschaft als eine der interessantesten, vorteilhaften und realen Instrumente für die Ukraine erörtern.

Auf der Pressekonferenz mit Ihnen erwähnte Vizepräsident Valdis Dombrovskis den Beginn der „Warenliberalisierung“ zwischen der Ukraine und der Europäischen Union. Welche Hoffnung gibt uns dies angesichts der Tatsache, dass die EU den Gesetzentwurf der Ukraine über die Lokalisierung bei Staatsankäufen als widersprüchlich zum Assoziierungsabkommen scharf kritisiert? Wird sich die „Warenliberalisierung“ nicht gegen ukrainische Unternehmen wenden, die im Verhältnis Preis / Qualität den europäischen Markt nicht erschließen und auf dem Inlandsmarkt mit europäischen Herstellern nicht konkurrieren werden können?

Hier ist es sehr wichtig, zwischen den Fragen der Lokalisierung und den Fragen unserer Zusammenarbeit im Rahmen der industriellen Visabefreiung zu unterscheiden. Wir bauen ein Land mit einer Marktwirtschaft auf, in dem die Konkurrenz die Grundlage für die Preissenkung und die Qualitätssteigerung ist. Das heißt, der Markt ist das, was uns die Möglichkeit gibt, qualitative Waren zum günstigsten Preis zu kaufen. Es gibt heute keinen anderen Mechanismus auf der Welt. Wenn wir über die Perspektiven der industriellen Visabefreiung sprechen, müssen wir verstehen, dass heute schon mehr als 14.000 ukrainische Unternehmen ruhig auf dem europäischen Markt konkurrieren. Mit anderen Worten hat der große Teil der inländischen Unternehmen gelernt, nach den Standards der Europäischen Union zu arbeiten. Aber unsere Aufgabe besteht darin, einen schrittweisen Übergang des gesamten Geschäfts auf die europäischen Schienen sicherzustellen. Dazu brauchen wir die industrielle Visabefreiung, die allen einheimischen Herstellern Schritt für Schritt ermöglicht, reibungslos in den europäischen Wettbewerbsraum einzusteigen.

Was belastet unsere Partner im Gesetz über die Lokalisierung? Der Gesetzentwurf enthält Beschränkungen (Nichtzulassung zu Staatsankäufen von Waren nicht inländischer Herstellung), bei denen sie eine Verletzung des Marktes und des Wettbewerbs sehen. Einerseits ist das nicht gut für einheimische Produzenten, weil es ihre Konkurrenz mit stärkeren europäischen Spielern abkühlt. Aber auf der anderen Seite lässt es zu, härter untereinander um den Zugang zu Staatsankäufen und Finanzmitteln zu konkurrieren. Darüber sprechen wir mit unseren europäischen Partnern und darüber, wo wir mit ihnen einen Kompromiss finden können.

Ich setze mich eindeutig in erster Linie für die Entwicklung der Produktion in der Ukraine, für die Schaffung von High-Tech-Unternehmen, von Mehrwert und von Arbeitsplätzen ein. Dafür soll man natürlich Wettbewerbsbedingungen und Vorteile für das ukrainische Geschäft schaffen, das sich in seinem Heimatland geschützt und zuversichtlich fühlen wird.

In dieser Hinsicht spreche ich mich für die billige Finanzressource und eine gewisse Exportunterstützung aus. Ich finde diese Instrumente viel wichtiger, als Nicht-Zulassung europäischer Waren auf dem ukrainischen Markt, damit sie hier keine Konkurrenz schaffen. Denn manchmal, wenn wir unseren eigenen Produzenten schützen wollen, können wir ihm leider Schaden zufügen. Daher muss man eine Kompromissversion der gesetzgeberischen Lösung für dieses Problem finden, und ich bin sicher, dass es uns gelungen wird.

Sie haben erklärt, dass die Ukraine auf die Unterstützung bei der Aufnahme der ukrainischen Binnenwasserstraßen in das regionale TEN-T-Netz zählt. Wie wichtig ist das und wie schnell wird diese Arbeit einen Effekt haben?

