Freundschaftsabkommen mit Russland: Was ist es auf dem Papier wert?

Freundschaftsabkommen mit Russland: Was ist es auf dem Papier wert?

Ukrinform Nachrichten
Das Abkommen sei nicht mehr gültig, deshalb habe dessen Auflösung, entweder ganz, oder teilweise, keine rechtliche Grundlage, meint Roman Bezsmertnyj.

Präsident Petro Poroschenko hat in seiner Rede auf dem Sicherheitsforum in Kiew erklärt, dass er der Werchowna Rada vorschlagen wird, das Abkommen über die Freundschaft und Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation zu überprüfen, nämlich separate Artikel über die strategische Partnerschaft und die Zusammenarbeit mit Russland im militärischen Bereich auszuschließen. Mit dieser Aussage hat der Präsident wieder die Diskussion über die Erhaltung der diplomatischen Beziehungen mit dem Aggressor aktiviert. Und nicht nur.

Vielleicht alle, ohne Ausnahme, heutigen Ukrainer haben lange auf die Kündigung dieses Abkommens gewartet, daher hat Poroschenkos Erklärung einige Verwirrungen hervorgerufen, warum nur teilweise, und nicht vollständig? Und warum kam solche Initiative erst im fünften Jahr des Krieges? Allerdings ist das die Position nicht nur des Präsidenten, und sie besteht darin, dass man das Abkommen ganz nicht auflösen darf, denn er enthält einige wichtigen Bestimmungen, insbesondere wo es um die Achtung der territorialen Integrität und die Unverletzlichkeit der zwischen ihnen bestehenden Grenzen geht. Und was ist mit der offensichtlichen Tatsache, dass Russland bereits seit vier Jahren auf das Abkommen pfeift, es hat die Banditenmissachtung der Grenzen und der Souveränität der Ukraine gezeigt?

Und ist es überhaupt möglich, das Abkommen „teilweise“ zu kündigen? Diplomaten sagen, dass es ausgeschlossen ist. Insbesondere hat der ehemalige Generalkonsul der Ukraine in Istanbul und Edinburgh, Bohdan Jaremenko, erklärt, dass man laut den Normen des Völkerrechts bilaterale Abkommen nur vollständig kündigen kann. Teilweise, d. h. man darf separate Bestimmungen des Abkommens nur dann nicht erfüllen, wenn das im Abkommen selbst vorgesehen ist. Und so einen Punkt in dem Abkommen über die Freundschaft und Zusammenarbeit der Ukraine mit Russland gibt es nicht.

Um die rechtlichen Nuancen des Skandals um das Abkommen über die Freundschaft mit Russland zu klären, hat sich Ukrinform an den ukrainischen Diplomaten, den außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Ukraine in Weißrussland (2010-2011), Roman Bezsmertnyj, gewendet.

„Das Abkommen über die Freundschaft und Beziehungen mit der Russischen Föderation gehört zu der Kategorie der Abkommen, in denen das Verfahren der periodischen Verlängerung vorgesehen ist, und es funktioniert nach dem Prinzip des Schweigens. Das heißt, wenn die Parteien nichts dagegen haben, wird das Abkommen verlängert. Aber solche Normen, basierend auf dem Text des Vertrags, gelten, wenn dessen Inhalt umgesetzt wird.

Darüber hinaus sind heute die Staaten, in der Tat und nicht nach der formalen Auslegung einer der Parteien, in einem Zustand des Krieges. Und dies ist, sowohl durch die inneren rechtlichen und politischen Erklärungen seitens der Russischen Föderation als Aggressor als auch durch die internationalen politischen und sogar gerichtlichen Entscheidungen, durch die Russland ebenfalls als Aggressor anerkannt wird, bestätigt.

Unter solchen Umständen sind die Abkommen mit dem Sinn, die dem Wesentlichen des laufenden Moments nicht entsprechen, nicht gültig. D. h. sie gelten als aufgelöst seit Beginn des Verfahrens oder des Vorgehens, das gegen den Inhalt des Abkommens verstößt. Dies bedeutet, dass seit Beginn der Aggression, alle Abkommen, die in Bezug auf die Partnerschaft, Zusammenarbeit, Freundschaft geschlossen wurden, automatisch außer Geltung sind. Genauso müssen diplomatische Beziehungen gekündigt werden. Und es ist keine politische Interpretation, sondern eine juristische Tatsache, die im Einklang mit dem Völkerrecht und der internationalen Tradition bestimmt, dass die Länder in einem Krieg sind. So kann man dieses Abkommen für nicht gültig halten. Dieses Abkommen kann auch nicht als Argument in den Gerichten gelten, denn es ist seit dem Beginn des Krieges außer Kraft.

Daher ist eine Diskussion, die jetzt geführt wird, ob das Abkommen aufgelöst oder nicht aufgelöst werden soll, ob es teilweise gekündigt werden soll, ist eine rein politische Diskussion, die sich auf den Binnenverbraucher richtet“, sagte Roman Bezsmertnyj auf die Frage, ob es aus juristischer Sicht möglich wäre, einen Teil solchen Abkommens zu kündigen.

