Entscheidung der Venedig-Kommission: Wenn jeder Buchstabe eine Bedeutung hat

Entscheidung der Venedig-Kommission: Wenn jeder Buchstabe eine Bedeutung hat

Ukrinform Nachrichten
Die Herren-Radaumacher können so viel diskutieren, wie sie wollen, aber der ukrainische Spracheartikel bleibt unverändert.

In der Tat haben die internationalen Experten keine besonderen Forderungen in Bezug auf den Sprachartikel und verlangen nicht, sie zu ändern. Und das ist der Hauptsieg für die Ukraine. Ja, die Kommission hat auf bestimmte organisatorische Fehlschläge bei der Arbeit mit den nationalen Minderheiten angedeutet und die Anmerkungen formuliert, die im Verlauf der Arbeit, durch die gesetzgebende Arbeit in „sprachliche“ Richtung, behoben werden können.

Das Dokument enthält eine Reihe von Empfehlungen für die Ukraine, aber stellt gleichzeitig fest, dass die Rechte der ungarisch sprechenden Minderheit und anderer Minderheiten der EU-Mitgliedstaaten eingehalten werden können, ohne Änderungen an dem 7. Artikel des Gesetzes (Bildungsgesetzes) vorzunehmen, nämlich an dem Artikel, der die Unterrichtssprache bestimmt und um den alle Streitigkeiten entstanden sind.

Ungarn hat eilig erklärt, dass die Venedig-Kommission in ihrer Entscheidung seine Seite unterstützt hat. Der ungarische Außenminister stellte fest: „Die Entscheidung der Venedig-Kommission ist absolut eindeutig und die in ihr enthaltenen Vorschläge können nicht zweideutig interpretiert werden“. Nach den Worten von Szijjarto folgt aus dem Dokument, dass „die richtige Entscheidung“ die Vornahme von Änderungen an dem umstrittenen Artikel 7 des „Bildungsgesetzes“ bedeutet.

Die ungarische Regierung hat im Allgemeinen drei Erwartungen von den ukrainischen Behörden formuliert: die bereits bestehenden Rechte nicht beschränken, mit den nationalen Minderheiten in der Ukraine verhandeln und die Empfehlungen der Venedig-Kommission vollständig umsetzen.

Daraufhin hat das ukrainische Außenministerium höflich gebeten, auf die freie Interpretation der Empfehlungen der Venedig-Kommission zu verzichten und die ukrainische Bildungsreform nicht zu politisieren und für verschiedene Genres der Spekulationen und Konfrontationen nicht auszunutzen.

Sein Kommentar gibt Mykola Skyba, Experte des unabhängigen analytischen Zentrums der Ukrainischen Instituts für die Zukunft: Wir haben, so zu sagen, einen relativen diplomatischen Erfolg für die Ukraine. Ich würde die Entscheidung der Venedig-Kommission, angesichts des Kontextes ihrer Annahme, nicht ein bedeutender Sieg nennen. Die Notwendigkeit einer Expertise des Bildungsgesetzes war eine Folge eines großen diplomatischen Skandals. In erster Linie seitens Ungarns. Natürlich haben die Anforderungen der ungarischen Seite einen hypertrophischen Charakter gehabt, und das war nicht zu übersehen. Sie folgten aus der innenpolitischen Situation in diesem Land, wo wir praktisch das Monopol einer politischen Partei sehen, die auf jede Art und Weise versucht, die Wähler zu mobilisieren und sie auf Territorien anderer Staaten zu finden, wo die ungarische ethnische Minderheit lebt.

Hinter Formulierungen der Venedig-Kommission steckt wirklich große Arbeit unserer Diplomaten, weil in der Kommission, soweit ich weiß, in den letzten Tagen buchstäblich für den Inhalt jedes Satzes, für jedes Wort gekämpft wurde. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Entscheidung günstig für die Ukraine ist. Sie ermöglicht, mit minimalen Verlusten aus jener Falle herauszukommen, in die, ehrlich gesagt, einige Abgeordnete mit ihren politischen Entscheidungen das ganze Land getrieben haben.