Die Werchowna Rada hat das Gesetz der Ukraine über Binnenwasserstraßen verabschiedet, was bedeutet, dass alle Schritte, die unsererseits für die Integration unserer Wasserstraßen in das europäische Netz erforderlich waren, gemacht wurden. Aus der Sicht der Strategie ist diese Frage von der gleichen Bedeutung wie das Thema des offenen Himmel, der Synchronisation mit Energienetzen usw. Dies ist noch ein Punkt in der technischen Integration der Ukraine in die EU, die über Wasser, Himmel, Energie und Kommunikation erfolgt.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bestätigte bei der Pressekonferenz, dass die EU an dem Abschluss eines Abkommens über einen gemeinsamen Luftraum zwischen der EU und der Ukraine interessiert ist, weigerte sich jedoch, sich zum „Veto“ Spaniens zu äußern. Wird die Version, dass „unser“ Abkommen ein Geisel der politischen Kontroverse zwischen Spanien und Großbritannien um Gibraltar wurde, richtig sein? Wie sind die Aussichten auf die Unterzeichnung dieses Abkommens?

Herr Borrell ist ein Hoher Vertreter der Europäischen Union und nicht der spanische Außenminister, obwohl er spanischer Abstammung ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir ihn für eine gewisse Verzögerung bei der Unterzeichnung der Vereinbarung verantwortlich machen können. Die ukrainische Seite erfüllte alle notwendigen Anforderungen und Parameter, alle europäischen Länder haben sie genehmigt. Bei einem Treffen unter vier Augen bestätigte Herr Borrell, dass es keine Fragen an die Ukraine gibt. Das heißt, das Problem trat zwischen den Beamten der Europäischen Union selbst auf, insbesondere gibt es Warnungen seitens Spanien. Wir können nicht kommentieren, ob sie mit dem Streit mit Großbritannien oder etwas anderem verbunden sind. Bei allen hochrangigen Treffen, insbesondere mit Herrn Charles Michel, haben wir jedoch die Frage der schnellstmöglichen Unterzeichnung des Abkommens über den gemeinsamen Luftverkehrsraum aufgerollt und die Bereitschaft gesehen, dies bei erster Gelegenheit zu tun. Und wir hoffen, dass dies während des Arbeitsbesuchs von Charles Michel in der Ukraine vom 2. bis 3. März geschehen wird.

Das „Grüne Abkommen“ der EU, dem die Ukraine beschlossen hat, sich anzuschließen, erfordert selbst in EU-Ländern enorme Investitionen in die technologische Umorientierung der Industrieproduktion, Energieeinsparung und Energieerzeugung, einschließlich der Entwicklung erneuerbarer Quellen. Die EU sieht solche Mittel in Höhe von Hunderten von Milliarden Euro in ihren Haushalten vor. Die Ukraine ist zunächst kein Mitglied und daher ist es wichtig zu verstehen, mittels welcher Ressourcen und Potenziale wir die Klimaneutralität bis 2050 erreichen werden?

Grünes Abkommen, oder Green Deal, ist eine europäische Strategie, die für alle europäischen Länder übergreifend ist und ihren Wunsch zeigt, bis 2050 auf einem grünen Kontinent zu leben, grüne Energie zu haben und die Umwelt nicht zu verschmutzen. Unter diesem Gesichtspunkt ist Green Deal auch für die Ukraine von großem Interesse. Und es gibt einige Bereiche, die wir besprechen, insbesondere mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Herrn Timmermans. Das erste ist, wie ich bereits erwähnt habe, die Entwicklung und Produktion von Wasserstoff-Energietechnologien in Zusammenarbeit mit Europa unter möglicher Heranziehung europäischer Ressourcen und technischer Hilfe. Zweitens erörtern wir aktiv mit der Europäischen Union die gerechte Transformation der Kohleregionen nach dem Beispiel des europäischen Programms Just Transition of Coal Regions. Wir sind nicht die ersten auf dem Kontinent, die die schrittweise Schließung von Bergwerken durchgehen und in diesem Zusammenhang die soziale Transformation der so gennanten Kohlenregionen und Monostädte, die von der Arbeit von Bergwerken oder Wärmekraftwerken abhängig sind, erleben werden.

Wir haben optimistische Pläne, diese Strategie bis 2040 gemeinsam mit Europa umzusetzen. Zum Beispiel wollen wir die Gewinnung kritischer Rohstoffe in die Wege leiten, was die Möglichkeiten für die Schaffung von Arbeitsplätzen für jene Bergleute bedeutet, die sich frei bewegen und in neuen Unternehmen arbeiten können. Arbeit und berufliche Fähigkeiten sind sehr ähnlich, aber schon in den Bereichen, die heute auf der Welt benötigt werden. In einem pessimistischen Szenario könnte sich der Prozess bis 2070 hinziehen, je nachdem wie sich die Weltereignisse entwickeln werden.

