Fall Tschijgos: Gerichte auf der Krim als Instrument der Bestrafung

Fall Tschijgos: Gerichte auf der Krim als Instrument der Bestrafung

Ukrinform Nachrichten
Der politische Häftling auf der Krim, Vizechef des krimtatarischen Medschlis, Achtem Tschijgos, wurde zu acht Jahren Haftstrafe verurteilt.

Tschijgos wurde im Januar 2015 für seine Teilnahme an einer Kundgebung für die territoriale Integrität der Ukraine festgenommen. Die Kundgebung fand vor dem Gebäude des Obersten Rates der Krim am 26. Februar 2014 statt. An diesem Tag, vor der Einnahme der Krim durch das russische Militär, forderten Anhänger der ukrainischen Krim von regionalen Abgeordneten, auf die von ihnen geplante Entscheidung über eine Abspaltung der Krim von der Ukraine und den Anschluss der Krim an Russland zu verzichten. Unter Druck von Tausenden Teilnehmern der Kundgebung waren die Abgeordneten vorsichtig und stimmten für die Abspaltung der Krim nicht. Doch am nächsten Morgen besetzten russische Militärangehörige in Uniformen ohne Kennzeichen das Parlamentsgebäude, den Regierungssitz, den Flughafen und andere strategische Infrastrukturobjekte auf der Krim. „Grüne Männchen“ mit Waffen machten einigen Einwohnern der Krim Schrecken und Angst, lösten bei anderen Freude aus. Die russische Führung nannte ihre Militärangehörige bescheiden „höffliche Menschen“ und stritt ab, dass diese aus Russland sind. Die ersten Tage und Wochen nach der Einnahme der Halbinsel waren für diejenigen, die gegen die russische Besatzung protestieren, am schwersten. Einige packten ihre Sachen, um die Krim zu verlassen, die anderen sprachen sich offen gegen Russland auf der Krim aus.

Mit der realen, und nicht für Propaganda-Medien bestimmten, Information zur Stimmung auf der Krim in den Händen war dem Kreml klar, dass die Proteststimmen, die am 26. Februar in Simferopol laut wurden und die separatistische Entscheidungen verhinderten, nicht verschwunden, und die Menschen in ihrer Masse die Präsenz Russlands auf der Krim nicht akzeptieren.

Alles, was die russische Führung in dieser Situation tun konnte, diejenige noch mehr einzuschüchtern, die die tragische Realität nicht akzeptieren wollten. Deshalb begannen die Menschen praktisch sofort zu verschwinden, 48 in drei Jahren. Der Aufsehen erregende Mord an Reschat Ametow, der im März 2014 einen Einzelprotest vor dem Regierungssitz abhielt, wird absichtlich nicht untersucht, obwohl Personen, die ihn in ein schwarzes Auto zerrten und mit ihm wegfuhren, auf einem Video, das leicht im Internet zu finden ist, gut erkennbar sind. Demonstrative Tötungen, demonstrative Kidnapping-Fälle, demonstrative Strafverfahren sind eine Methode zum Kampf mit Andersdenkenden, die der Kreml seit den ersten Tagen der Besatzung praktiziert.

Warum Tschijgos?

Achtem Tschijgos ist der Leiter des regionalen Medschlis in Bachtschyssaraj, Abgeordnete des Rayon-Rates Bachtschyssaraj, Vizechef des krimtatarischen Medschlis. Er war einer von mehreren Tausenden Menschen auf der Krim, die gegen separatistische Absichten der Krim-Führung protestierten. Aber gerade gegen ihn wurden Vorwürfe nach Art. 212.2 des russischen Strafgesetzbuches, mit einer möglichen Freiheitsstrafe bis 10 Jahre, erhoben.

