Mykola Kulinitsch, Botschafter der Ukraine in Australien
Einer der gemeinsamen Züge der Ukrainer und Australier – „Geist der Freiheit“
09.08.2016 12:43

Anfang Juli hatten in Australien die Parlamentswahlen stattgefunden, die der regierenden Koalition einen weiteren Sieg brachten. Über die Besonderheiten und Aussichten nach den Wahlen in den ukrainisch-australischen Beziehungen erzählte in einem exklusiven Interview mit dem Ukrinform-Korrespondenten der außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter der Ukraine in Australien, Mykola Kulinitsch.

- Neulich haben in Australien die Parlamentswahlen stattgefunden. Und obwohl die Liberal-Nationale Koalition geschafft hat, an der Macht zu bleiben, können die erheblichen Erfolge der Mitglieder der Labour Party, die buchstäblich auf die Fersen der Regierungskoalition getreten haben, offensichtlich, nicht ignoriert werden. Welche Veränderungen in die Politik der australischen Regierung kann das mit sich bringen? Wie wird sich das auf die australische Außenpolitik auswirken, was soll in diesem Kontext die Ukraine erwarten?

- Eine der Besonderheiten dieser Wahlen, als Charakterzug des politischen Lebens in Australien als Ganzes, ist, dass die Frage der Außenpolitik an der Peripherie der Aufmerksamkeit der Gesellschaft ist.

Aus meiner Sicht wirken sich die Besonderheiten der Mentalität und Wahrnehmung der Welt aus, die für viele Staaten kennzeichnend sind, die beispielsweise auf den Inseln Großbritanniens sind. Und im Falle von Australien werden sie noch durch die riesige Fläche des Landes verstärkt. In diesem Zusammenhang fühlen sich die Australier selbst absolut genügend. Statt der „Insel“-Mentalität herrscht hier eine solche „Kontinentalität“.

So sollte man besondere Hoffnungen auf irgendwelche radikalen Änderungen in der Außenpolitik der neuen australischen Regierung kaum erwarten, denn die Liberal-Nationale Koalition, die an der Macht geblieben ist, hat in ihrem Wahlprogramm keine neue Außenpolitikstrategie deklariert. Man kann erwarten, dass die neue Regierung weiter situativ auf regionale und globale Herausforderungen reagieren wird.

Übrigens, gerade so hat Australien begonnen, seine Beziehungen zur Ukraine zu artikulieren. Warum hat es eine Intensivierung bilateraler Beziehungen gegeben, ist die australische Botschaft in der Ukraine erschienen? Das war die Reaktion auf die Tragödie mit MH17, deren Opfer australische Staatsbürger waren.

Demnach soll man auf die besonderen Änderungen in der Politik Australiens gegenüber der Ukraine nicht hoffen. Die Regierung wurde nicht gewechselt. Trotz der unbedeutenden personellen Umstellungen wurde die Regierung von der gleichen politischen Kraft gebildet, wie davor. Dabei wurde die Chefin des Außenministeriums nicht gewechselt. Julie Bishop, die zweimal unser Land besucht hat und eine objektive Sicht des Konflikts im Osten unseres Landes und das Verständnis der Rolle der Ukraine in ihm hat, blieb in ihrem Amt. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass die subjektive Rolle des Außenministers in den bilateralen Beziehungen von großer Bedeutung ist.

- Haben Sie bereits die neue Zusammensetzung des Parlaments bewertet, wer ist von den „Freunden“ geblieben? Inwiefern kann man überhaupt im Kontext von Australien über die Effektivität der Freunden-Gruppe Ukraine-Australien sprechen?