Separat sprachen wir mit europäischen Beamten und Bankern über mögliche Projekte im Bereich des Recyclings fester Abfälle, der Einrichtung von Kanalisationen, Wasseraufbereitung und -reinigung. Dies sind Themen, für die sich die neu gebildeten vereinigten Verwaltungseinheiten in der Ukraine interessieren sollten. Wir legen auch große Hoffnungen auf den Nationalen Plan zur Reduzierung der Emissionen von Anlagen, die CO2 produzieren. Er ist für unsere Wirtschaft im Hinblick auf die EU-Integration sehr wichtig. Im Allgemeinen diskutieren wir mit der Öffentlichkeit über die Schaffung in der Ukraine eines eigenen ukrainischen, grünen Kurses im Kontext des europäischen.

Nach dem umstrittenen Besuch von Josep Borrell in Moskau Anfang Februar begann der Kreml über die Notwendigkeit „der Vorbereitung auf den Krieg“ zu sprechen. Für die Ukraine ist eine solche Position Russlands leider nichts Neues. Aber Russland wird nicht gegen die EU und die NATO einen Krieg führen. Es wird eher unter dem Druck seiner eigenen internen Krise mit der Ukraine eskalieren lassen, was bereits zum Bruch des Waffenstillstands und neuen Verlusten an der Front geführt hat. Haben Sie die Bereitschaft unserer europäischen Kollegen gesehen, uns effektiv zu unterstützen? Was haben die europäischen Beamten in Bezug auf Sanktionen gegen Russland versprochen?

Nach diesem Besuch von Herrn Borrell in Moskau war in der Rhetorik des Kremls nichts Neues zu sehen. Das alles war in dem Rahmen dessen, was mit uns in den letzten sieben Jahren geschieht - nur Provokationen seitens des Aggressors. Dementsprechend ist die Reaktion Europas ziemlich hart. Europa war und bleibt sehr fest bei der Unterstützung der Sanktionspolitik sowie der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine. Dies wurde uns von europäischen Beamten auf allen Ebenen und in allen Ansprachen bestätigt, einschließlich Herrn Borrell selbst, auf unserer gemeinsamen Pressekonferenz. Er betonte nachdrücklich und klar die unerschütterliche Unterstützung der Ukraine, je mehr wir mit ihm die Möglichkeit einer Verschärfung der Sanktionen, insbesondere aufgrund der Verletzung durch Russland der letzten Waffenruhe, erörterten.

Und wie fest sind die europäischen Politiker auf die Blockierung von Nord Stream-2 eingestellt? Gibt es Kontroversen, die auf die Wechselhaftigkeit der Positionen hinweisen würden?

Im Kontext der Fortsetzung der harten Sanktionspolitik gegen die Russische Föderation klang Nord Stream-2 bei all unseren Verhandlungen wie ein wesentlicher Bestandteil dieser Sanktionen. Offensichtlich ist das, was wir in der europäischen Presse sehen, höchstwahrscheinlich eine Ausprägung interner Diskussionen. Dort, wie bei uns, gibt es hybride Informations- und Wirtschaftsattacken der Russischen Föderation sowie aggressive Einflüsse. Auf der Ebene der Leitung gibt es jedoch keine Signale dafür, dass das Bringen von Nord Stream-2 „hinter den Rahmen“ der Sanktionen überhaupt möglich ist.

Dieses Jahr wird der NATO-Gipfel in Brüssel geplant. Die Ukraine hat sozusagen noch ein Fenster der Möglichkeiten, um erneut an ihre in der Verfassung verankerten Bestrebungen, das Mitglied des Bündnisses zu werden, zu erinnern. Sie haben diese Fragen kürzlich bei einem Treffen mit dem Generalsekretär der NATO erörtert. Die überwiegende Mehrheit der Verbündeten im Bündnis unterstützt die Gewährung der Ukraine des Aktionsplans über die NATO-Mitgliedschaft. Aber es gibt auch diejenigen, die dies diplomatisch leugnen. Welche Perspektiven haben wir, den Aktionsplan für die NATO-Mitgliedschaft in diesem Jahr zu bekommen?