Vielleicht blieb nach einem Einreiseverbot für Krimtataren Mustafa Dschemilew und Refat Tschubarow nur Tschijgos. Er ist ein Krimtatar, proukrainischer Politiker, Vertreter des Medschlis, eine bekannte Persönlichkeit unter den Krimtataren. Der Anwalt Polosow erzählte nach einer Gerichtsverhandlung, unter den Papieren, die die Person Tschijgos charakterisieren, gebe es ein Dokument von der Polizei, in dem es heißt, dass Tschijgos als „Anführer des regionalen Medschlis des Rayons Bachtschyssaraj in kurzer Zeit viele Krimtataren für die Teilnahme an Kundgebungen und Protestaktionen zusammengerufen kann“.   

„Es scheint so, dass der Angst der Macht vor den friedlichen Versammlungen der Bürger der Hauptgrund ist, warum sich Achtem Tschijgos schon 2,5 Jahre hinter Gittern befindet“, meint Polosow. Ihm zufolge würden solche Schauprozesse, wie der „Fall von Tschijgos“, für die politische Handel durchgeführt, damit demonstrative Repressionen nicht nur Proteste gegen die Annexion der Krim sondern auch jede Unzufriedenheit auch mit nicht politische Fragen verhinderten würden.

Alles über Prozess

Einer der Gegner der russischen Krim-Besatzung, Vizechef des krimtatarischen Medschlis Achtem Tschijgos befindet sich schon mehr 2,5 Jahre, etwa 955 Tage, in einem Gefängnis. Es gab schon 150 Gerichtsverhandlungen, etwa 200 Zeugen wurden ausgesagt. Im Rahmen des Prozess wurden mehr als 1000 Fotos und rund 100 Gigabyte Videomaterialen gesichtet. Die Anklageschrift umfasste am Anfang etwa 35 Bände, am Ende fast 40 Bände. Nach Angaben des Anwalts Polosow prüften sie die Videoaufnahmen nicht einfach, sondern Abschnitte von 15-20 Sekunden wurden gesichtet, jedes Moment wurde analysiert.  

Sieg der Verteidigung trotzt des Schuldspruchs

Der Anwalt Nikolai Polosow rechnete seit dem Beginn des Prozesses nicht mit einem Freispruch für seinen Mandanten, weil alle ähnlichen Prozesse in Russland wenn auch nicht mit maximalen, aber mit realen Freiheitsstrafen endeten. Trotzdem meint die Verteidigung, dass das „Gericht“ die Schuld von Tschijgos bei der Organisation der Massenunruhen während der Kundgebung nicht beweisen konnte.

Alle vernommenen Zeugen, einschließlich Vertreter der Besatzungsmacht, Sergei Aksjonov und Wladimir Konstantinow sowie Abgeordnete der russischen Staatsduma Sergei Zekow und Olga Kowitidi, konnten nicht argumentiert gegen Tschijgos aussagen. Alles, was das „Gericht“ gegen ihn sammeln konnte, waren die Aussagen von drei geheimen Zeugen. Noch ein Zeuge war Uiwaz Umerow. Der Wert seiner Aussage ist sehr zweifelhaft, weil er an der Kundgebung nicht teilnahm. Er war ein alter Widersacher von Tschijgos und insgesamt ein Hasser des Medschlis, verbrannte öffentlich Figuren von Dschemilew.  

Es gab aber mehr als genug Beweise, dass Tschijgos Menschen während der Kundgebung zur Ruhe aufrief. Daraus ist zu schlussfolgern, dass das „Gericht“ auf der Krim den Fall „im Handumdrehen“ nicht erledigen konnte. Man musste sich mit zahlreichen Videoaufnahmen, mit Beschwerden von Verteidigern befassen, Erklärungen von internationalen Institutionen zur Kenntnis nehmen. Tschijgos selbst meint, dass der Prozess nicht nur ihm, sondern auch dem ganzen krimtatarischen Volk gemacht wird. Das sagte er in einem Schlusswort.

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Und jetzt die jüngste Nachricht: ein so genanntes „Gericht“ auf der Krim verurteilt Achtem Tschijgos zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt.

Serhij Bobrow, Kiew.


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