- „Freunde der Ukraine“ sind in der neuen Zusammensetzung des australischen Parlaments geblieben, aber es gibt nicht viele davon. Unter ihnen ist Craig Laundy, Vorsitzender der Freunden-Gruppe „Ukraine-Australien“, der zum parlamentarischen stellvertretenden Minister für Industrie, Wissenschaft und Innovation wurde. Das ist eine äußerst wichtige Position angesichts der Tatsache, dass die Regierung von Malcolm Turnbull eine ihrer Prioritäten die Unterstützung der Entwicklung der Innovationstätigkeit erklärte.

- Derzeit spricht man in die Welt viel über die Bedeutung der Aufnahme des Dialogs mit Russland, insbesondere im Kontext des Kampfes gegen den Terrorismus, des Verzichts auf die Politik der Sanktionen, zumindest schrittweise. Australien hat traditionell stärkere Handelsbeziehungen mit Russland als mit der Ukraine, sollte sich die Ukraine Sorgen machen, das sie ihren Verbündeten in der asiatisch-pazifischen Region verlieren kann?

- Die Sanktionen an sich selbst sind kein allzu populäres Mittel innerhalb des Landes, das sie verwendet, denn das ist der freiwillige Verzicht auf Handels- und andere Beziehungen, oder zumindest ihr Abbau mit dem vorteilhaften wirtschaftlichen Partner.

Darüber hinaus ist es erwähnenswert, dass die Ukraine nie das Objekt der Konzentration der Interessen von Australien war. Im Gegensatz zu Russland, das sie als ein pazifisches Land betrachten, und dementsprechend als einen wichtigen Partner.

Aber hier entsteht die Frage des Prinzips, eine Sache ist, wenn es sich um den Handel und die wirtschaftliche Expansion als Mittel zur Förderung der Interessen handelt, und andere, wenn jemand einen Krieg anfängt. Es sind dann die Herausforderungen für die Interessen und der Angriff auf die traditionellen Werte, die extrem wichtig für die Australier sind.

Australien ist ein Land mit einer starken und eigenständigen Wirtschaft, mit einer mächtigen eigenen Rohstoffbasis. Darum sind, ehrlich gesagt, die Sanktionen nicht zu belastend für die Australier. Die Frage der Sanktionen für Australien, im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern, die vom Import russischer Energieträgern abhängig sind und die beträchtliche Einkommen vom Export ihrer Produkte auf die russischen Märkte bekommen, ist klar, sie haben die Sanktionen bis zum Jahr 2018 verlängert. Unter der Bedingung, dass die Verbündeten von Australien – USA und EU - ihre Sanktionspolitik nicht ändern werden.

- Kürzlich hat die ganze Welt den zweiten Jahrestag der Tragödie mit MH17 begangen. Die Ukraine und Australien sind gemeinsam mit den anderen Ländern in der Zusammensetzung der Gemeinsamen Gruppe für die Untersuchung der Katastrophe. Haben Australien und die Ukraine gemeinsame Positionen? Was ist die Formel, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen?

- In der Tat, Australien sowie die Ukraine gehört zur Gemeinsamen internationalen Kommission zur Untersuchung dieser Tragödie, die sich im Himmel über der Ukraine ereignete. Beide Länder sind sowohl an der Ermittlung der Verantwortlichen als auch an ihrer gerechten Strafe interessiert.

Jetzt kommen die Teilnehmer dieser Kommission zur Endphase ihrer Arbeit, es gibt eine Vereinbarung, dass sie schon im Herbst die Ergebnisse der Untersuchung bekanntmachen müssen. Ich habe keine Informationen über irgendwelche Widersprüche innerhalb der Kommission und das gibt den Grund zu glauben, dass unsere Position mit Australien konsolidiert ist.

- In diesem Frühjahr haben die Ukraine und Australien ein Abkommen über die friedliche Nutzung von Kernbrennstoffen unterzeichnet. In welchem Zustand ist dieses Abkommen heute? Wann kann die Ukraine erste Lieferungen des australischen Urans erwarten?

