Wieder Wahlen in der Ukraine, alles so, wie bei allen...

Wieder Wahlen in der Ukraine, alles so, wie bei allen...

Ukrinform Nachrichten
Juli scheint heiß zu sein

Die Parlamentswahlen 2019 in der Ukraine haben fraglos nationale Besonderheiten. Aber in Übereinstimmung mit den weltweiten Trends scheint dieser Juli in der Ukraine heiß zu sein - und nicht unbedingt bezüglich der Temperaturen , sondern im politischen Aspekt, wie eigentlich auch das ganze Jahr 2019. Ehe sind die Ukrainer  dazugekommen, sich von Präsidentschaftswahlen zu erholen, die viele Überraschungen - einigen angenehme, anderen nicht sehr - mitbrachten, und schon stehen die Parlamentswahlen - wenn auch vorgezogenen -  bevor. Fassen wir nun zusammen, dass es uns schon darüber bekannt ist...

Erwartete Überraschung

Jetzige vorfristige Parlamentswahlen kann man eine "erwartungsgemäß unerwartet" nennen. Laut der ukrainischen Gesetzgebung finden die Parlamentswahlen in der Ukraine alle fünf Jahre statt. Die zahlenmäßige Stärke der Werchowna Rada bilden 450 Abgeordnete. Die Hälfte der Rada-Abgeordneten werden gemäß den Kandidatenwahllisten von politischen Parteien (nach dem Verhältniswahlsystem) und weitere 225 - in Einmandatswahlkreisen nach dem Mehrheitssystem, in einem Wahlgang, das heißt, sie werden von der relativen Mehrheit der Wähler gewählt. Die Mehrheitskomponente ist in der Ukraine tief korrupt . Verschiedene Leiter versprechen jahrelang, ein Verhältniswahlsystem mit offenen Wahllisten zu hundert Prozent zu gewährleisten. Das ist auch im Programm der Sieger der vorigen Wahlen 2014 vorgeschrieben. Übrigens, ist das so wie immer gegangen: es waren leere Versprechen der Populisten und anderer politischer Schlauköpfe. Die Wahlen 2019 werden nach dem alten, d.h. dem Mischwahlsystem abgehalten.

In diesem Jahr sollten die Wahlen am 27. Oktober stattfinden, aber die Politik hat darin ihre Berichtigungen eingetragen. Noch während der Kampagne zur Präsidentschaftswahl wurden Gerüchte verbreitet, dass der potentielle Sieger sich so schnell wie möglich ein "komfortables" Parlament und also einen entsprechenden Bestand der Regierung gewährleisten wollen werde. Als ein eventueller Grund für die Auflösung der Werchowna Rada nannte man keine Koalitions-Mehrheit. Unter Umständen gibt es das Recht dem Präsidenten, das Parlament aufzulösen. Das ist aber das Recht und keine Pflicht des Staatsoberhauptes. Darüber hinaus erhob sich die Frage - warum ist das  in den Bedingungen zu machen, wenn die Regierung, dessen Bildung das Einzige ist, was die Koalition gewährleisten soll, stabil arbeitet und ein paar Monate bis "termingemäßen" Wahlen bleiben?

Was das Vorhandensein ober umgekehrt das Fehlen der Koalition in der Werchowna Rada angeht, waren die Einschätzungen diametral einander entgegengesetzt. Man muss gerechtigkeitshalber betonen, dass die ukrainische Gesetzgebung in diesem Teil Widersprüche hat und unbedingt nachbearbeitet werden soll. Die meisten Experten waren jedoch der Meinung, dass die Rada-Auflösung grundlos und die Ansetzung der vorgezogenen Wahlen unnötig seien. Der neu gewählte Präsident hat den Schlusspunkt gesetzt, in seiner Antrittsrede am 20. Mai 2019 die Auflösung der Werchowna Rada der 8. Einberufung angekündigt zu haben.Der diesbezügliche Erlass des Präsidenten wurde offiziell veröffentlicht. Und der Prozess zu den vorgezogenen Parlamentswahlen wurde nun in Gang gesetzt. Der Verfassungsgerichtshof bestätigte später die Gesetzmäßigkeit dieses Erlasses. Die Wahlen in die Werchowna Rada der 9. Einberufung finden am 21. Juli 2019 und nicht am 27. Oktober dieses Jahres statt, hieß es.

