Wadim Prystajko, Leiter der Mission der Ukraine bei Nato
Die Position der Nato bleibt unverändert: Russland muss weg aus der Ukraine
26.10.2017 15:52

Der neue Botschafter der Ukraine in der Allianz hat eine wichtige Etappe seiner diplomatischen Karriere in der Periode der Wiederkehr der Politik des euroatlantischen Kurses begonnen, dessen Endziel die Nato-Mitgliedschaft ist.

Über die ehrgeizigen Pläne der politischen und diplomatischen Partnerschaft der Ukraine mit dem Nordatlantischen Bündnis unter Bedingungen der Abwehr der russischen Aggression hat der Botschafter Wadim Prystajko in einem exklusiven Interview mit dem Ukrinform-Korrespondenten in Brüssel erzählt.

Herr Botschafter, zu Beginn eine traditionelle, aber wichtige Frage. Welche Aufgaben hat Ihnen der Präsident der Ukraine nach Ihrer Ernennung zum Leiter der Mission der Ukraine bei der Nato gestellt?

Es ist eine und sehr konkrete Aufgabe: alles zu tun, um die Sicherheit der Ukraine zu gewährleisten. Auf welche Weise? In dieser Organisation müssen wir alle unsere Fähigkeiten erreichen. Und das wichtigste politische Ziel ist, das Mitglied der Nato zu werden. Aber in dieser Etappe müssen wir Beistand bekommen, die Hilfe von der Allianz, Ratschläge, damit unser Land stark wird und im Widerstand standhalten kann, der jetzt passiert.

Wie steht es im Moment mit dem Vorschlag der Ukraine an die Nato, mit Konsultationen über die Einreichung des Antrags auf die Erhaltung eines Aktionsplans hinsichtlich der Mitgliedschaft in der Allianz zu beginnen? Vielleicht wäre es zunächst sinnvoll, im Kontext der so genannten strategischen Geduld abzuwarten, um den günstigeren geopolitischen Moment dafür zu finden?

Ja, in diesem Prozess gibt es verschiedene Ansätze, vor allem, wann es besser wäre, das zu tun. Man kann den Antrag einreichen, wenn das Ergebnis schon da sein wird, z. B. im Jahr 2020, das wir als Jahr bestimmt haben, wann die Ukraine die Nato-Standards erreichen und nachweisen kann, wie der Staat an vielen Fronten, insbesondere im Verteidigungsbereich, fortgeschritten ist. Es gibt eine solche Idee, genau jenen Moment zu nutzen. Es wird eine gute Gelegenheit werden, zu sagen: Sehen Sie, wir haben erfüllt, was wir versprochen haben.

Dieser Dialog hat bereits begonnen. Seit meinem ersten Gespräch mit dem Generalsekretär der Allianz, als ich ihm den Brief von dem Präsidenten der Ukraine überreicht habe, stand dort, dass unsere politische Hauptaufgabe die Nato-Mitgliedschaft ist. Aber um dies zu erreichen, muss man den Dialog beginnen, den Aktionsplan über die Mitgliedschaft erhalten und ihn umsetzen.

Man sollte nicht vergessen, dass wir bereits das zehnte Jahr unsere nationalen Programme der Zusammenarbeit mit der Nato (Nationales Jahresprogramm der Zusammenarbeit mit der Nato – Red.) erfüllen, die die Erwartungen der Alliierten im Rahmen des Aktionsplans über die Mitgliedschaft erfüllen. Wir passen das Programm jedes Jahr an und in diesem Jahr wird es eine neue, sehr wichtige Etappe geben, wo wir ein völlig neues Nationales Jahresprogramm haben werden.

Welche Verbündete in der Allianz können offen oder inoffiziell, oder potenziell, die Gewährung der Ukraine des Aktionsplans über die Mitgliedschaft, oder sogar Vorkonsultationen darüber blockieren?

Diese Frage kann man diplomatisch nicht beantworten. Nicht, weil wir nicht wollen, sondern weil das unserer Arbeit schadet. Wenn wir jetzt die Positionen offenlegen werden, die wir kennen, so gibt es einen bestimmten Verbündeten, dessen Verhalten mich besorgt macht. Insbesondere geht es um die offene Erklärung des Ministers für auswärtige Angelegenheiten von Ungarn, die Absicht der Ukraine in die Europäische Union zu blockieren. Ich habe vom ungarischen Minister die Position bezüglich der Nato nicht gehört. Ich treffe mich diese Woche mit dem Botschafter von Ungarn. Ich hoffe, dass unsere ungarischen Kollegen verstehen, dass bilaterale Fragen auf die Ebene einer solchen wichtigen Sicherheitsorganisation wie die Nato zu bringen, nicht ganz korrekt ist. Hoffentlich wird das nicht passieren.

