Was kann man von Normandie-Videokonferenz der Außenminister erwarten

Was kann man von Normandie-Videokonferenz der Außenminister erwarten

Ukrinform Nachrichten
Am 30. April findet eine Videokonferenz der Außenminister der Ukraine, Deutschlands, Frankreichs und Russlands zum Thema russische Aggression im Donbass statt.

Der Außenminister der Ukraine Dmytro Kuleba sagte am 28. April, dass die Beschlüsse des Normandie-Gipfels in Paris noch nicht umgesetzt sind. „Wir müssen einen Impuls auf dem Weg für ihre Umsetzung geben, um den Weg zum neuen Gipfel im Normandie-Format in Berlin frei zu machen“ und den „Weg zum Frieden, zur Deokkupierung der ukrainischen Gebiete und überhaupt zum Ende der russischen Aggression zu beschreiten.“

Vor der Konferenz

Die Videokonferenz kündigte am 22. April der deutsche Außenminister Heiko Maas an. „Wir sind darüber froh, dass es eine Videokonferenz im Normadie-Format auf der Ebene der Außenminister gibt“, sagte er. Darauf hätten sich er und seine Amtskollegen aus Frankreich, der Ukraine und Russland nach Telefonaten in den letzten Tagen verständigt.

Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, der Ukraine und Russlands stehen derzeit im Kontakt, parallel beschäftigt sich mit diesem Thema auf Expertenniveau die Regierung, insbesondere mit Amtskollegen aus Frankreich. Das teilte die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung Ulrike Demmer mit. Die Themen der Kontakte sind eine echte Waffenruhe und neue Entflechtungszonen. Es wurde berichtet, dass Russland bis zum Ende gegen die Verhandlungen war, gab aber dem Druck Deutschlands nach.

Der russische Außenminister Sergei Lawrow erklärte am 27. April: „Wir tauschen jetzt Vorschläge aus, was an der Tagesordnung dieses Videokontakts, der Ende der Woche geplant ist, glaube ich, sein muss“. Russland findet aber Lawrow zufolge Vorschläge des deutschen Außenministeriums für die Tagesordnung nicht akzeptabel. „Dort geht es ausschließlich um einen neuen Austausch von inhaftierten Personen, über die Minenräumung, über die Gewährleistung der Sicherheit, über die Gewährleistung des Zugangs für die Beobachtermission der OSZE“. Russland strebt aber natürlich die Entscheidungen über die Anerkennung von Marionettenregimen „Volksrepubliken Donezk und Luhansk“ an.

Normandie-Format

Das Normandie-Format bezeichnet Treffen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs und auf der Außenministerebene von vier Staaten (die Ukraine, Deutschland, Frankreich, Russland) zum Thema der russischen Aggression gegen die Ukraine. Die Bezeichnung stammt aus dem Treffen der Staats- und Regierungschefs dieser Länder am 6. Juni 2014 im franzöischen Bénouville, in der Region Normandie, zum 70. Jahrestag der Alliierten-Landung (Operation Overlord) 1944.

Im September 2014 wurde unter Beteiligung der OSZE das Protokoll von Minsk („Minsk I“) unterzeichnet.

Das zweite Gipfeltreffen im Normandie-Format fand am 16./17. Oktober in Mailand statt.

Das dritte Gipfeltreffen fand im weißrussischen Minsk von 11 bis 12. Februar 2015 statt. Die Gespräche dauerten 17 Stunden und führten zur Unterzeichnung einer Deklaration zur Unterstützung des Maßnahmenkomplexes zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen. Die Vereinbarungen wurden nicht umgesetzt, weil Russland sich weigert, der Teil der Vereinbarungen, die die Sicherheit betreffen, umzusetzen und fordert vor allem die Umsetzung des politischen Teils (Regionalwahlen in den besetzten Gebieten).

Bei dem Gipfeltreffen am 2. Oktober 2015 in Paris einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf den Abzug von Waffen mit einem Kaliber bis 100 mm um 15 Kilometer von der Konfliktlinie.

Am 19. Oktober in Berlin vereinbarte das Normandie-Quartett eine Roadmap zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen. Die Position der Ukraine besteht immer darin, dass die Erfüllung der Sicherheitsbedingungen, die Waffenruhe, der Abzug ausländischer Truppen, die Einhaltung der Bedingungen für den Abzug schwerer Waffen, der uneingeschränkte Zugang der OSZE-Vertreter, die Freilassung von Geiseln dem Übergang zur Umsetzung des politischen Teils vorausgehen müssen.