Teilnehmer des Spiels

Was sollten diese drei Monate bringen oder zurücknehmen? Experten glauben, es ermögliche, in großem Maße die Wahlsituation beizubehalten, die sich zum Stand 21. April, am Tag der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl bildete, als der sechste Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskyj Erdrutschsieg gegen den fünften Petro Poroschenko (73 Prozent gegen 24 Prozent) erzielte. Inwiefern wird das Mitte Sommer beibehalten? So liegt die präsidentennahe Partei "Diener des Volks" mit großem Abstand vorne. Es geht aber nicht von der Wiederholung der Wahlergebnisse bei der Präsidentenwahl. Dazu ist die Senkung des Ratings der Partei "Diener des Volkes" zu verzeichnen. Zu Beginn der Wahlkampagne lag er bei knapp 50 Prozent. Man kann also kaum über die Bildung einer Eine-Partei-Mehrheit im zukünftigen Parlament sprechen. Das Mehrheitssystem hat seine Gesetze und in einer Hälfte der Wahlkreise zu gewinnen (das ist die obligatorische Bedingung für die Bildung einer Fraktion mit 226 Mandaten), wenn es sich um wenig bekannte Vertreter der Partei "Diener des Volks" handelt, wird ihnen kaum gelingen.

Insgesamt nehmen an den ukrainischen Wahlen 22 politische Parteien teil. Die letzte Partei, die es in den "Parlamentszug" geschafft hat, ist die "Bewegung der neuen Kräfte" des noch vor kurzem politischen Verbannten, des ehemaligen Präsidenten Georgiens und des Ex-Gouverneurs von Odessa, Saakaschwili. Der expressive Chefs der "Bewegung der neuen Kräfte" so wie auch seine Partei werden von Anfang an von Skandalen begleitet. Die Zentrale Wahlkommission verzichtete zuerst auf die Registrierung der "Bewegung". Sie war aber  schließlich erzwungen, das gemäß dem Rechtsspruch zu machen, der dem Antrag des Klägers stattgab. Ein anderes Gericht wollte deswegen die Auslosung der Listennummern der politischen Parteien abschaffen, die die Zentrale Wahlkommission bereits durchgeführte hat. So erscheinen die Parlamentswahlen am 21. Juli überhaupt gefährdet. Die Partei begannen doch ihre Agitationskampagnen, die bereits erhaltenen Ordnungsnummern in Wahlzetteln geltend gemacht zu haben.  

Inzwischen sah die fünf Top-Parteien des Wahlrennens Anfang Juli laut verschiedenen soziologischen Angaben so aus: die Partei "Diener des Volkes" (die präsidentennahe Partei, die bei Null ins Leben gerufen und nach der beliebten TV-Serie "Diener des Volkes" benannt wurde, wo Herr Selenskyj einen Präsidenten spielte und dank dessen so viele Stimmen erhielt) 40 - 45 Prozent, "Oppositionelle Plattform und Für das Leben" (die prorussische Partei mit dem Putins Freund Viktor Medwedtschuk an der Spitze, dem Geschäftsmann Wadym Rabynowytsch und Juri Bojko, einer der Säulen des Regimes von Janukowytsch, der wegen der groß angelegten Korruption angeklagt wurde) 11-13 Prozent, Holos (die Partei des beliebtesten ukrainischen Rocksängers Swjatoslaw Wakartschuk, die auch bei Null gegründet wurde), die "Europäische Solidarität" (des Ex-Präsidenten Petro Poroschenko). "Batkiwschzschina" (die Partei von Julia Tymoschenko) schwanken im Bereich von 6 bis 10 Prozent, indem sie ihre Plätze wechseln.

Die übrigen Parteien überspringen vorerst nicht die notwendige 5-Prozent-Barriere für den Einzug in die Werchowna Rada. Einige von ihnen haben noch darauf die Chancen. Das sind die "Radikale Partei" von Oleh Ljaschko, "Kraft und Ehre" des ehemaligen Chefs des ukrainischen Sicherheitsdienstes Ihor Smeschko, die "Bürgerliche Position" des ehemaligen Verteidigungsministers Anatolij Hryzenko und "Oppositionsblock" (ein Bruchstück der allgemeinen prorussischen  Partei, eine konkrete Bestätigung dessen, dass auch Moskowiter sich mit einander manchmal streiten). Die seit langem bekannte Partei der Nationalisten "Swoboda" von Oleh Tjagnybok und die neu gegründete "Ukrainische Strategie" des amtierenden Ministerpräsidenten Wolodymyr Hrojsman haben nur theoretisch Chancen. Ihr soziologisches Rating liegt bei knapp zwei Prozent. 