Diese Woche findet in Brüssel die fünfte nach 2014 Sitzung des Nato-Russland-Rates auf der Ebene der ständigen Vertreter statt. Wie man weiß, bleibt die Politik der Allianz gegenüber Russland scheinbar unverändert. Die Nato hat die praktische Zusammenarbeit mit Moskau eingestellt, aber Kanäle für den politischen und diplomatischen Dialog offen belassen. Welche Positionen haben Kiew und die Allianz in Bezug auf diese Sitzung, insbesondere auf die russische Aggression gegen die Ukraine, abgestimmt, koordiniert?

Die Ukraine-Frage bleibt immer auf der Tagesordnung dieser Sitzungen. Ja, es ist die Position der Nato, solche Sitzungen weiter zu veranstalten, um zwei Ansätze gegenüber Russland zu befolgen: auf der einen Seite die Verteidigung und Abschreckung stärken und auf der anderen Seite besteht die Notwendigkeit, Kontakte zu pflegen, um einander zu verstehen.

Das Format des Rates „Russland-Nato“ löst viel Kritik von denen aus, die glauben, dass man mit dem Aggressor überhaupt keinen Kontakt pflegen soll. Aber es gibt einen Teil der Nationen, die immer öfter glauben, dass man Russland einfach erklären sollte, damit es versteht und die Ukraine in Ruhe lässt. Es ist offensichtlich, dass wir, als kriegführender Staat, solche Taktik nicht verstehen. Aber man muss begreifen, dass die Nato als Organisation, das Recht auf ihren Ansatz hat und die Verantwortung vor ihren Völkern dafür trägt, wie man eine umfassende Konfrontation mit Russland verhindern kann.

Aber die Ukraine-Frage bleibt immer Nummer eins. Soweit es bekannt ist, versucht Moskau immer, diese Frage von der Tagesordnung abzusetzen, aber die Nato kehrt jedes Mal zu ihr zurück und sagt, dass sie die obligatorische Bedingung jeder Sitzung ist. Die russische Seite stimmt zu, aber versucht jedes Mal, sie abzuteilen, die Aktualität dieser Frage zu senken. Und die Nato bleibt unerschütterlich: Russland muss weg aus der Ukraine, die Annexion der Krim wird nicht anerkannt, Moskau muss die Vereinbarungen von Minsk umsetzen.

Letzte Woche hat der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, Oleksandr Turtschynow, seinen ersten Besuch im Nato-Hauptquartier in Brüssel verschoben. Der Grund für den Aufschub des Besuchs wurde im Sicherheitsrat erklärt. Aber immerhin, wann kann er stattfinden?

Es gibt einen technischen Ansatz für diese Frage. Es werden Besuche der hohen Führung vorbereitet, im deren Verhalten es immer Risiken gibt, dass sie wegen anderer verantwortlicher Dinge nicht stattfinden können. Die Partner nehmen mit Verständnis solchen Ansatz wahr. Leider hat solch ein Besuch schon das zweite Mal nicht stattgefunden. Aber nach meiner Bitte um den Aufschub dieses Besuchs bestimmen die Alliierten nun weitere Termine. Wir arbeiten an anderen Optionen der Reise von Oleksandr Turtschynow und seines Treffens mit dem Generalsekretär und den Verbündeten.

Wird der Besuch des Verteidigungsministers der Ukraine in Brüssel für die Beteiligung am Nato-Ministertreffen am 9.-10. November geplant? Welche Tagesordnung der Sitzung der Verteidigungsminister und Partner steht für uns fest?

Dieser Besuch ist noch große Frage. Denn wir planen auch bis Ende des Jahres den Besuch des hohen Niveaus und die Durchführung Anfang Dezember der Nato-Ukraine-Kommission auf der Ebene der Außenminister.

Wie kommt es mit der Initiative des Präsidenten der Ukraine über die Errichtung eines neuen Treuhandfonds mithilfe der Allianz für die psychologische Rehabilitation der ukrainischen Soldaten voran, die gegen die russische Aggression kämpften?