Und was ist mit diplomatischen Beziehungen?

Die Länder, die im Krieg sind, können die Botschaften aus verschiedenen Gründen - wirtschaftlichen oder politischen - behalten. Gemäß dem Wiener Übereinkommen werden die Beziehungen zwischen den Ländern, die einen Krieg führen, auf dem Völkerrecht aufgebaut. Wenn zum Beispiel die diplomatischen Beziehungen tatsächlich wegen eines Krieges gekündigt werden, bedeutet dies nicht, dass die Botschaften und Diplomaten das Land verlassen müssen. Das Wiener Übereinkommen erlaubt es ihnen, ihre Befugnisse auszuüben. Sie können das Land verlassen, mit dem der Krieg geführt wird. In einem solchen Fall tritt die Rechtstradition in Kraft, wo die Funktionen ersetzt und das Eigentum eines anderen Landes erhalten wird, zum Beispiel durch die Schweiz.

Es ist offensichtlich, dass es keine Möglichkeit gibt, Beziehungen mit Russland komplett abzubrechen. Unter welchen Bedingungen können dann jetzt die Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland gepflegt werden?

In diesem Fall sollte die ukrainische Seite Verhandlungsprozesse initiieren und beim Wunsch über den Abschluss eines neuen Abkommens sprechen, das, erstens, die Frage über das Ende des Krieges auflösen, und zweitens die Beziehungen in der Übergangszeit, bis das neue Abkommen abgeschlossen wird, wenn die Parteien zu einer solchen Entscheidung kämen, regulieren würde.

Dann wird ganz klar der rechtliche Status beider Seiten definiert und die duale Auslegung verschwindet, über die wir jetzt sprechen. Denn formell wird zwischen den Ländern ein Krieg geführt und juristisch sind die Länder in irgendeinem unverständlichen Status - weder Krieg noch Frieden. Denn nicht zufällig wird in den durch das Parlament angenommenen Dokumenten der Begriff „Krieg“ nicht erwähnt, aber Russland wird der Aggressor genannt.

Und gab es solche Fälle in der internationalen Praxis?

Wenn beide Parteien glauben, dass in diesem Stadium des Konflikts ein Punkt erreicht ist, wo Verhandlungen eingeleitet werden können und ein Übergangsdokument angenommen werden kann, dann ist es möglich. Und solche Fälle gab es nicht nur einmal, wo die Länder im Krieg Abkommen abschlossen – auf vielseitiger, bilateraler Grundlage, bei der Vermittlung der internationalen und anderen Organisationen. Solche Praktiken werden angewendet. Aber die Tatsache selbst, dass solche Verhandlungen stattfinden, wäre ein weiterer Beweis dafür, dass die bisherigen bilateralen Abkommen tatsächlich an der Kraft verloren haben.

Petro Poroschenko schlägt unter anderem vor, den Punkt über die Zusammenarbeit mit Russland im militärischen Bereich zu kündigen. Heißt das, dass die Ukraine bei anderen weiter mit dem Feind zusammenarbeiten kann?

Sogar auch diese ihre Frage spricht über den politischen Charakter dieser Diskussion. Zwischen den Ländern wird ein Krieg geführt, und wenn eine oder die andere Seite bestimmte politische oder wirtschaftliche Schritte unternimmt, kann man sie als Verrat seiner Interessen zugunsten der anderen Partei oder als ein Sieg betrachten, wenn sie dem Land irgendwelche Vorteile brachten.

Präsident hat auch vorgeschlagen, offiziell die Beteiligung der Ukraine an den Organen der Gemeinschaft der Unabhängigen Staaten (GUS) einzustellen. Können es damit irgendwelche Schwierigkeiten geben?

Die Ukraine war niemals das Mitglied der GUS, sie war dort nur eine Beobachterin, und hat kein einziges Mal irgendwelche Dokumente ratifiziert. Wir haben nur gesonderte multilaterale Abkommen im Rahmen der GUS unterschrieben. Die Ukraine kann problemlos aus solchen Abkommen austreten. Dies wird durch das Interesse des Landes bestimmt, wenn es es gibt, muss man austreten.

Juristisch, im Rahmen der GUS wurden multilaterale Abkommen nach dem Prinzip der Gleichheit jeder Partei abgeschlossen. Und da gibt es zum Beispiel ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich der Verbindung, das die Ukraine kündigen sollte.

Abkommen im Rahmen der GUS sind nicht zweiseitig, mit den Ländern der GUS sind wir nicht im Krieg. Und die Ukraine kann sie problemlos kündigen. Und im Falle eines bilateralen Abkommens mit einem Land, das gegen uns einen Krieg führt, bedeutet die Tatsache der Kriegsführung die Auflösung eines solchen Abkommens.

Mykola Romanjuk, Kiew

yv


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