Am 9. Dezember 2019 trafen sich zum ersten Mal seit drei Jahren die Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Frankreich, Deutschlands und Russlands im Normandie-Format in Paris. Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj war das das erste Gipfeltreffen. Ziel des Treffens war eine Vereinbarung zur einer neuen Reihenfolge der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen und Beratungen über die so genannte “Steinmeier-Formel”. Das Treffen im Paris war teilweise erfolgreich, vor allen bei dem Austausch von Gefangenen. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich auch darauf, dass die Sonderbeobachtermission der OSZE in der Ukraine (SMM) rund um die Uhr die Lage in der Ostukraine überwachen kann, und nicht nur bei Tageslicht, weil die russischen Truppen meistens die ukrainischen Armeestellungen in der Nacht angreifen.

Die Staats- und Regierungschefs unterzeichneten in Paris „Gemeinsam vereinbarte Schlussfolgerungen des Gipfeltreffens von Paris im Normandie-Format vom 9. Dezember 2019“. Die Schlussfolgerungen sehen insbesondere vor, die “Steinmeier-Formel” in ukrainisches Recht umzusetzen.

Steinmeier-Formel

Die Formel ist nach dem damaligen Außenminister, jetzt Bundespräsident Deutschlands, Frank-Walter Steinmeier benannt. Er hatte 2015 die Reihenfolge zur Beendigung des Krieges in der Ostukraine vorgeschlagen. Es geht um die Reihenfolge für die Durchführung von Regionalwahlen im Donnass. Die Formel erwähnt die Frage nicht, ob der Abzug russischer Truppen aus dem Donbass der Wiederherstellung der ukrainischen Kontrolle über die Staatsgrenze den Regionalwahlen vorausgehen muss. Deswegen interpretiert Russland die Formel als Erlaubnis für den Verbleib seiner Truppen und Waffen im Donbas, obwohl die Minsker Vereinbarungen den Abzug der Truppen vorsehen. Die Ukraine kann die Durchführung von Wahlen im Donbass nach der „OSZE-Standards“ a priori nicht akzeptieren, wenn sie im von ausländischen Truppen kontrollierten Gebiet stattfinden würden. Und dazu nach Veränderungen der demographischen Zusammensetzung der Bevölkerung: Während des Krieges siedelten etwa eine Million ukrainischer Bürger aus den Oblasten Donezk und Luhansk um. In ihre verlassenen Wohnungen waren mit der Zustimmung der örtlichen „Behörden“ Russen, deren Zahl unbekannt ist, eingezogen. Der ehemalige US-Botschafter in der Ukraine William Tailor bezeichnete die „Steinmeier-Formel“ als eine schlechte Idee. Nach seinen Worten muss man sofort wie möglich den Rückzug der Russen aus dem Donbass erreichen. „Putin weiß, wie die Sanktionen aufgehoben werden können. Er weiß, wie er seine Lage in den neuen Zeiten und unter neuen Bedingungen verbessern kann. Das bedeutet den Rückzug aus dem Donbass. Das sind die Dingen, die er akzeptieren muss und akzeptieren wird“, betonte Tailor.

Umsetzung der Vereinbarungen

Zwei Punkte der Beschlüsse des Gipfeltreffens in Paris sind teilweise umgesetzt. Es geht um den Austausch von Gefangenen und die Truppenentflechtung.

Die ukrainische Führung ordnete die Truppenentflechtung noch vor dem Gipfel in Paris an.

Am 26. Juni 2019 zog sich die ukrainische Armee aus ihren Stellungen nahe dem Kontrollposten „Stanyzja Luhanska“ zurück. Am 29. Oktober begann die Truppenentflechtung auf den beiden Seiten der Konfliktlinie in der Zone Nr. 2 im Raum der Ortschaft Solote-4 in der Oblast Luhansk. Die Truppenentflechtung in der Zone Nr. 3 in der Nähe der Ortschaften Bohdaniwka- Petriwske in der Oblast Donezk begann am 9. November 2019.

Seitdem gab es keine Vereinbarungen über die neuen Truppenentflechtungen getroffen. Wie der ukrainische Vertreter in der Untergruppe für Sicherheitsangelegenheiten der trilateralen Kontaktgruppe und der stellvertretende Kommandeur der Operation der Vereinigten Kräfte, Bohdan Bondar, sagte, „blockiert die russische Seite die Vorschläge, um die Umsetzung des vorherigen Gipfeltreffens im Normandie-Format vom 9. Dezember und das neue Gipfeltreffen der Vierer-Gruppe zu verhindern“.