Daran wird es noch gearbeitet. Es muss ein Land bestimmt werden, das das übernimmt. Aber im Allgemeinen ist die Aufstockung von Treuhandfonds nicht ideal. Bis zu 100 % sind die Fonds noch nicht aufgestockt. Aber wir arbeiten daran, um die Aufstockung zu verbessern. Es gibt hier auch Prioritäten, beispielsweise in Bezug auf den Treuhandfonds für die Minenräumung. Denn das hängt mit der Sicherheit unseres Volkes zusammen, sowohl der Zivilisten als auch des Militärs. Und hier gibt es echte Fortschritte.

Der Nato-Generalsekretär hat die Durchführung am 11.-12. Juli 2018 des Gipfeltreffens des Bündnisses in Brüssel angekündigt. Welche Tagesordnung für diese Veranstaltung kann für die Ukraine festgelegt werden?

Für die Ukraine ist die Priorität die Abhaltung der speziellen Sitzung der Nato-Ukraine-Kommission auf hoher Ebene, zu der der Präsident eingeladen werden wird.

Die Mission arbeitet jetzt daran. Auch werden zu diesem Zeitpunkt die Ergebnisse der Umsetzung des integrierten umfassenden Programms der Unterstützung der Ukraine seitens der Allianz, der Arbeit von Treuhandfonds zusammengefasst. Man wird die Erfüllung der bestimmten Etappe für uns erklären können. Außerdem werden wir, wie geplant, zu jenem Zeitpunkt die Unterstützung unseres Antrags auf den Betritt zum Programm der erweiterten Möglichkeiten für besondere Partner (Enhance Opportunity Program) bekommen. Das heißt, die Ukraine soll zu diesem Programm eingeladen werden. Wir arbeiten daran.

Kann dies eine Art der Zwischenetappe zur Beantragung der Nato-Mitgliedschaft und Erhaltung des Aktionsplans über die Mitgliedschaft werden?

Ich würde das nicht als Zwischenetappe bezeichnen. Denn an diesem Programm beteiligen sich verschiedene Blöcke der Länder. Einige bleiben im Rahmen einer solchen verstärkten Partnerschaft und wollen keinen Aktionsplan über die Mitgliedschaft erhalten. Aber es gibt ein Land, wie Georgien, das den Aktionsplan über die Mitgliedschaft bekommen will, oder diese Etappe überschreiten und sofort das Mitglied der Nato werden.

Schon seit mehreren Jahren wird, sowohl in der Nato als auch in der EU, die Frage des so genannten „Militär-Schengens“ angeschnitten und diskutiert. Insbesondere fördern sowohl der niederländische Verteidigungsminister als auch der ehemalige Kommandeur der Streitkräfte der Vereinigten Staaten in Europa aktiv solches Regime der maximal vereinfachten Bewegung von Truppen, Waffen, Technik und Materialien über die Grenzen der Nato-Mitgliedsstaaten. Was denken Sie darüber, kann sich die Ukraine, als Partnerin, zu solcher international-rechtlichen Ordnung in Europa anschließen?

Das Wort „Schengen“ wird hier einfach nach Analogie verwendet. Und diese Vereinbarungen haben nichts Gemeinsames. Den Zugang der Streitkräfte anderer Staaten zum Territorium der Ukraine regelt das Parlament. Das ist eine positive Idee für die Ukraine, zu entscheiden, wie wir uns dazu anschließen können. Aber das betrifft nicht die russischen Panzer.

Womit kann Kiew heute, angesichts der gesammelten Kampferfahrungen und des gewonnenen militärischen Potenzials der Ukraine im Widerstand der bewaffneten Aggression und des durch Russland angezettelten Hybridkrieges, für die Allianz und einzelne Verbündete und Partner nützlich sein?

Wir können noch nicht die Spender der Sicherheit werden, denn wir haben die Sicherheitsfrage auf unserem eigenen Territorium zu lösen. Im Hinblick auf die reale gesammelte Erfahrung wird sie sicherlich interessant für die Nato sein. Es geht sowohl um die Hybridherausforderungen als auch um die Cyber-Kriminalität, die durch die russische Regierung, die russischen Geheimdienste unterstützt wird.

Auch die Erfahrung der Kampfführung. In Europa erinnert man sich schon lange nicht mehr an den Nahkampf, oder wie man Schützengräben gräbt…

Leider muss die Ukraine wieder dadurch. Es geht auch um die Erfahrung im Widerstand den neuesten Technologien der Russen, um die Mittel des radiotechnischen Kampfes, Drohnen, und um alles andere, was sie gegen uns testen. Alle diesen Erfahrungen, wie auch schwer sie erworben werden, sind wir bereit, mit der Allianz zu teilen, und in der Nato wird das geschätzt.

Andrij Lawrenjuk, Brüssel.

yv

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