Politische Parteien, die am politischen Wegrand stehen oder überhaupt keinem bekannt wie z.B. die "Allukrainische Vereinigung Fackel" oder "Unabhängigkeit" u.ä. sind, nehmen aller Wahrscheinlichkeit nach an den Wahlen ausschließlich dafür teil, um von anderen Konkurrenten Stimmen abzuziehen. Leider sind das einstweilen eine typische Technologie und Praxis für ukrainische Wahlen.

Man muss betont werden, dass die Partei "Oppositionelle Plattform - Für das Leben" die einzige Partei der Top-Fünf ist, die offen prorussische Ideen deklariert und die Ausrichtung der Ukraine auf die EU und die NATO nicht unterstützt..

Demokratisches Minus

Bezüglich der ukrainischen politischen Kräfte der proeuropäischen Ausrichtung wie "Holos", die "Europäische Solidarität", die Vereinigung "Selbsthilfe", die "Bürgerliche Position", die "Kraft der Menschen", die "Ukrainische Strategie von Hrojsman" und noch einige weniger bekannte Parteien werden sie die 5-Prozent-Barriere nicht überwinden können. Es scheint, dass sie sogar nicht versucht haben, sich zu vereinbaren und gegeneinander zugunsten der prinzipiellen Opponenten nicht zu kämpfen. Warum nehmen sie an dieser garantierten Niederlage teil? Nun muss man an die erste Erscheinungsform der ukrainischen Traditionen erinnern, die  Kräfte um die zentrale Idee der Entwicklung der Ukraine zu verschludern.

Es war 1998, als die Ukraine zum zweiten Mal bei ihrer Unabhängigkeit das eigene Parlament wählte - und dabei gemäß dem neuen Wahlgesetz nach dem sogenannten gemischten Wahlsystem. Damals begann heftiger Kampf nicht zwischen Parteien der Opponenten, sondern eben zwischen den politischen Kräften, deren Programm-Ausrichtung nahe einander war. Sie alle kämpften hartnäckig auf einem Wahlfeld. Beispielsweise widerstand die "Volksbewegung" der "Nationalen Front". Daraufhin hat die Letztere sogar die Parlamentshürde nicht überwunden. Die Mehrheit in Rade bildeten Vertreter verschiedener Kreise der "grauen" Ideologie, die für die Strukturen wirkten, die ihre Wahlkampagne finanzierten. Übrigens, gerade damals ist Jurist Viktor Medwedtschuk zum ersten Mal ein Parlamentsabgeordneter geworden...

Derzeit könnte nur die Allukrainische Vereinigung "Swododa" lediglich fast alle konservativ-nationalistischen Kräfte einschließlich des "Rechten Sektors" und des "Nationalen Korps" um sich vereinigen. Ihre Parteiliste hat allerdings in der gegenwärtigen Ukraine nur wenige Chancen.   

Bedrohung von "neuen" und "alten" Gesichtern

Eine Schlüsselfrage jetziger ukrainischer Wahlen ist das Niveau der Kompetenz und der Tugendhaftigkeit neuer Eliten, die bald im Parlament vorgestellt sein werden. Die Vertreter der Partei "Diener des Volks" warfen mehrfach und begründet dem vorigen Präsident Petro Poroschenko die Intransparenz seiner Politik und eine Politik hinter verschlossenen Türen vor. Die gegenwärtige Wahlkampagne, die Tatsachen, die die Massenmedien veröffentlichen, verursachen Besorgnis bei der Öffentlichkeit: kaum etwas hat sich geändert - und in erster Linie bezüglich der Auswahl der Kandidaten. Und das betrifft beinahe alle Parteien, die an den Wahlen teilnehmen. Man kann nicht sagen, dass es keine Reaktion auf die Kritik von den Parteistäben gibt - einige "mangelhafte" Kandidaten waren aus den Wahllisten noch vor der Registrierung bei der Zentralen Wahlkommission als Ergebnis der Veröffentlichungen ausgestrichen. Dieser Prozess dauert bis jetzt und betrifft nicht nur Parteilisten, sondern auch Kandidaten, die in 203 Mehrheitsbezirken (diese Zahl ist weniger als 225, da in Bezirken, die zu der besetzten Krim und Donbass gehören, die Wahlen nicht durchgeführt werden) kandidieren wollen. Aber angesichts der geschlossenen Prozedur der Auswahl (Kandidaten - Red.) kann niemand sagen, wie viele "dunkle Pferde" es dort noch gibt.