- Zweifellos ist dieses Geschäft sehr wichtig für die Ukraine, sowie für Australien. Der Bergbau in Australien erlebt derzeit eine Krise wegen der allgemeinen Tendenz zur Massenersetzung der Energiequellen gegen alternative, erneuerbare. Daher schafft die Unterzeichnung des Vertrags über die Lieferung von Rohstoffen für Kernbrennstoffe erhebliche Unterstützung für die Nuklearindustrie von Australien. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Ukraine Ausgleicher für die Nicht-Lieferung von Kernrohstoffen an Russland werden kann.

Wiederum ist der Abschluss eines solchen Vertrags ein lebensnotwendiger Schritt für die Ukraine. Denn davor haben wir den Kernbrennstoff in Russland gekauft, mit dem wir die Handelsbeziehungen aus bekannten Gründen abgebaut haben. Australien zeigte sich denn bereit, von 30 bis 70 Prozent unseres Bedarfs an Kernbrennstoff zu decken, was es tatsächlich zu einem strategischen Lieferanten von Kernbrennstoff für die ukrainischen Kernkraftwerke machen kann. Deshalb ist dieses Dokument ein riesiger wirtschaftlicher Halt für den Aufbau der politischen Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern, weil es nicht nur rein wirtschaftlicher Natur ist, sondern löst auch für die Ukraine die Probleme der Energiesicherheit.

In Bezug auf den Status dieses Vertrags ist dieses Dokument eine politische Rahmenvereinbarung. Für die Lieferungen konkret müssen kommerzielle Verträge abgeschlossen werden. Jetzt muss dieses Dokument, das ein internationales Abkommen ist, durch das Parlament von Australien ratifiziert werden.

- Eine große Aufregung verursachte die Ankunft in Australien des ukrainischen Transportflugzeuges „Mrija“. Wird es in diese Richtung eine praktische Fortsetzung geben?

- Ich bin sicher, ja, denn wir sind bereits zu den ersten konkreten Schritten zur Umsetzung der Zusammenarbeit des Staatsunternehmens „Antonow“ mit den australischen Partnern übergegangen. In Bezug auf die Zusammenarbeit kann sie verschiedene Formen haben. Das sind Service des Luftverkehrstransports, sowohl national als auch international, Charterung und eigentlich ihr Erwerb. So zeigte das Verteidigungsministerium Australiens das Interesse an einem Transportflugzeug von Antonow.

- Welche Fragen der bilateralen Beziehungen noch stehen derzeit auf der Tagesordnung? Was kann die Ukraine Australien noch bieten, und umgekehrt?

- Ein interessantes Projekt wäre die Benutzung des Kosmodroms „Wumer“, das im Besitz von Australien ist. Früher war es ein Versuchsgelände für den Start der britischen Trägerraketen. Auch wurde es von Amerikanern und Japanern benutzt, aber jetzt ist es geschlossen. Die Ukraine (unsere Staatsweltraumagentur) ist an den gemeinsamen Projekten auf der Basis dieses Kosmodroms interessiert, das man beispielsweise für den Start von kommerziellen Satelliten benutzen kann.

- Traditionell war ein starker Einflussfaktor für die australisch-ukrainische Verbindung die ukrainische Gemeinde in Australien. Wie bedeutend sind die Druckhebel unserer Diaspora heute?

- Sehr interessant ist für mich dieses Land gerade wegen der Arbeit mit der Gemeinde, da es das erste Mal in meiner diplomatischen Karriere ist, wo ich mit der ukrainischen Gemeinde im Ausland arbeite, weder in Korea noch in Japan gab es praktisch organisierte Gemeinde. Das sind unsere Landsleute, von denen jeder seine eigene Geschichte hat, und nicht nur eine Geschichte Australiens, sondern auch die Geschichte der Ukraine: wie er hier gelandet ist, welche Umstände waren es, wer waren die Eltern, etc. Sie alle schätzen ihre Wurzeln, verlieren nicht die Verbindung mit Kultur, Sprache, Heimat. Sie unterstützen natürlich allseitig die Ukraine. Vieles lässt sich durch die aktive Unterstützung der ukrainischen Gemeinde in Australien erreichen.