Man sollte auch verstehen, dass der strittige Sprachartikel im Bildungsgesetz ein Rahmenartikel ist, und daher steckt dahinter eine riesige Menge an Aufgaben und praktischen Schritten. Deshalb ist es uns empfohlen, die Frist der Übergangsbestimmungen des Gesetzes zu verlängern. Es ist klar, dass sogar jene drei Jahre, die wir uns festgelegt haben, nicht realistisch für den Übergang zu einem neuen Sprachmodell sind. Vor allem, wenn man die Besonderheiten dieser oder anderer Sprache der nationalen Minderheiten berücksichtigt. Es ist schwierig, in der Ukraine sofort eine ausreichende Anzahl von Spezialisten, Pädagogen zu finden, die zum Beispiel gleich gut Ukrainisch und Ungarisch (oder Rumänisch) beherrschen würden. Es ist kompliziert, und daher sollte man sich von Anfang an um die für die Implementierung notwendigen Ressourcen kümmern.

Schon im Jahr 2011 hat die Kommission festgestellt, dass die Nutzung und der Schutz der Sprachen in der Ukraine sehr heikle Probleme waren und bleiben, die mehrmals eine Verschärfung hatten, zu einem der Hauptthemen in den verschiedenen Wahlkämpfen, zum Thema der Debatten und manchmal zu Spannungen in der ukrainischen Gesellschaft wurden. Und dieses „Gleichgewicht“ zwischen den Regionalsprachen und den Minderheitensprachen und dem Schutz der ukrainischen Sprache als Staatssprache, einschließlich der spezifischen Situation mit der russischen Sprache, bleibt weiter eine große Herausforderung für die Behörden der Ukraine. Daher hat die Kommission die sorgfältige Überprüfung und sehr vorsichtigen ausgewogenen Ansatz zum Schutz der russischen Sprache gefordert.

Da das ukrainische Bildungsgesetz ein Rahmengesetz ist, werden zukünftige spezielle Gesetze, insbesondere über die Mittelschulbildung, eine entscheidende Bedeutung für die Bestimmung konkreter Kriterien, Methoden und Verfahren für die Umsetzung einer neuen Grundlage der Sprachbildung haben.

Ирина Когут

Ihr Kommentar gibt Iryna Kogut, Expertin des CEDOS-Zentrums (früher das Zentrum für die Erforschung der Gesellschaft): Die Frage ist, welche Ziele haben wir uns gesetzt, als wir das Bildungsgesetz mit solcher Norm verabschiedeten. Wenn das Ziel die maximale Integration von Kindern nationaler Minderheiten in unserer Gesellschaft, sagen wir, die Erhöhung des Anteils jener Absolventen, die dann weiter ihre Ausbildung mit der anschließenden Einstellung in der Ukraine fortsetzen werden, war, dann ist das eine Sache. Wenn wir zum Ziel haben, das Sprachregime im Land überhaupt zu ändern, das die Aggression erlebt (insbesondere auf dieser Grundlage), und versuchen, so den verlorenen Status der staatlichen ukrainischen Sprache zu stärken, dann ist das ein anderes Ziel. Wir haben leider in der Gesellschaft kein gemeinsames Verständnis, dass diese Frage jetzt eine Priorität ist. Wofür haben wir eigentlich diese Norm angenommen. Die Meinungen haben sich geteilt.

Die Venedig-Kommission hat gesagt, dass die Hauptlast bezüglich der Interpretation dieses Artikels auf das zukünftige Gesetz über die Allgemeinmittelschulbildung entfallen wird. So müssen wir jetzt schauen, was das Bildungsministerium vorschlagen wird, und seine Vorschläge fast im Mikroskop betrachten. Hauptsache ist es, zu verstehen, was für die praktische Umsetzung der Sprachnorm vorgeschlagen wird, wie erfolgreich und effektiv der Mechanismus sein wird. Es ist logisch zu erwarten, dass konkrete Entscheidungen im Prozess der Konsultationen mit der Öffentlichkeit, besonders mit Vertretern der nationalen Minderheiten, generiert werden. Das hat die Kommission im Prinzip empfohlen. Das heißt, die weitere gesetzgebende Arbeit wird uns zeigen, ob wir diese Empfehlungen wirklich umgesetzt und im Ergebnis jenen Sieg bekommen haben, den heute die ukrainischen Hochbeamten verkünden.

Von uns stellen wir noch einen „Pass“ in unsere Richtung fest - die Kommission hat den ukrainischen Beamten klar gezeigt, dass man Gesetze, die die Interessen der interessierten Seiten und großer Bevölkerungsgruppen betreffen, vorher erörtern sollte. Die Annahme solcher Sprachnormen muss durch Konsultationen auf breiter Ebene begleitet werden, und es ist wichtig, dass diese Anmerkung der Kommission in den folgenden Entscheidungen unserer Behörden nicht verlorengeht.

Oksana Polischtschuk, Kiew

yv


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