Eine der ausdrucksvollen Besonderheiten jetziger Parlamentswahlen in der Ukraine ist die Teilnahme oder die Versuche, daran teilzunehmen, vieler Personen mit gelinde gesagt vollständig kompromittiertem Ruf. Das sind vorwiegend Politiker der Epoche der Präsidentenschaft von Viktor Janukowytsch, die wie bekannt mit der Revolution der Würde und dem russisch-ukrainischen Krieg beendete. Allerseits, aus allen Ecken der Welt ziehen politische Flüchtlinge aller Schattierungen, wie kommen Tote zu dem Rohr des Engels der Apokalypse, in die Ukraine  zusammen. Übrigens freuen sich die Ukrainer über ihre Rückkehr nicht allzu und würden eher diese Personen auf der Anklagebank und nicht im Sitzungssaal der Werchowna Rada sehen. Die Registrierung zum Kandidaten in das Parlament des ehemaligen Chefs des Präsidialamtes von flüchtigem Viktor Janukowytsch, Andrij Kljuew, und des odiosen Bloggers Anatolij Scharij löste nicht nur eine stürmische negative Reaktion der ukrainischen Internet-Community aus, sondern ließ empörte Bürger, zu Protestaktionen zu gehen.

Es entsteht ein Eindruck, dass das ukrainische gerichtliche System die psychische Stabilität der ukrainischen Gesellschaft täglich erprobt. Und die Gesellschaft, sein aktiver Teil, reagiert und es kommt vor, dass man sich durchsetzt. In Bezug auf Kljujew und Scharij legten das Innenministerium der Ukraine und die Generalstaatsanwaltschaft am nächsten Tag nach der Protestaktion auf Maidan Dokumente vor, die von ihnen verlangt wurden, dass diese zwei Menschen auf dem Territorium der Ukraine im Laufe von 5 Jahren ständig nicht lebten. Laut dem Gesetz dürfen sich diese Personen nicht kandidieren. Am Abend desselben Tages revidierte die Zentrale Wahlkommission ihren Beschluss und hob die Registrierung Kljujew und Scharijs auf.

Wann ist Ergebnis zu erwarten

Laut dem Gesetz macht die Zentrale Wahlkommission offizielle Ergebnisse der Parlamentswahlen nach spätestens zwei Wochen seit der Abstimmung bekannt. Deshalb kann die erste Tagung der Werchowna Rada IHRER Einberufung die Arbeit bereits Ende August 2019 begonnen werden.

Was kann man nun zum Abschluss sagen? Die Parlamentswahlen 2019 sowie die Präsidentschaftswahl in der Ukraine bringen dieselben Tendenzen an den Tag, die in der letzten Zeit nicht nur in der Ukraine, sondern auch weltweit zu verzeichnen sind: Zunahme von Populismus - vom offenen zum verdeckten, politischen Kitsch, Profanation von Ideen und Werten der Demokratie plus Einfluss von Digitaltechnologien, was Manipulationen erheblich verstärkt. Aber andererseits nimmt auch die Nachfrage nach einer qualifizierten, effektiven und mobilen Macht zu, die unter den Bedingungen der politischen Turbulenz weltweit und bei der Wechselwirkung mit der Gesellschaft nicht nur alten, sondern auch neuen Herausforderungen entgegenstehen kann.     

Und anschließend. Die Krise der Führerschaft in einer demokratischen Gesellschaft ist nicht nur im Westen, sondern auch in der Ukraine zu verzeichnen. Es bleibt also festzustellen, dass jede Krise nicht ewig sein kann.

Switlana Schewzowa, Kyjiw

nj


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