So möchte ich zum Beispiel betonen, dass die parlamentarische Unterstützung der Ukraine in hohem Maße dank unserer Gemeinde in Australien gebildet wird, weil sie eine ziemlich starke Wählerkraft ist. Sogar trotz einer relativ kleinen Anzahl, von etwa 40 000, spielt die ukrainische Gemeinde eine große Rolle im politischen Kampf, so wie wir es sehen können.

- Viele demokratische Länder, besonders jene, wo es einflussreiche ukrainische Gemeinden gibt, leisten der Ukraine humanitäre, beratende und militär-technische Hilfe. Welche Position in dieser Frage hat Australien?

- Australien hat der Ukraine auch die militärisch-technische und humanitäre Hilfe in einer schwierigen Zeit gewährt, als die Aggression Russlands gegen unser Land begann. Es waren Bekleidung, Verbandskästen und begleitende Materialien. Darüber hinaus wurde ein Ausbildungsprogramm für das ukrainische Militär in den australischen Militärbildungseinrichtungen eingeleitet. Dieses Programm wird vollständig von der australischen Regierung finanziert, es läuft weiter noch und ist äußerst interessant und nützlich für unsere Offiziere.

- Nächstes Jahr feiern die Ukraine und Australien den 25. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Trotz der beträchtlichen Dauer der bilateralen Beziehungen hatte der erste Besuch des Präsidenten der Ukraine in Australien erst im Jahr 2014 stattgefunden. Die Staatsführung des australischen Staates war noch nie in der Ukraine. Wird ein Besuch in der nahen Zukunft geplant?

- Ja, den 25. Jahrestag der Aufnahme der diplomatischen Kontakte werden wir im Januar nächsten Jahres feiern. In Bezug auf den Besuch sind wir jetzt im Vorbereitungsprozess. Denn nach den diplomatischen Standards soll nach dem Besuch des Staatsoberhauptes auch ein Gegenbesuch stattfinden. Zudem gibt es eine Einladung, die unser Präsident dem Premierminister Malcolm Turnbull persönlich auf der Klimakonferenz in Paris übergeben hat.

Die australische Seite bestätigte wiederum die Möglichkeit für einen solchen Besuch. Das einzige, was geblieben ist, das Datum zu bestimmen. Wir glauben, und sie stimmen uns zu, dass der 25. Jahrestag ein ziemlich wichtiges Ereignis ist, um diesen Besuch zu veranstalten.

- Sie sind schon seit mehr als einem halben Jahr in Australien. Welche Eindrücke über das Land haben Sie? Warum wählen es Migranten? Gibt es etwas Gemeinsames zwischen unseren Völkern?

- Ja, es sind bereits 9 Monate, man kann schon über einige Eindrücke sprechen (lacht). Ich bin, wie man sagt, in diesem „Geschäft“, in der Diplomatie, seit mehr als 20 Jahren, ich habe in verschiedenen Ländern gearbeitet, und ich möchte sagen, dass Australien nicht wie die anderen Länder ist!

In Bezug auf die Gemeinsamkeiten unserer Völker gibt es aus meiner Sicht nicht so viel Gemeinsames, aber das, was Gemeinsames ist, ist sehr interessant. Einen solcher Hauptzüge würde ich „Geist der Freiheit“ nennen - wir und die Australier mit ihrem für die ganze Welt berühmten „no worries“ ziemlich lockere Menschen.

Als nächstes ist es ein Raumgefühl, wie in der Ukraine das Gefühl der Steppe, der breiten Felder, so ist auch hier, offenbar aufgrund der enormen Größe des Landes – des ganzen Kontinents – leben die Australier mit dem gleichen Raumgefühls, wie wir.

Iwan Jusypjuk, Canberra.

yv 

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