Nach Angaben der Hauptabteilung der Aufklärung des ukrainischen Verteidigungsministeriums legen die Besatzer gleichzeitig neue Minenfelder in den möglichen Entflechtungszonen an. Außerdem wurden dort 122-mm-Haubitzen D-30 und Selbstfahrlafetten „Gwosdika“ geheim stationiert.

Der Militärexperte Walentyn Badrak betont, dass wir gleich „nach den gemachten Zugeständnissen und den Truppenentflechtungen eine Verstärkung der russischen Aggression gesehen haben, und als Ergebnis haben wir mehr Verluste, ständige Angriffe und Diversionen“.

Seit Anfang des Jahres, schon nach dem Gipfeltreffen in Paris, starben 47 ukrainische Soldaten, jeden Tag gibt es Verletzte.

Die letzte Hürde für die Vereinbarungen besteht darin, dass Russland sich nicht als Konfliktpartei in der Ostukraine sieht.

Der Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskyj ist aber sicher, dass er den Krieg im Donbass während seiner Amtszeit beenden kann. Das sagte er im Film „Ein Jahr des Präsidenten Selenskyj“, der zum ersten Jahrestag seiner Amtszeit gestrahlt wurde.

„Es gibt vielleicht Teilsiege, aber wir werden auf das vollständige Resultat warten, wenn wir unsere Territorien in die Ukraine zurückholen. Man braucht noch Zeit, ein bisschen Zeit“, sagte er. Kurt Volker, der Ukraine-Beauftragte der US-Regierung 2017-2019, bezeichnete bei einem Sicherheitsforum in Kyjiw die Position von Selenskyj und sein Vorhaben, konkrete Schritte zum Frieden im Donbass zu unternehmen, als taktische Weisheit, die Russland keinen Grund für Anschuldigungen gibt, dass die Ukraine die Minsker Vereinbarungen torpediert und deswegen kann es die Aufhebung der Sanktionen nicht fordern. Gleichzeitig „haben wir alle gesehen, dass gerade Russland die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen verhindert... Wir wissen, dass der Frieden in der Ostukraine in den Händen Russlands ist“, so Volker.

Expertenschätzungen

Miriam Kosmehl, Senior Expert Eastern Europe and European Neighbourhood im Programm Europas Zukunft der Bertelsmann Stiftung erwartet von der Videokonferenz der Außenminister „bestimmte aber kleine weitere Schritte“. Sie hofft auf wichtige Ergebnisse vielleicht auf dem nächsten Gipfeltreffen, diese scheint aber weit entfernt, weil nur wenige Beschlüsse des Treffens in Paris im Dezember 2019, außer des Gefangenenaustauschs, umgesetzt werden. Die Expertin ist auch besorgt, dass die Waffenruhe immer wieder gebrochen wird.

Susan Stewart von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, deren Forschungsschwerpunkt der Minsker Prozess ist, betonte auch, dass die meisten Punkte des Pariser Gipfeltreffens nicht umgesetzt sind. Deswegen kann man sich nur schwer vorstellen, welche Ergebnisse auf der Konferenz erzielt werden können, außer der Wiederholung, dass die Parteien ihren Willen bekräftigen, an der Umsetzung dieser Punkte zu arbeiten, sagte sie. Besonders besorgniserregend ist laut Stewart die Verschlechterung der humanitären Lage im Konfliktgebiet, insbesondere in den besetzten Gebieten.

Es gebe keine Änderungen auf der Tagesordnung Russland bezüglich der Ukraine, Putin und seine außenpolitische Elite nutze geschickt die Schwächen anderer aus, so Stewart.

Der ukrainische Experte, Direktor des Instituts für Weltpolitik, Jewhen Mahda, ist der Meinung, dass das Außenministertreffen keinen Durchbruch bei der Lösung der Situation im Donbass bringt. Lawrow wird wie erwartet auf Verfassungsänderungen in der Ukraine bestehen, um den „Sonderstatus“ für den Donbass zu verankern. Für die Ukraine ist diese Forderung inakzeptabel. Es wird auch Streitereien um die Schlussfolgerungen des Pariser Gipfeltreffens geben, jede Verhandlungspartei wird ihre eigene Interpretation für die Reihenfolge der Umsetzung der Vereinbarungen anbieten.

„Ich würde es wagen zu behaupten, dass das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im Normandie-Format im laufenden Jahr nicht stattfindet, weil Widersprüche unüberwindbar bleiben. Das bedeutet aber nicht, dass Moskau bereit ist, ohne Vermittlung aus dem Donbass zurückzuziehen und auf Versuche zu verzichten, der Ukraine ein eigenes Spiel aufzuzwingen“

Olexandr Wolynskyj, Olha Tanasijtschuk


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