Vergessen wir nicht, dass wir ein sehr wichtiges politisches Signal erhalten haben, dass die Türen der NATO für die Ukraine offen stehen. Das ist ein wörtliches Zitat von Herrn Stoltenberg auf unserer gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Treffen. Und es enthält wirklich das ganze Wesen und den Sinn unserer Verhandlungen mit ihm.

Die einzige und zentrale Frage ist heute der Übergang der ukrainischen Armee zu NATO-Standards. Sobald die Ukraine bereit sein wird, den vollständigen Übergang zu bestätigen, wird sich sofort die Frage des NATO-Beitritts stellen. In Bezug auf den Aktionsplan für die Mitgliedschaft bestehen wir hier natürlich auf einem parallelen Kurs mit Georgien, wo auch aktiv die entsprechende Arbeit gemacht wird. Heute gibt es drei Länder der Östlichen Partnerschaft, die in Bezug auf den Aktionsplan am besten vorbereitet sind - Moldawien (wenn es sich auf den blockfreien Status verzichtet), Georgien und die Ukraine. Georgien ist in diesem Trio ein wenig vorangekommen, und es ist sehr wichtig, dass wir dieses Zurückbleiben nachholen und gemeinsam den Aktionsplan für die Mitgliedschaft bekommen. Für dieses Jahr haben wir eine Reihe gemeinsamer Übungen mit der NATO geplant, die die Gelegenheit geben werden, unser Niveau zu demonstrieren.

Schafft die Frage der besetzten Gebiete auf diesem Weg schon keine Probleme mehr?

Natürlich löst das Vorhandensein einer offenen Aggression gegen die Ukraine und der besetzten Gebiete Diskussionen innerhalb des Blocks aus. Aber diese politischen Diskussionen hörten eigentlich nie auf. Einzelne NATO-Mitglieder können unterschiedliche Positionen vertreten. Aber sie werden keine Hindernisse schaffen, wenn wir bereit sein werden, der NATO beizutreten. Für uns und unsere Partner ist es wichtig zu verstehen, dass die ukrainische Armee, Marine und Luftwaffe in der Lage sind, unser Land mit oder ohne NATO zu verteidigen, und dass die hohen Standards unseres Militärs es uns ermöglichen werden, unsere Souveränität und territoriale Integrität zu wahren. Das ist die Frage Nummer eins.

Während Ihres Besuchs forderte der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Valdis Dombrovskis, zur Vereinigung aller demokratischen Kräfte in der Ukraine auf, um die Irreversibilität des Reformkurses und der europäischen Integration sicherzustellen. Stimmen Sie zu, wenn es über die „Irreversibilität“ laut gesprochen wird, ist es ein Alarmsignal. Welche Schritte bereiten die Behörden als Reaktion auf diese Warnung seitens der europäischen Partner vor? Was tut die Regierung real für die Lösung des „Gerichtsproblems“?

Der Weg der Ukraine ist zur Europäischen Union und zum europäischen Lebensstandard geebnet, und ich habe meinen europäischen Kollegen versichert, dass alle in der Ukraine eingeleiteten Reformen irreversibel sind. Wir haben die Reform der Dezentralisierung gezeigt, die erfolgreich abgeschlossen wird. Wir haben über die zweite Phase der Gesundheitsreform berichtet, die trotz COVID stattfindet. Wir haben etwas, worauf wir in der digitalen Transformation und der Beschaffungstransformation des Landes stolz sein können. Insgesamt sind heute etwa 20 Reformen in Arbeit. Natürlich interessiert die Europäer am meisten die Justizreform. Leider stresst die langsame Reform der Justiz und des Rechtssystems im Land auch uns – und die Gesellschaft, Wirtschaft und unsere Partner. Verfassungskrise, zahlreiche offen zweifelhafte Entscheidungen von Gerichten verschiedener Instanzen… Kein Investor wird in ein Land gehen wollen, in dem seine Rechte durch einen gerechten Rechtsschutz nicht garantiert sind. Wir versuchen uns zu beschleunigen, aber nicht alles liegt im Zuständigkeitsbereich des Ministerkabinetts. Heute ist vor allem ein entschlossenes politisches Handeln des Parlaments notwendig. Neben der Justizreform interessieren die Europäer die Reform der Korruptionsbekämpfung und die Rechtsordnung der Tätigkeit des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine und der Nationalen Agentur zur Vorbeugung der Korruption. Aber auch die weitere Reform des Bankensystems, die Vornahme von Änderungen an den Gesetzen über Banken und Bankentätigkeit, insbesondere im Kontext der Arbeit der PrivatBank und anderer Banken, die heute im Staatsbesitz sind, sowie des Bankenmarktes in Allgemeines. Das sind die Hauptschmerzpunkte, wo wir nach Kompromissen suchen, wo wir uns mit den Europäern beschleunigen wollen.

Der Hohe Vertreter der EU sowie das Europäische Parlament in einer Entschließung, die während Ihres Besuchs in Brüssel angenommen wurde, haben die Notwendigkeit eines ergebnisreichen Abschlusses des Falls über Machenschaften um die PrivatBank, der sich schon seit sechs Jahren hinzieht, betont. Wie toxisch ist diese Frage, aus Ihrer Sicht, für die bilateralen Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU und wie sehen die tatsächlichen Perspektiven aus?

Diese Frage ist definitiv nicht für die Regierung. Aber ich werde sagen, dass die Bank heute gute Aussichten hat. Ein Aufsichtsrat wurde eingerichtet, alle Verfahren verlaufen gemäß den geltenden Rechtsvorschriften. Natürlich fordern unsere Partner noch größere Garantien für die Stabilität des Bankensystems, denn davon hängen unsere Geldpolitik und die internationale Zusammenarbeit bei der Bereitstellung von Finanzmitteln ab. Ich möchte Ihnen versichern, dass das Thema PrivatBank wichtig ist, auf der Tagesordnung unserer europäischen Partner steht, aber gleichzeitig ist es definitiv nicht toxisch in den Beziehungen mit uns.

Herr Denys, zum Schluss noch ein paar Worte zu Ihren persönlichen Eindrücken von dem Besuch. Was hat Sie am meisten überrascht und beeindruckt?

Natürlich gibt es Emotionen von dieser Reise. Es war zum Beispiel eine Freude zu erfahren, dass wir eine der wenigen Delegationen waren, die in den letzten 11 Monaten Brüssel besucht haben und dort einen würdigen Empfang auf hohem Niveau erhalten haben. Wir konnten mit fast allen EU-Spitzenpolitikern sprechen. Neben mir nahmen noch 8 Regierungsvertreter an der Sitzung des Assoziationsrates teil - zwei Vize-Premierminister, zwei Minister, eine Reihe von stellvertretenden Ministern und die Generalstaatsanwältin der Ukraine. Die Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa hat übrigens mit dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) ein sehr wichtiges Abkommen über die administrative Zusammenarbeit unterzeichnet, nämlich über den Informationsaustausch. Wenn Sie möchten, würde ich dieses Dokument nach seiner Bedeutung mit dem „Freien Himmel“ gleichsetzen, da es eine Rechtsgrundlage für die gemeinsame Arbeit im Kampf gegen Betrug und andere illegale Aktivitäten schafft. Dies ist sozusagen eine „offene Staatsanwaltschaft“.

Uns haben die Treffen in der Europäischen Investitionsbank, in Luxemburg, bei der Europäischen Kommission erfreut. Lokale Protokollisten scherzten, dass es so viele von uns gab, dass wir die gesamte EU-Tagesordnung geschlossen haben.

Da unsere Delegation zu dieser Zeit die einzige war, war natürlich alle Aufmerksamkeit auf uns gerichtet. Dank dieser Reise hat die Ukraine viel Aufmerksamkeit der Europäischen Union auf sich gezogen, wir haben alle Themen diskutiert und vermittelt, die uns interessierten. Die ukrainische offizielle Delegation besuchte Luxemburg zum ersten Mal seit 1999, als dort Leonid Kutschma war. Und nach dem Brexit ist es praktisch die Finanzhauptstadt Europas und daher ein sehr wichtiger Partner aus der Sicht der Zusammenarbeit.

Wir sind stolz darauf, dass wir von unserer Seite die Europäer angenehm überraschen konnten. Zum Beispiel mit Fortschritten in der digitalen Transformation. Viele der Dinge, an die die Ukrainer bereits gewöhnt sind - wie beispielsweise Dokumente auf Handys - sind in Europa neu. Es war angenehm, sich als Führer und gleichberechtigter Partner unserer westlichen Nachbarn zu fühlen.

Das Gespräch führten Oleksandr Chartschenko und Oksana Polischtschuk

Foto: Hennadij Mintschenko und der Pressedienst des Ministerkabinetts

yv

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